Fall Edathy: Geheimnisverrat des ehemaligen Bundesinnenministers?

Der Fall hat die Regierung erreicht, BKA-Präsident widerspricht SPD-Fraktionsvorsitzenden Oppermann

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Aus dem Fall Edathy ist eine Staatsaffäre geworden: Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) steht in der Kritik, von Strafvereitelung im Amt ist die Rede, der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) Jörg Ziercke muss sich an die Presse wenden und "Angaben" zurückweisen und auch die Namen Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann rücken in den Fokus der Berichterstattung. Gegen den jetzigen Landwirtschaftsminister Friedrich hat die Berliner Staatsanwaltschaft Vorermittlungen wegen möglichen Geheimnisverrats aufgenommen.

Während die Staatsanwaltschaft bis jetzt keine weiteren Angaben zum Fall Edathy gemacht hat, werden die Ermittlungen von einem Sachverhalt überlagert, der es in sich hat: Informationen über Ermittlungen in Sachen Edathy wurden bis in die Parteispitzen der SPD weitergegeben. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Thomas Oppermann, hat sich heute in einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet:

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wurde im Oktober 2013 von Innenminister Hans-Peter Friedrich darauf angesprochen, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name von Sebastian Edathy aufgetaucht sei. Dabei - so die damalige Auskunft an den Parteivorsitzenden - gehe es ausdrücklich nicht um strafbare Inhalte. Allerdings - so die damalige Auskunft weiter - werde es möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen. Sigmar Gabriel hat darüber den Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und mich als 1. Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion informiert.

Oppermann, der mehrere Jahre auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums war, erklärt weiter, er habe daraufhin mit dem Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, telefoniert und sich den Sachverhalt "bestätigen lassen". Daraufhin habe er sich mit Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier verständigt, die "Informationen vertraulich zu behandeln, um mögliche Ermittlungen nicht zu gefährden". Auch die 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Christine Lambrecht, hat Oppermann im Dezember 2013 über den Sachstand informiert.

Dass das BKA als eine dem Bundesinnenministerium nachgeordnete Behörde bei einem derart brisanten Fall den Bundesinnenminister unterrichtet, ist nachzuvollziehen. Aber warum informierte Friedrich Gabriel über die Ermittlungen?

Die Antwort gibt ein Sprecher des Ex-Innenministers. Für den Minister sei es wichtig gewesen, dass "es keine strafrechtlichen Vorwürfe waren". Die "politische Dimension" sowie die Möglichkeit, dass die Namensliste öffentlich werden könnte, hätten dazu geführt, dass Friedrich Gabriel informiert habe, berichtet Faz.net unter Berufung auf die Deutsche Presse Agentur. Der Staatssekretär des Ministers, Klaus-Dieter Fritsche, habe Ende Oktober 2013 vom BKA über den Sachverhalt erfahren und Friedrich informiert.

Laut Spiegel Online wusste auch der Innenminister von Niedersachsen, Boris Pistorius (SPD), und der Göttinger Polizeipräsident Bescheid.

Es wussten also mindestens 8 Personen davon, dass der Name Edathy im Zuge von Ermittlungen aufgetaucht ist. Hinzu kommt aber wohl auch noch eine Person aus der SPD in Niedersachsen, die ein Redakteur der Lokalzeitung Die Harke als Quelle nennt (hier ein Video zu einem Interview mit dem Redakteur, der bei der Wohnungsdurchsuchung vor Ort war). Die Lokalzeitung hatte zuerst über die Wohnungsdurchsuchung berichtet.

Doch so wenig geklärt ist, was es mit dem Fall Edathy tatsächlich auf sich hat, so verworren ist die Lage auch in Bezug auf die Frage, wer wen wie tatsächlich informiert hat.

Der BKA-Präsident bzw. das BKA ließen heute gleich zwei Pressemitteilungen veröffentlichen, in der einmal Thomas Oppermann und dann einem Bericht von Bild.de widersprochen wird.

Am 13.02.2014 wurde eine Erklärung des SPD-Fraktionschefs Thomas Oppermann zu den Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy veröffentlicht. Darin wird unter anderem über ein Telefonat mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, berichtet. Hierzu erklärt BKA-Präsident Ziercke: "SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat mich im Oktober 2013 angerufen und mir über den Inhalt eines Gesprächs berichtet, das der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit Herrn Oppermann geführt habe. Darin sei es um Ermittlungen im Ausland gegangen, in deren Rahmen der Name von Herrn Edathy aufgetaucht sei. Diese Darstellung habe ich mir angehört, aber Herrn Oppermann diese weder bestätigt noch Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt.Pressemitteilung

Und in einer weiteren Pressemitteilung heißt es:

Einem Bericht von Bild.de vom 13.02.2014 zufolge soll der damalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Klaus-Dieter Fritsche, durch den Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, über einen begründeten Anfangsverdacht gegen den früheren SPD-Bundestagabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes von kinderpornographischen Schriften informiert worden sein. Das BKA stellt klar: Diese Darstellung ist falsch. Von einem begründeten Anfangsverdacht gegen Herrn Edathy ist nie die Rede gewesen.

Aufgrund der Weitergabe von Informationen steht nun der Verdacht im Raum, der ehemalige Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses könnte vorab gewarnt worden sein und so für ihn belastendes Material beseitigt haben.

Genährt wird der Verdacht prompt von einem nicht näher genannten Ermittler, auf den sich die Deutsche Presse-Agentur bezieht und der behauptet, Computer seien vor der Durchsuchung aus der Wohnung von Edathy entfernt worden. "Wir sind in eine Situation gekommen, in der die Durchsuchungen nicht mehr gegriffen haben", so der Ermittler. "Das grenzt an Strafvereitelung."

Der Innenminister von Schleswig-Holstein, Andreas Breitner (SPD), forderte derweil den Rücktritt von Friedrich, der derzeit Minister für Ernährung und Landwirtschaft ist.

Wenn ein Bundesinnenminister in einem Ermittlungsverfahren das Umfeld eines Beschuldigten über das Verfahren selbst informiert, dann ist er für ein Kabinett völlig untragbar.