Faymann tritt zurück

Zur Auflockerung eine Wohlfühlillustration. Salzburger Nockerln. Foto: Tourismus Salzburg. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Wer wird neuer österreichischer Kanzler?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wenn Politiker gegenüber Medien etwas verlautbaren, dann ist oft das Gegenteil davon wahr: Gestern noch berichtete der ORF unter Berufung auf den sozialdemokratischen Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, ein Rücktritt Faymanns sei vom Tisch und werde nur noch von der Salzburger SPÖ gefordert, stattdessen habe man sich auf einen inhaltlichen Kompromiss geeinigt, der vorsehe, dass Koalitionen mit Heinz-Christian Straches FPÖ (die es auf Landesebene bereits gibt) nun auch offiziell erlaubt werden sollen. Das, so Ostermeier, müsse dann jede SPÖ-Ebene selbst entscheiden - er selbst wolle aber nicht "mit Strache an einem Koalitionstisch sitzen".

Nachdem es am Montagvormittag dann zu einer Reihe von Treffen der SPÖ-Parteiführung kam, steht fest, dass Faymann doch zurücktritt: Das sagte der optisch etwas an den Schauspieler Peter Falk erinnernde 56-Jahrige auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz am Mittag:

Österreich benötigt seinen Worten nach einen Bundeskanzler, dessen Partei "voll hinter ihm steht". Wer so einen "Rückhalt" nicht habe, der könne die anstehende Aufgabe eines "Neustarts mit Kraft" nicht meistern. Zu den von ihm eingeführten Grenzsicherungsmaßnahmen meinte er: "Es wäre verantwortungslos gewesen, nicht auch auf eigene Maßnahmen zu setzen".

Faymann-Gegner für Bahnmanager Kern

Bundespräsident Heinz Fischer, der Faymann anschließend als Kanzler demissionierte, übertrug die Amtsgeschäfte am Nachmittag vorläufig Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der der ÖVP angehört. Wer die langfristige Nachfolge Faymanns als Kanzler antreten wird, ist derzeit noch offen. Der ehemalige Salzburger SPÖ-Klubobmann Walter Steidl und der Vorarlberger Klubobmann Michael Ritsch - zwei erklärte Gegner Faymanns - sollen sich für den Bahnmanager Christian Kern ausgesprochen haben.

Da Faymann nicht nur als Kanzler, sondern auch als Parteivorsitzender zurücktrat, könnte der SPÖ-Parteivorstand dem ORF nach heute Nachmittag beschließen, dass die SPÖ bis zum nächsten Parteitag kommissarisch von Wiener Bürgermeister Michael Häupl angeführt wird, der als Gegner von Bündnissen mit der FPÖ gilt. Häupl selbst meinte dazu lediglich, es gebe jetzt eine "Phase des Nachdenkens", in der man am besten schweige.

ÖVP will angeblich keine Neuwahlen

Der Kurier hatte letzte Woche unter Berufung auf zwei führende ÖVP-Politiker berichtet, die Christdemokraten planten für den Fall, dass die SPÖ an Faymann festhält, einen Bruch der Koalition und Neuwahlen. In diese Neuwahlen wolle die Volkspartei dann mit dem derzeitigen Außenminister Sebastian Kurz als Kanzlerkandidaten ziehen (vgl. Kanzler Kurz?).

Kurz fiel in der Vergangenheit bereits mehrmals dadurch auf, dass er für eine andere Politik eintrat als der SPÖ-Chef: Im September plädierte er während eines Staatsbesuches in Teheran für eine Anti-IS-Zusammenarbeit mit Russland, dem Iran und dem syrischen Präsidenten, der in dieser Frage auf derselben Seite stehe, wie der Westen. Trotz der Einschränkungen des ÖVP-Politikers, dass so eine Kooperation "nichts über eine langfristige Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien aussage" und dass man dabei "die Verbrechen Assads nicht vergessen" dürfe, empörten sich österreichische Grüne wie der Europaparlamentarier Michel Reimon darauf hin, Kurz habe einen "diplomatischen Fehler von historischer Tragweite" begangen und "humanitären Werte ausverkauft" (vgl. Unterschiedliche Meinungen zum Umgang mit Syrien und Russland).

Gegenüber Deutschland und der dortigen Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich Kurz in der Vergangenheit selbstbewusster als Faymann: Schon im November diagnostiziert er einen "totalen Kontrollverlust" an der EU-Außengrenze und verlangte ein Ende der "Einladungspolitik" (vgl. Merkel, Gabriel und Seehofer vertagen sich auf Donnerstag). Die "Idee der EU ohne Grenzen nach innen" funktioniert seinen Worten nach nur dann, wenn die Außengrenzen gesichert sind. Und bei der Sicherung dieser Außengrenzen dürfe man sich nicht komplett "der Türkei ausliefern" (vgl. Österreichischer Außenminister diagnostiziert "totalen Kontrollverlust").

Nach Faymanns Rücktritt meinte ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner heute, man strebe keine Neuwahlen an, werde sich aber "genau anschauen", wen sich die SPÖ als Nachfolger aussucht. Änderungen in der Asylpolitik werde es auf jeden Fall nicht geben.

Verhältnis SPÖ-FPÖ weiter ungeklärt

Auch der andere Informationsanteil der Auskunft, die Ostermayer dem ORF am Sonntag gab, stimmte nicht: Das Verhältnis der Sozialdemokraten zu den Freiheitlichen ist weiter ungeklärt. Ein Treffen der sozialdemokratischen Gewerkschafterorganisation FSG soll heute früh lediglich ergeben haben, dass man in dieser Frage auch dort nicht einer Meinung ist.

Gewerkschaftsbundpräsident Erich Foglar hatte dem Nachrichtenmagazin Profil vorletzte Woche gesagt, man könne die gut 35 Prozent, die am 24. April den FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer wählten, "nicht ins rechte Eck rücken", auch wenn man "strikt antifaschistisch" sei. "Viele dieser Menschen", so Foglar, "sind ehemalige SPÖ-Wähler und verstehen schon lange nicht mehr, warum ihre demokratische Entscheidung nicht akzeptiert wird". Koalitionen sind seiner Meinung nach "in der Demokratie nichts Verwerfliches", weshalb die SPÖ "nicht jede Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ von vornherein ausschließen" könne (vgl. "Abgrenzen ja, ausgrenzen nein").