Fortführung der Geschäftspolitik mit anderen Mitteln

Die Taten und Bekennerbriefe von Brandstiftern wirken immer geisteskranker

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Seit Montagmorgen warten Berliner noch etwas länger als sonst auf ihre S- und Regionalbahnen. Grund dafür ist ein Kabelbrand im S-Bahnhof Ostkreuz, dessen Ursache nicht Überlastung, sondern Brandstiftung war. Weil auch Vodafone-Telekommunikationskabel angezündet wurden, kam es zudem bei einer fünfstelligen Zahl von Anschlüssen zu Ausfällen von Telefon und Internet. Nach Angaben der Polizei betrafen diese auch mindestens ein Krankenhaus und mehrere Notrufnummern. Bis gestern war der Schaden nur teilweise behoben.

Dass der Brand ein mutwillig herbeigeführtes Ereignis war, weiß man nicht nur aus Spuren eines Brandbeschleunigers, sondern auch durch ein bei Indymedia eingestelltes (und aus rechtlichen Gründen nicht verlinktes) Geständnisschreiben. In ihm bekennt sich eine Gruppe namens "Das Grollen des Eyjafjallajökull" nicht nur zur Tat, sondern auch zu Lindenstraßen-Konsenszielen wie dem Atomausstieg, den auch die Bundesregierung anstrebt. "Sabotage", so heißt es darin, sei "eine Form des Streiks" und man bestreike "die quälende und mörderische Normalität":

Mobilität garantiert das reibungslose Funktionieren zur Aufrechterhaltung eben jener Normalität. Diese zu unterbrechen, wenn auch nur in bescheidenem Umfang, ist unsere Absicht. Diese Art von Mobilität hat nichts mit Freiheit oder Bewegungsfreiheit zu tun.

Mit ihrer "Sabotage" setzen die Täter das fort, was die Deutsche Bahn AG seit Jahren mit der Berliner S-Bahn vormachte: Für viel Stillstand sorgen. Im letzen Winter fand das Unternehmen sogar eine Möglichkeit, aus dem Stillstand Geld zu schlagen. Ein passender Name für die Gruppe wäre deshalb auch "Bahnchef-Mehdorn-Bande" gewesen. Selbst im Indymedia-Forum fanden sich zu der Tat und dem Schreiben überwiegend Kommentare wie "Irgendwelche gehirnamputierten Spinner meinen, dass sie die Gesellschaft verändern, wenn sie tausenden von Menschen den Tag versauen" oder "Wie krank muss man im Kopf sein, um so einen Schwachsinn loszulassen?"

Foto: Secret Pilgrim. Lizenz: CC-BY-SA.

Dass man mit dem Anschlag vor allem den "kleinen Mann" traf, nahm man offenbar bewusst in Kauf. Denn, so heißt es in dem Bekennerposting, nicht nur "PolitikerInnen", sondern überhaupt alle trügen "Verantwortung für das, was geschieht". Insgesamt erinnert das Schreiben aber weniger an Klassiker des Genres "irre Terrordrohung" wie sie beispielsweise vom Schlipsislamisten Bekay Harrach alias "Abu Talha" oder von der Leipziger "Militanten Gruppe" kamen, als an einen verzweifelten Versuch, ein Motiv für Pyromanie zu finden.

Eine False-Flag-Operation scheint insofern unwahrscheinlich, als es gerade in Berlin tatsächlich ein pseudopolitisches Milieu gibt, das Geisteskranken (ähnlich wie manche Religionen) ein Refugium bietet, in dem sie ihre Krankheit sozial akzeptiert ausleben können. Und auch in der Vergangenheit fanden sich zu anderen Brandstiftungen Texte, in denen sich eine Mischung aus Pyromanen und Politkriminellen mit solchen Taten brüstet. Ein besonders bizarres Beispiel ist das Blog Deutsche Heeres Logistik, wo nicht nur Fotos noch brennender Postautos stehen, sondern wo auch eine Innigkeit zwischen Blogautor und angeblich befragtem Brandstifter herrscht, die wirkt, als würde sich eine Person in einer Art innerem Monolog selbst interviewen. Anders sind Fragen wie diese kaum zu erklären:

Die Einkommen der Ein-Personen-Subunternehmer sind kaum höher als der Hartz-IV-Satz. Ist so einer nicht eher Opfer seiner eigenen politisch blinden Arbeitsethik, als Opfer eines Brandanschlags?

Obwohl in den letzten Jahren keineswegs nur teure Autos brannten, sondern durchaus auch ältere Polos, Fiestas und Mini Cooper, versuchte Tim Laumeyer, ein Sprecher der "Antifaschistischen Aktion" die Brandstiftungen als politisch zu bemänteln: "Die Leute, die viel Geld haben, überlegen sich jetzt zweimal, ob sie sich ein Haus oder eine Eigentumswohnung in Kreuzberg kaufen." Danach wären solche Taten also eine Art Vigilantentum, mit dem die eigenen Wohnbezirke von Fremden frei gehalten werden sollen.

Etwas weniger verworren klang ein "Audi Max" auf Indymedia, der den Brandstiftern empfahl Bekennerschreiben wegzulassen, da sich ohnehin "nicht sinnvoll vermitteln [lässt], warum die Karre von XY abgefackelt wird, weil es am Wochenende Stress mit den Bullen gab." Deshalb, so "Audi Max", sollten die Brandstifter gleich "auf die öffentliche Meinung scheißen". Hintergrund war, dass Unbekannte in Freiburg das Fahrzeug eines Bio-Bauern angezündet und die Tat in einem Bekennerschreiben als Racheaktion für eine kurz davor von der Polizei beendete "Antifa-Demo" deklariert hatten.

Auch die Argumentation, dass keine Menschenleben gefährdet würden, ist nicht nur angesichts der schweren Beherrschbarkeit von Bränden offensichtlicher Mumpitz: Das zeigte unter anderem eine Brandstiftung in Hamburg-Hummelsbüttel, bei der nicht nur ein VW-Bus, ein alter Saab und zwei Mädchenfahrräder in Flammen aufgingen, sondern auch ein Carport, dessen zehn Meter hohe Flammen auf das Dach eines Einfamilienhauses übergriffen und dessen Fensterscheiben bersten ließen. Das Feuer konnte auch mit einem Gartenschlauch nicht gelöscht werden und hinterließ zwei traumatisierte Kinder im Alter von sechs und zehn Jahren. In der Berliner Ueckermünder Straße konnte 2009 das Übergreifen des aus einer Autobrandstiftung entstandenen Feuers auf ein Mietshaus nur knapp vermieden werden. An den Erdgeschosswohnungen waren durch die Hitze bereits die Rollläden geschmolzen.

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