Fortsetzung des "verlorenen" Scorsese-Films auf BitTorrent

Scanner-Darkly-Produzent Tommy Pallotta veröffentlichte seine Dokumentation American Prince via P2P

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Ende der 1970er filmte Martin Scorsese seinen damaligen Mitbewohner Steven Prince, der in Taxi Driver den Schwarzhändler Easy Andy und in New York, New York den Plattenproduzenten spielt.

Aus angeblich 15 Stunden für American Boy: A Profile of Steven Prince gedrehtes Material wurde eine gut 50-minütige Dokumentation, in welcher der begnadete Erzähler - unterbrochen von Ausschnitten aus alten 8-Millimeter-Familienaufnahmen - Schwänke aus seinem Leben schildert, die man glauben kann oder auch nicht. Sehr nach einer Tall Tale klingt beispielsweise die Geschichte eines stubenreinen Gorillas, der frei in einer Wohnung herumläuft und als Kunststück Autoreifen umdreht.

Steven Prince 1978

Der Film wurde offiziell nur auf Festivals gezeigt, aber schon seit den 1980er Jahren abseits offizieller Vertriebswege via VHS-Kopien weitergegeben, was dazu führte, dass sich andere Regisseure von diesem Kleinod inspirieren ließen. Am bekanntesten ist eine von Quentin Tarantino in Pulp Fiction fast wortgetreu umgesetzte Prince-Anekdote, die maßgeblich dazu beitrug, dass der Film vielen Zuschauern in Erinnerung blieb. Sie zeigt den erfolgreichen Umgang mit einer Frau mit Überdosis: Im Medizinlexikon nachschlagen, mit Magic Marker die richtige Stelle kennzeichnen und dann mit Wucht und senkrecht von oben die Adrenalinspritze mit der sehr dicken Nadel hineinstechen.

Der 42-jährige Filmemacher Tommy Pallotta, bekannt als Produzent der Phillip-K.-Dick-Verfilmung A Scanner Darkly, bekam American Boy ebenfalls zu sehen und wollte wissen, was aus Prince wurde. Dabei stellte er fest, dass der Mann nicht nur noch am Leben ist, sondern immer noch sehr gerne erzählt, weshalb Pallotta im letzten Jahr die American-Boy-Fortsetzung American Prince drehte.

Darin erzählt ein (gemessen an den Heroinerzählungen aus American Boy) überraschend quicklebendiger und geradezu kerngesund erscheinender Prince (der heute angeblich als Bauunternehmer und Apotheker für medizinisches Marihuana arbeitet) mit fast ebenso viel Verve wie vor über 30 Jahren von den Dreharbeiten zu Taxi Driver und New York, New York, allergischen Reaktionen auf Kokain und Richter Scale - einer Radioshow, bei der Scorsese und Prince angeblich Cannabis rauchten und das aktuell konsumierte Produkt auf der nach oben offenen Richterskala bewerteten.

Steven Prince 2009

Auch American Prince lief bisher nur auf Festivals (und hatte vor kurzem auf dem Münchener Filmfest seine Deutschlandpremiere), wird aber auf einer eigens dafür eingerichteten Website unter der Überschrift "Watch the film" auch über einen einen Torrent-Link verbreitet, mit dem man sich eine gut 400 Megabyte große Quicktime-Version herunterladen kann. Auch bei Sharehostern ist der Film mittlerweile erhältlich.

Als ob Pallotta damit den seit Jahren einen Kreuzzug gegen P2P führenden amerikanischen Filmindustrieverband MPAA nicht genug provoziert hätte, gab er dem Filesharing-Zentralorgan TorrentFreak auch noch ein Interview, in dem er zugab, dass er selbst eifriger BitTorrent-Nutzer ist. Nur so kommt der in den Niederlanden lebende Amerikaner nach eigenen Angaben an seine Lieblingsfernsehserien, aber auch an Filme. Mit der Veröffentlichung des mit verhältnismäßig wenig Aufwand hergestellten Films via BitTorrent, so Pallotta, wolle er der Filesharing-Gemeinschaft auch etwas zurückgeben. Und er wünscht sich, dass das Werk in der Top-100-Downloadlist von The Pirate Bay auftaucht. Mit A Scanner Darkly erreichte er dieses Ziel bereits: Der Film befand sich sogar mehrere Wochen hintereinander in den Top 10.