Friedensdemonstrationen unter Antiterror-Beobachtung

Das FBI veranlasst im Rahmen der Antiterormaßnahmen die Überwachung von Demonstrationen, Bürgerrechtler warnen vor einer Wiederkehr der Hoover-Praktiken aus der Zeit des Kalten Kriegs

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Am Montag hatte die New York Times Informationen über ein FBI-Memorandum veröffentlicht, das am 15. Oktober den lokalen Polizeibehörden vor den geplanten Antikriegsdemonstrationen in Washington und San Francisco zugeschickt wurde. In dem "FBI Intelligence Buklletin" wurden sie aufgefordert, Informationen über Anarchisten und "extremistische Elemente" zu sammeln und "alle potenziell illegalen Aktivitäten" der "FBI Joint Terrorism Task Force" zu melden. Bürgerrechtler kritisieren, dass hierbei alle Demonstranten, die ihr Grundrecht in Anspruch nehmen, überwacht würden. Auch wenn manches uns hierzulande seit den RAF-Zeiten durchaus vertraut ist, ist es in den USA ein Zeichen, dass der Krieg gegen den Terrorismus eine Rückkehr in die Gedankenwelt des Kalten Krieges ist.

Das Memorandum, das ausdrücklich nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte, informierte die Polizei etwa darüber, dass Protestierende sich in "Trainingcamps" auf Demonstrationen vorbereiten, das Internet benutzen, um Spenden zu sammeln oder sich zu organisieren, oder sich mit Handys, dem Internet und Funkgeräten koordinieren. Aufgeführt werden ganz legale Aktivitäten neben anderen Vorgehensweisen der Extremisten wie Vandalismus, Barrikaden, Menschenketten, Waffengebrauch oder der Verwendung gefälschter Ausweise, um Zugang zu einem gesperrten Ort zu erlangen. Aufmerksam gemacht wurde auf "Einschüchterungsstrategien" wie das Filmen von Festnahmen. Die Informationen habe man aus eigenen Beobachtungen, von Informanten oder aus öffentlich zugänglichen Quellen wie dem Internet zusammen gestellt.

FBI-Mitarbeiter erklärten, dass das Ausspähen von Demonstrationsteilnehmern nicht dazu dienen sollte, die friedlichen und gesetzestreuen Demonstranten zu überwachen, die ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ausüben, sondern dass damit Anarchisten und "extremistische Elemente" identifiziert werden sollten, die Gewalttaten planen. Im Memorandum stand allerdings, dass man keine Hinweise darauf habe, dass "im Rahmen der Proteste gewalttätige oder terroristische Aktivitäten geplant" seien.

Die Wiederkehr der 60er Jahre

The forces which are most anxious to weaken our internal security are not always easy to identify. Communists have been trained in deceit and secretly work toward the day when they hope to replace our American way of life with a Communist dictatorship. They utilize cleverly camouflaged movements, such as peace groups and civil rights groups to achieve their sinister purposes. While they as individuals are difficult to identify, the Communist party line is clear. Its first concern is the advancement of Soviet Russia and the godless Communist cause. It is important to learn to know the enemies of the American way of life.

John Edgar Hoover

Manche Bürgerrechtler erinnert dies an die 60er und 70er Jahre, als im Kalten Krieg unter dem damaligen FBI-Chef J. Edgar Hoover politische Aktivisten auch in präventiver Absicht und in verdeckten Aktionen überwacht wurden. Damals herrschte die Angst vor Kommunisten vor, die ähnlich rhetorisch eingesetzt wurde wie heute die Angst vor den Terroristen:

We were trying first to develop intelligence so we would know what they were doing [and] second, to contain the threat.... To stop the spread of communism, to stop the effectiveness of the Communist Party as a vehicle of Soviet intelligence, propaganda and agitation.

Der Leiter von CONTELPRO am 16.10.1975

Das FBI hatte "counterintelligence programs", auch COINTELPRO genannt, entwickelt und umgesetzt, um die schwer zu identifizierenden Kommunisten, die wie Schläfer gut geschult in den USA untertauchen und die "innere Sicherheit" untergraben wollen, erkennen zu können. Sie würden sich beispielsweise an Antikriegsgruppen oder Bürgerrechtsbewegungen beteiligen. Ins Ziel genommen wurden nicht nur Kommunisten oder militante Bewegungen wie Black Panther, sondern auch die "Neue Linke", die Antikriegs-Bewegung (Vietnam!) oder Personen wie Martin Luther King. Es blieb allerdings nicht nur bei Überwachung oder Infiltration, sondern es wurden auch falsche Nachrichten und Informationen verbreitet, um Organisationen und Einzelne zu diffamieren. Es wurden Briefe gefälscht, Scheinorganisationen aufgebaut und Menschen unter Druck gesetzt, die einen Einfluss auf Aktivisten hatten. Dazu wurden auch Einbrüche vorgenommen, Schlägereien oder Zerstörungen ausgeführt oder Verhaftungen und Vernehmungen vorgenommen, um Menschen anzuschwärzen oder einzuschüchtern.

Nachdem die Auswüchse des FBI bekannt wurden und zunehmend unter Beschuss kamen, kam es 1975 zu Kongressanhörungen. 1976 wurde ein Ausschuss eingesetzt, der die Praktiken untersuchte und einen langen Bericht über die Beeinträchtigung der Rechte amerikanischer Bürger durch Geheimdienstmethoden vorlegte. Daraufhin wurden die Kompetenzen des FBI eingeschränkt.

Nach dem 11.9. hat die US-Regierung mit dem eilig durchgeboxten PATRIOT-Gesetz einige dieser Einschränkungen wieder aufgehoben (s.a. USA: Freier Informationsfluss zwischen Geheimdiensten und FBI). Letztes Jahr hatte Justizminister zusätzlich die in 70er Jahren dem FBI verbotene Überwachung von Demonstrationen, Moscheen und all dem, was in der Öffentlichkeit geschieht, wieder eingeführt. Ohne Anlass ausgespäht können nun auch alle religiösen und politischen Organisationen. Auf Verlangen sollen Bibliothekare angeben, was bestimmte Menschen lesen. Das FBI wird auch dafür eingesetzt, Websites zu überwachen (Für den Antiterrorkampf erhält das FBI mehr Geld, mehr Technik und mehr Rechte). Vermutlich sind all diese Maßnahmen auch der Grund, warum politische Aktivisten, die gegen den Irak-Krieg protestierten, auf No-Fly-Listen auftauchten (Kriegsgegner auf CAPPS-Überwachungsliste).Und am 19.11. erst hatte der Kongress dem FBI zugestanden, ohne richterliche Genehmigung Einsicht in die Aufzeichnungen von Autohändlern, Reisebüros, Kasinos und anderen Geschäften zu erhalten.

Anthony Romero, Direktor der American Civil Liberties Union, fürchtet, dass mit dem Memorandum ein weiterer Schritt getan wurde und die "Grenze zwischen Terrorismus und legitimen zivilen Widerstand" verschwimmt:

Dieses Memorandum bestätigt, dass die Bundesregierung gegen unschuldige Amerikaner vorgeht, die nichts anderes machen, als rechtmäßig zu protestieren und ihre Kritik zu äußern. Die amerikanischen Menschen brauchen eine Erklärung für das, was ganz klar ein Rückgang zu den Tagen der Ausspähtaktiken J. Edgar Hoovers ist.