Gaddafi-Regime spricht von "taktischem Rückzug"

..und die Rebellen von Sieg und der Befreiung Tripolis. Gaddafi ist weiterhin auf der Flucht. Die Frage ist, welchen Widerstand er mobilisieren kann

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In diesem Fall werden Bilder von Plünderungen - Flachbildschirme, allerhand Souvenirs und Waffen - und Zerstörungen auch in britischen Zeitungen von Jubel begleitet. Den Rebellen gelang es gestern, das Hauptquartier von Muammar al-Gaddafi zu stürmen.

Der Chef des Übergangsrates, Mustafa Abd al-Dschalil, erklärte vor den Kameras, dass Tripolis befreit sei. Die Führung werde am Donnerstag nach Tripolis reisen, angekündigt war dies bereits am Wochenanfang.

Der Sieg ist noch nicht vollständig, von Gaddafi fehlt jede Spur. Spekuliert wird von Seiten des libyschen UN-Botschafters, dass Gaddafi möglicherweise über ein Tunnelsystem unter seinem Hauptquartier Bab al-Asisija, mitgestaltet durch deutsche Ingenieurskunst, entkommen ist. Nach jüngsten Berichten wird von Seiten der Oppositionellen verkündet, dass man Gaddafi zunächst im eigenen Land vor Gericht stellen wolle, bevor er dem Internationalen Strafgerichtshof übergeben wird. Die Rede ist auch davon, dass er möglicherweise nicht lebendig gefangen werden würde.

Seine Statue wurde gestern zerstört, sein Zelt niedergebrannt, Fotos der Eroberer gingen um die Welt, doch sprach Gaddafi gestern in Audiobotschaften davon, dass in der Hauptstadt alles normal sei. Der Rückzug sei rein taktischer Natur, so sein Sprecher Moussa Ibrahim (irrtümlich wurde das Zitat zuerst Gaddafi zugeschrieben, Einf. d.Verf.). Gaddafi sagte, er habe bei einer Fahrt durch Tripolis nicht das Gefühl gehabt, dass die Stadt in Gefahr sei. Er wolle in Libyen bleiben und lieber als Märtyrer sterben, bekräftigte er zuvor erneut. Später übermittelte al-Rai TV seinen Aufruf zum Widerstand:

All Libyans must be present in Tripoli, young men, tribal men and women must sweep through Tripoli and comb it for traitors. I have been out a bit in Tripoli discreetly, without being seen by people, and ... I did not feel that Tripoli was in danger.

Ob Gaddafi durch seinen Appell, wo er Stadtteile einzeln nannte sowie Stämme im Umland, Widerstand mobilisieren kann und wie stark dieser ausfällt, ist die Frage. Erhärtet wird die Unsicherheit durch den spektakulären Auftritt seines Sohnes ("Ich bin hier, um die Lügen zu widerlegen"). Von den Truppen Gaddafis war in den letzten Tagen laut Berichten nicht viel zu sehen. Auch das ein "taktischer Rückzug"? Dass durch die Plünderungen weiter viele Waffen in Umlauf gerieten, ist ebenfalls beunruhigend.

Der Sprecher Gaddafis, Moussa Ibrahim, betonte gestern, dass der Kampf um Tripolis weitergehen werde und dass man die Fähigkeit habe, nicht nur monatelang, sondern über Jahre hinaus zu kämpfen.

Indessen justiert China seine Einstellung gegenüber dem Übergangsrat neu (Begehrte Ölverträge in Libyen). Aus dem Außenministerium hieß es, dass man die Wahl des libyschen Volkes respektiere. Auf der Website des Ministeriums hieß es nach Angaben des Guardian:

We have always attached significance to the important role of the National Transitional Council in solving Libya's problems, and maintain contact with it.

China wolle eine aktive Rolle beim Wiederaufbau Libyens spielen, wird der Sprecher des Handelsministeriums zitiert. Chinas Außenminister drängte jedoch darauf, dass die UN bei der Neuordnung des Landes eine maßgebliche Rolle spiele und die Arabischen Liga wie auch die Afrikanischen Union beteiligt würden, "rather than Western governments alone".

Hugo Chavez, der venezolanische Staatspräsident, bekräftigte dagegen, dass es für ihn weiterhin nur eine legitime Regierung gebe, nämlich die, die von Muammar Gaddafi geführt werde (wobei Gaddafi ja immer betonte, dass er keine solche offizielle Funktion innehabe):

We recognize only one government: the one led by Muammar Gaddafi.