Geld für einen neuen Krieg gegen Armenien?

Die Energie- und Klimawochenschau: E.on beschränkt seine Haftung für AKW, Ausschreibung macht Solarenergie teurer und Westeuropas Energiepolitiker kaufen Erdgas lieber bei Krieg führenden Kaukasus-Staaten als bei Russland ein

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E.on macht seine Ankündigung war, den Konzern aufzuspalten. Auf der Hauptversammlung der AG am Donnerstag werden die Aktionäre erstmalig die Möglichkeit haben, zu den Plänen Stellung zu nehmen.

Im Geschäftsbericht ist die Rede davon, dass der konventionelle Kraftwerkspark in eine neue Gesellschaft ausgegliedert werden soll, an der E.on zunächst eine Minderheitsbeteiligung behalten will. Der Mutterkonzern soll sich demnach zukünftig auf den Ausbau der erneuerbaren Energieträger, den Betrieb der Verteilernetze und Servicepakete für kommunale und gewerbliche Großkunden konzentrieren.

Die Aufspaltung hat für die Aktionäre den Vorteil, dass verschiedene Risiken ausgelagert werden. Zum einen wären da die Folgekosten der Atomwirtschaft. Hier ist unklar, ob die Rückstellungen der Betreiberkonzerne ausreichen werden, den Abriss der AKW und die Einlagerung der hochgradig kontaminierten Materialien zu finanzieren. Die Aufspaltung des Konzerns begrenzt in diesem Zusammenhang das betriebliche Vermögen, mit dem für die Abwicklung oder auch für immer noch mögliche Havarien gehaftet werden muss.

Zum anderen ist auch der Betrieb der Kohlekraftwerke nicht ohne Risiko. Vor allem die neueren sind vermutlich kaum noch rentabel zu bewirtschaften, wenn mit Klimaschutz und Energiewende wirklich ernst gemacht wird. Dann müssten sie nämlich spätestens in ca. 20 Jahren vom Netz, wenn sie noch nicht abgeschrieben sind. Wie bereits berichtet (Dramatische Fehlentscheidungen) sind sowohl RWE als auch E.on durch eine ganze Reihe von Fehlentscheidungen des zu lange auf Kohle setzenden Managements zuletzt in Schieflage geraten.

Teure Ausschreibungen

Die neue E.on dürfte auf jeden Fall davon profitieren, dass die Regierungskoalition daran arbeitet, den Ausbau der neuen Energieträger mehr auf die Interessen der großen Akteure zuzuschneiden. Ein Mittel dafür ist die Umstellung auf Ausschreibungen. Bisher konnten Solar- und Windenergieparks in unbegrenzten Umfang gebaut werden, sofern die nötigen baurechtlichen und sonstigen Genehmigungen vorlagen. Künftig soll es eine Bewerbungspflicht geben. Ausgenommen werden davon langfristig nur Kleinanlagen bis 0,1 Megawatt. Die Bundesnetzagentur schreibt eine bestimmte Leistungsmenge aus, die gebaut werden soll, und Interessenten müssen sich darauf bewerben, um noch in den Genuss der Förderung von §2(5) des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu kommen. Bis spätestens 2017 soll dieses System für alle Bereiche eingeführt werden. Der Anfang wurde bereits mit Fotovoltaikfreiflächenanlagen gemacht.

Ende Februar wurde das erste Verfahren gestartet, die Ergebnisse sind kürzlich bekannt gegeben worden. 150 Megawatt (MW) waren ausgeschrieben worden, worauf es 170 Gebote gab, die sich zusammen auf 715 MW summierten. 25 Gebote mit einer Leistung von zusammen 157 MW erhielten einen Zuschlag. Je nach Gebot können sie ihren Strom künftig für 8,48 bis 9,17 Cent pro Kilowattstunde einspeisen. Die Obergrenze hatte laut Ausschreibung bei 11,29 Cent pro Kilowattstunde gelegen.

In der Branche wird das neue Verfahren skeptisch gesehen. Der Fachinformationsdienst IWR weist darauf hin, dass 40 Prozent der Zuschläge allein auf verschiedene Gebote eines einzigen Unternehmens fallen. Von der versprochener Vielfalt der Akteure könne keine Rede sein. Beim Bundesverband Windenergie (BWE) sieht man noch viele Fragen offen, wenn in den nächsten Jahren das Verfahren auch auf die Windenergie übertragen wird.

Uns droht ein erheblicher bürokratischer und personeller Aufwand, wenn sich eine Bundesbehörde im Zuge von Ausschreibungen damit befasst, kommunale Genehmigungsfragen zu prüfen und zu beurteilen. Die Risiken, dass mit dem Systemwechsel ein bürokratisches Monster erwächst, sind groß. Angesichts der Erfahrungen im Ausland sind wir skeptisch, ob sich die drei Ziele der Bundesregierung - Kosteneffizienz, Akteursvielfalt und Ausbauziele - erreichen lassen.

Herman Albers, BWE-Präsident

Albers verweist darauf, dass der Ausbau in Windenergie an Land ab Ende des Jahrzehnts hauptsächlich über das sogenannte Repowering laufen werde. Gemeint ist damit der Ersatz von zumeist relativ leistungsschwachen Altanlagen durch wesentlich leistungsstärkere Neuanlagen. Dass sich das über ein Ausschreibesystem reibungsfrei regeln lässt, kann er sich nicht recht vorstellen.

Auch von Verbilligung durch die Ausschreibung kann bisher keine Rede sein. Nach dem neuen EEG vom Sommer letzten Jahres wird Strom von kleinen Freiflächenanlagen (bis 0,5 MW), die im Mai errichtet werden, mit 8,61 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Für Anlagen, die im Juni ans Netz gehen, wird es nur noch 8,59 Cent pro Kilowattstunde geben. Die Anlagenbetreiber, die im Ausschreibungsverfahren zum Zuge kamen, können hingegen im Schnitt mit 9,17 Cent pro Kilowattstunde rechnen; und das, obwohl sie größere Anlagen errichten werden, die effizienter wirtschaften sollten. Der Verdacht ist also nicht ganz von der Hand zu weisen, dass das neue, deutlich schwerfälligere System nur ein weiteres Instrument ist, um den Ausbau der erneuerbaren Energieträger zu beschränken.

Bei der Solarstromerzeugung kann sich der Erfolg der großen Koalition schon sehen lassen: Nicht einmal 100 Megawatt neuer Solarleistung wurden im März 2015 ans Netz angeschlossen, berichtet der Solarserver unter Berufung auf die Bundesnetzagentur. Aufs Jahr hochgerechnet waren das nur knapp 1,2 Gigawatt, und das obwohl der Strom aus neuen Kleinanlagen derzeit nur noch mit 10,82 (Anlagen über 40 bis 500 Kilowatt) bis 12,43 (Anlagen bis 10 Kilowatt) vergütet wird. Damit ist der Solarstrom aus den neuesten Anlagen bereits in etwa so günstig wie der aus einem neuen Gaskraftwerk.

Pipeline-Konkurrenzen

Ein gutes Drittel des deutschen Erdgasbedarfs wird derzeit mit Importen aus Russland gedeckt, was den meisten Mächtigen im Lande nicht mehr so recht schmeckt. Aber Alternativen sind rar. Die inländische Förderung ist seit langem rückläufig und ließe sich bestenfalls mit Fracking noch einmal steigern. Das birgt allerdings erhebliche politische Risiken in sich, denn das Umwelt gefährdende Verfahren ist extrem unbeliebt bei der ländlichen Bevölkerung.

Ähnlich sieht es bei den Nachbarn aus. Weder die Niederlande noch Großbritannien oder Norwegen - die anderen wichtigen Lieferländer - sind in der Lage, in Deutschland nennenswerte Marktanteile des russischen Lieferanten Gazprom zu übernehmen. Und für den Import von Flüssiggas, etwa aus den USA oder Nahost, fehlt es an der notwendigen Infrastruktur. Hier dringt die EU-Kommission zwar auf Aufbau, doch der benötigt seine Zeit und wird vermutlich erst fertig sein, wenn die Frackingblase in den USA geplatzt ist und die Flüssiggaspreise wieder nach oben schnellen.

Eine Alternative wäre Erdgas aus dem Kaspischen Becken, das unter der Umgehung Russlands durch die Türkei gepumpt wird. Für eine entsprechende Pipeline zeichnet sich nun die Schließung der letzten Lücke ab. Wie das Infoportal Klimaretter schreibt, hat Rom grünes Licht für den Bau einer Rohrverbindung am Boden der Adria zwischen Griechenland und Süditalien gegeben. Von dort ginge es dann durch Nordgriechenland und die Türkei nach Georgien und Aserbaidschan. Der russische Staatskonzern Gazprom dürfe kein Gas einspeisen, auch wenn er gleichzeitig eine leistungsfähige Pipeline durch das Schwarze Meer in den europäischen Teil der Türkei baut.

Geschäfte mit zweifelhafter Moral

Die Frage ist derweil, ob es tatsächlich gelingen wird, Russland aus dem neuen Pipelinegeschäft raus zu halten. Die Interessen Ankaras und Athens sehen da deutlich anders als die Berlins aus. Zum anderen ist die Frage nach der politischen Moral zu stellen. Das mag vielleicht ein wenig naiv sein, aber immerhin sind die Argumente, mit denen die neue Konfrontation mit Russland begründet wird, auch meist ziemlich moralisch, und zwar konstruiert moralisch. Man will also Abhängigkeiten vom despotischen Russland verringern und schließt dafür Lieferverträge mit einem mindestens genauso despotischen Regime in Aserbaidschan ab, das neben dem nicht minder despotisch regierten Turkmenistan den größten Teil des Gases liefern soll.

Während man gerade erst im Bundestag wohlfeil den vor hundert Jahren begangenen osmanischen Völkermord an den Armeniern beklagte (und sich immer noch weigert, den deutschen Genozid an den Hereros und Nama anzuerkennen, geschweige denn für diesen Entschädigung zu zahlen), verhilft man somit einem Staat zu sicheren Einnahmequellen, der auf dem besten Wege ist, seinen seit über einem Vierteljahrhundert eingefrorenen Krieg mit Armenien wieder anzufachen (Kampf um Bergkarabach). Vielleicht sollte man da zu den Verhandlungen über die Gaslieferungen auch gleich ein paar Vertreter von Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall mitnehmen.