Haben sie doch nicht so viel Angst vor dem Netz, liebe Führer!

Iran kann die Informationen nicht kontrollieren

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Die Möglichkeiten der Freiheit im Iran sind nicht so einfach auf einen westlichen Begriff davon zu bringen. So stellte der New York Times-Kolumnist Nicholas D. Kristof auf seiner kürzlich unternommenen Reise fest, dass die iranische Wirklichkeit widersprüchlicher ist, als man dies vom Westen aus erwartet. Iran sei kein wirksamer Polizeistaat, stellt er fest. "Iran kann die Informationen nicht kontrollieren".

Iran schaffe es nicht, einen wirksamen Polizeistaat in die Tat umzusetzen, so Kristof. Zwar sei die Pressefreiheit nicht mehr so groß wie noch vor Jahren, aber das allgegenwärtige Satellitenfernsehen und die viel zitierten Weblogger würden diese Beschränkungen umgehen.

Dass sich der hard-line Neocon Michael Ledeen (vgl. Schlauer als die CIA) an solchen einschränkenden Bemerkungen, die seinem Iran-Bild von der umfassenden Diktatur nicht entgegenkommen, reibt und sie dazu nützt, einmal mehr das Mantra der großen Unzufriedenheit des iranischen Volkes über die massive Unterdrückung im Land zu beschwören, dient wohl mehr der Bestätigung eigener politischer Interessen als der Ambition, der iranischen Wirklichkeit differenzierter auf die Spur zu kommen. Immerhin wird Ledeen gerade von den Vertretern eines freiheitlicheren Systems im Iran, den persischen Exilbloggern, politischer Aktivitäten verdächtigt, die ihnen unliebsam sind, weil sie der neokonservativen, amerikanischen Auffassung eines freien, demokratischen Iran (siehe Irak) misstrauen:

Wir sind nicht mit den Aktivitäten von Michael Ledeen und den Monarchisten im Netz einverstanden, die einen Volksaufstand im Iran unterstützen. Tatsächlich hassen wir sie. Haben sie doch nicht so viel Angst vor dem Netz, liebe Führer.

Hossein Derakhshan

Doch die Führer haben Angst (vgl. Iran säubert das Netz) - zumindest vor bestimmten Netzaktivitäten. Während nämlich das Internetbusiness von großen, unpolitischen Providern wie Pars Online mächtig boomt, ist man in letzter Zeit wieder scharf gegen kleine und mittlere Internet Service Providers (ISPs) vorgegangen, die ihre Inhalte nicht so gefiltert haben, wie sie sollten.

Sechs Monate lang, so die Information des iranischen Exilbloggers Derakhshan, hätte die Justiz den Providern genau auf die Finger gesehen. Man lasse es nicht zu, dass iranische Webseiten die Religion beleidigen, so Staatsanwalt Saeed Mortazavi, der notorisch bekannt ist für seinen oft brutalen Umgang mit Vertretern der Meinungsfreiheit.

Während der crack down einerseits bestimmten ISPs galt, die den Zugang zu antireligiösen und Anti-Regime-Webseiten nicht ausreichend verhinderten, galt eine andere Maßnahme dem Stopp von Telefonservices, die über das Internet laufen (VoIP). Nach Auskunft des Postministeriums habe dies jedoch nichts mit Zensur zu tun, sondern mit einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden.

Dass Zensur aber bei den Machthabern in Teheran weiterhin ein beliebtes Mittel im Umgang mit politisch unliebsamen Kräften ist, zeigt die gestrige Ausweisung eines Guardian-Journalisten, der kritisch über die Folgen des Erdbebens von Bam berichtet hatte, ebenso, wie das Verbot des Films "Lizard", eine Komödie über einen als Mullah verkleideten Gauner. Der Film war bereist mit großen Erfolg angelaufen. Dass er gezeigt wurde, galt zunächst als Ausweis der neuen Toleranz der geistlichen Führung.