In London wird eine Bush-Statue gestürzt

Geplant ist überdies ein "virtueller Marsch" zur amerikanischen Botschaft und eine Verfolgung von Bush über Email und SMS in London

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Wenn US-Präsident Bush zu seinem mehrtägigem Staatsbesuch nach Großbritannien kommt, wird er einer Art Sicherheitskokon stecken, der ihn nicht nur vor möglichen Terroranschlägen, sondern auch vor einem Kontakt mit der britischen Öffentlichkeit schützt. Bush-Gegner errichten mittlerweile eine Statue, die dann ähnlich wie die von Saddam in Bagdad gestürzt werden soll. Ein Webprojekt will hingegen den US-Präsidenten bei seinem Aufenthalt in London verfolgen.

Die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des mächtigsten Mannes der Welt sind außergewöhnlich. Angeblich werden 14.000 Sicherheitskräfte eingesetzt, um die Innenstadt von London zur Festung zu machen. Zusätzlich begleiten Bush noch Hunderte von bewaffneten Secret Service-Mitarbeitern, denen angeblich keine Immunität gewährt wurde. Wahrscheinlich aber nicht aus Sicherheitsgründen, sondern um Bilder zu vermeiden, in denen Bush Protesten ausgesetzt wäre, hat er schon einmal eine an sich geplante Rede vor dem britischen Parlament abgesagt.

Die Hoffnung der Protestveranstalter ist groß, dass sich Zehntausende an den Demonstrationen und Kundgebungen beteiligen werden, die sich vornehmlich gegen die Kriegspolitik der US-Regierung und der britischen Regierung richten. Kritisiert wird aber etwa auch die von Bush verfolgte Klimapolitik oder der von der US-Regierung ausgehende Druck, Genlebensmittel einzuführen. Und ähnlich wie der Staatsbesuch vor allem im Hinblick auf die Mediendarstellung inszeniert wird, bieten auch die Protestierer Spektakuläres auf.

Symbolisch dürfte der Höhepunkt wohl darin bestehen, am Donnerstag als Abschluss der Demonstration eine sechs Meter hohe Bush-Statue auf dem Trafalgar Square mit einem rosa Panzer umzustürzen. Beides bestehen allerdings nur aus Draht, Kartons und Papier. Die Anspielung auf das symbolische Finale im Irak-Krieg, als ein Panzer in Bagdad die riesige Saddam-Statue fernsehwirksam umstürzte, ist natürlich beabsichtigt. Demonstriert werden soll durch den Präsidentensturz keine Bestätigung von Saddam, sondern zum Ausdruck kommen soll dadurch der Protest gegen die aggressive Politik der Bush-Regierung. Die Bush-Puppe wird eine Atombombe mit der Aufschrift "Erstschlag" in der Hand halten. Ganz klein in der Brusttasche steckt der britische Premierminister Blair.

Eine neue Umfrage hat mittlerweile ein anderes Bild von der Stimmung der Briten ergeben. Am Wochenende hieß es, dass es ein Drittel der Briten US-Präsident Bush "dumm" finden und 60 Prozent ihn als Bedrohung des Weltfriedens betrachten (US-Präsident sagt Rede im britischen Parlament ab). Eine im Auftrag des Guardian durchgeführte Umfrage ergab jetzt, dass 47 Prozent der Befragten den Irak-Krieg für gerechtfertigt halten, der Anteil der Kriegsgegner ist auf 41 Prozent zurückgegangen. Bei der vorherigen Umfrage waren hingegen die Kriegsgegner in der Überzahl.

43 Prozent der Befragten begrüßen den Staatsbesuch von Bush, immerhin 36 Prozent sprechen sich dagegen aus. Und 62 Prozent der Briten sind der Meinung, dass die USA "allgemein eher eine Kraft des Guten als des Bösen in der Welt" sind. Es kommt halt doch sehr auf die Fragen an, die man den Menschen stellt.

Ken Livingstone, der im Jahr 2000 von der Labour-Partei ausgeschlossene Bürgermeister von London, scheint jedoch ganz auf die Kritik an der Bush-Regierung zu setzen. Er bezeichnete Bush drastisch und provokativ als "die größte Gefahr für das Leben auf diesem Planeten, die wir vermutlich jemals gesehen haben. Die Politik, die er begonnen hat, bringt uns der Auslöschung näher." Livingston wird im Rathaus mit einer "Friedensparty" eine Gegenverstanstaltung organisieren und erkennt Bush nicht als Präsidenten an, weil er nicht "offiziell" gewählt worden sei.

Gestern hat die Polizei doch den Demonstrationsveranstaltern nachgegeben und genehmigt, dass der Protestzug am Donnerstag von der Westminster Bridge über das Parlament durch Whitehall bis zum Trafalgar Square gehen kann. Aus Zorn über die gesperrten Zonen und die Ausweisung von Gebieten in London, auf denen Kundgebungen erlaubt sind und die "euphemistisch Free Speech-Zonen" genannt werden, verfolgt die Website Interwebnet.org das Ziel, Präsident Bush auf Tritt und Schritt zu beobachten. Noch immer sind aus Sicherheitsgründen die genauen Routen, die Präsident Bush in London nehmen wird, unbekannt.

Die Öffentlichkeit habe das Recht, so der Betreiber der Website, "alles zu sehen". Daher soll jeder, der Bush sieht, eine Email oder eine SMS sowie Fotos an die Website schicken, die "ein zentrales Portal" sei soll, sodass "jeder in der Stadt und auf der ganzen Welt wissen wird, wo Bush sich zu einer bestimmten aufhält - und sehen kann, welches missglücktes Unternehmen der ganze Besuch ist." Aber es geht nicht nur um "Chasing Bush", sondern auch Bilder von den Protesten und Protestierenden, das von ihnen möglicherweise angerichtete Chaos und die Berichterstattung in den Medien sollen hier gesammelt und präsentiert werden.

The itinerary is deliberately vague. Planned movements that we do know about are sure to be changed at the last minute to keep us away from the action. There is talk of shutting down whole streets (no doubt for 'security reasons') to shuttle Bush from place to place without confrontation. It is also likely that decoys will be used. These shadow-play and shut-down techniques are the last publicly-acceptable weapons left in their arsenal. And we're going to stuff that up.

Für Bush werde es "keine Zuflucht" geben, meint Tim Ireland großspurig. Das wird wohl ein wenig übertrieben sein, das ganze Projekt lebt eher davon, Aufmerksamkeit auf sich zu locken. Internet Haganah sieht allerdings schon in diesem harmlosen Projekt eine Mithilfe und bezeichnet die Absicht so: "the assassin's friend in the UK", was vermutlich nicht ironische gemeint ist. Aufgefordert wird überdies, an den Online-Petitionen wie dieser teilzunehmen.

Und obligatorisch sind natürlich auch wieder Online-Proteste in Form von virtuellen Sit-Ins. So soll am 20. November die Website der Downing Street lahmgelegt werden. Das Tool wird etwa hier angeboten und ruft die Website von Tony Blair immer wieder auf. Es wird auch zu einem virtuellen Marsch auf die amerikanische Botschaft in London für den 20. November aufgerufen. Hier soll die Botschaft mit Emails, Faxen, Anrufen oder Postkarten überschüttet werden. Damit will man die Grenzen der "e-democracy" testen und allen eine Möglichkeit der Mitwirkung verschaffen, die an den Protesten in der Stadt nicht teilnehmen können.

Al-Muhajiroun hingegen warnt die Muslims in Großbritannien an den Demonstrationen teilzunehmen, weil Anschläge wie die vom 11.9. angekündigt worden seien. Zudem sollten Muslims ganz allgemein nicht an Protesten teilnehmen, die von Ungläubigen organisiert werden.