Kaum Bewerber für die Green Card

Eine heilsame Lektion für Deutschland?

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Die Green-Card-Initiative schlägt offenbar bei den begehrten IT-Spezialisten nicht ein. Die wahlkampfstrategisch instrumentalisierte Fremdenfeindlichkeit der nordrhein-westfälischen CDU hat sicherlich die eigentlich erwünschten Ausländern auch nicht gerade angelockt. Deutschland ist nicht sonderlich begehrt. Das sollte nachdenklich machen.

Gebuhlt wird weltweit um die fehlenden Computerspezialisten. Auch in Indien, dem Land, das alle auf dem globalen Arbeitsmarkt gerne anzapfen würden, gibt es zu wenige, selbst wenn dort jedes Jahr über 70000 neue Fachkräfte aus den Universitäten auf den Markt kommen. Angeblich könne die indische Industrie wegen des Fachkräftemangels schon jetzt nicht mehr so schnell wachsen, wie eigentlich möglich. Nach einem Bericht der National Association of Software and Service Companies könnte Indiens Wirtschaft alle Computerfachleute aufnehmen, auch wenn im Jahr zehn Mal mehr auf den Markt kommen als bislang (Mangel an IT-Experten auch in Indien).

Dafür aber wollen natürlich nicht nur die Deutschen, sondern auch die USA, Schweden, Japan oder sogar die Türkei mehr indische Spezialisten ins Land holen. Die indische Industrie begrüßt zwar die neuen Begehrlichkeiten und "Importwünsche", weil sie vornehmlich die europäischen und japanischen Märkte für Indien öffnen und die Abhängigkeit von den USA mindern könnten, fürchtet aber, dass sie zunächst selbst durch einen möglichen Abzug der wertvollen Arbeitskräfte Schaden erleidet.

Was Deutschland anbelangt, so scheint es jedenfalls keinen Brain Drain aus Indien zu geben. Bislang haben gerade einmal 200 Inder überhaupt ihr Interesse an einer Green Card bekundet. Joschka Fischer, der in Indien umherreist, wollte zwar nicht direkt für die Green Card werben, aber natürlich spielte die Initiative eine Rolle. Der Ministerpräsident von Karnataka, dem High-Tech-Land Indiens mit der Hauptstadt Bangalore, konnte sich angeblich aus Zeitgründen nicht mit dem deutschen Außenminister treffen. Azim Premji, Direktor des indischen Softwaregiganten Wipro und der Bill Gates in Indien, scheint kritisiert zu haben, dass die Green Card zu bürokratisch und unflexibel sei.

Ein wenig hämisch zitiert der Guardian einen indischen Geschäftsmann aus der IT-Branche: "Fremdenfeindlichkeit nimmt in Deutschland wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu. Warum sollte ich nach Deutschland gehen und 50 Prozent Steuern zahlen, wenn ich auch in die USA kann, dort 35 Prozent Steuern zahle und doppelt so viel verdiene?"

Egal wie begründet, so ist die geringe Nachfrage nach einer Green Card vielleicht auch eine heilsame Lektion für Deutschland. Insgesamt haben sich bislang an die 1000 Menschen für eine Green Card beworben, wovon ein Fünftel aus Bulgarien stammt. Man wird vom hohen Ross herunter müssen und wie immer, wenn man etwas haben will, das begehrt und Mangelware ist, mehr bieten müssen. Noch gleicht die Green Card eher einem Numerus Clausus, der durch strenge Auflagen eine vermeintliche Überflutung abwehren will. Das ist natürlich absurd. Und angesichts der Vergreisung von Deutschland und Europa (Die Festung Europa vergreist) wäre es sowieso an der Zeit, die Mentalität eher auf das Öffnen der Grenzen umzustellen und die Attraktivität Deutschlands aus dem Blick des Auslands zu stärken.