Österreich: Justizgroteske um Datenklau-Affäre

FPÖ will Hauptbelastungszeugen zum Schweigen bringen

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Geht es nach dem Willen hochrangiger FPÖ-Politiker, soll der Aufdecker der "Spitzelaffäre", Josef Kleindienst, keine Aussagen mehr gegenüber Polizei, Gericht und Medien machen dürfen. Ein hoher Justizbeamter befindet, "die Suppe" sei ohnehin zu "dünn". Das löst wiederum Verwunderung bei den Oppositionsparteien aus.

Die österreichische Spitzelaffäre, in der gegen hochrangige FPÖ-Politiker wegen des Verdachts der illegalen Datenbeschaffung ermittelt wurde, entwickelt sich langsam zur Provinzposse. Josef Kleindienst, ein Ex-FPÖ-Gewerkschafter, der mit seinem Enthüllungsbuch Ich gestehe als Aufdecker des brisanten Falls gilt, soll keine Aussagen mehr gegenüber den ermittelnden Behörden machen. Das berichten die beiden österreichischen Wochenmagazine Format und Profil. Danach haben FP-Spitzen wie EX-FPÖ-Chef Jörg Haider, Ewald Stadler und weitere drei Parteigenossen im November vergangenen Jahres einstweilige Verfügungen angestrengt, die weitere Aussagen von Kleindienst unterbinden sollen. In erster Instanz wurde diese Forderung zurückgewiesen, in zweiter Instanz aber wurde das Urteil in drei Fällen bestätigt. Jetzt besteht allerdings Unklarheit darüber, inwieweit der Zeuge Kleindienst überhaupt noch aussagen kann. Denn die FPÖ-Politiker geben nicht auf und wollen bis zum Obersten Gerichtshof in dieser Sache gehen. Peter Zöchbauer, der Anwalt des Ex-Polizisten, hat seinem Mandanten geraten, vorerst überhaupt nicht mehr auszusagen, berichtet Format.

Dann würde sich Kleindienst allerdings wieder den Vorwurf gefallen lassen müssen, seine Behauptungen seien ohne Hand und Fuß. Und er hätte sicher Schwierigkeiten, dem Wunsch nach Konkretisierung, der neuerdings aus dem Justizministerium an die Öffentlichkeit dringt, nachzukommen. Werner Pürstl, ein hochrangiger Justizbeamter aus dem Böhmdorfer-Ministerium, dringt darauf, wie er Format erklärte: "Der U-Richter wird den Herrn Kleindienst auffordern müssen, seine Anschuldigungen zu konkretisieren ... Wenn jemand ein Buch mit sensationellen Geschichten schreibt, die sich gut lesen, ist das okay. Bei Gericht muss man aber schauen, was sich davon konkret beweisen lässt und was nicht. Mit nebulosen Sachen, die hübsch aufgemacht sind, kann ein Staatsanwalt nicht vor ein Strafgericht treten."

Der SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim reagierte prompt und warf dem Justizministerium in Sachen "Spitzelaffäre" eine "Einflussnahme auf ein laufendes Verfahren vor, da der Sektionschef die Öffentlichkeit über seine persönliche Sicht der Entwicklung informiert habe." Auch die Justizsprecherin der Grünen, Terezija Stoisits sieht das ähnlich. Sie spricht gegenüber Telepolis von einem weiteren "Mosaikstein in der Böhmdorfer-Justiz". In der derzeitigen politischen Konstellation sei sowohl die Aufregung über die Reform der Strafprozessordnung als auch die Sorge um die Pressefreiheit nachvollziehbar und begründet, meint die Grün-Politikerin (Österreichs Journalisten mobilisieren für Wahrung der Pressefreiheit).

Vielfach gab es Kritik an der Vorgangsweise in der Aufklärung der "Spitzelaffäre" und an der Einstellung von Ermittlungen gegen hochrangige FPÖ-Funktionäre. Dem Vernehmen nach wurden Zeugen nur oberflächlich oder gar nicht vernommen, Berichte der ermittelnden Behörden mussten geändert, vieles einfach herausgestrichen werden.

Ein erst kürzlich auf einem amerikanischen Server aufgetauchter Bericht der Wirtschaftspolizei über die Vernehmung von Kleindienst im Fall des Datenklaus - die Authentizität des Dokuments will niemand zu 100 Prozent garantieren, aber auch nicht in Zweifel stellen - wirft einige Fragen auf. So hatte Kleindienst ausgesagt, es wäre ihm von freiheitlicher Seite Geld angeboten worden, um Daten aus dem Polizeicomputer zu beschaffen. Die Abrechnung sollte über fingierte Kilometergeldabrechnungen erfolgen. Eine Aussage, die sich offensichtlich mit Ergebnissen der Ermittlungen der Wirtschaftspolizei deckt. Denn Ungereimtheiten bei Kilometergeldabrechnungen fielen bei einer Kontoprüfung auch den ermittelnden Behörden auf und wurden in dem besagten Bericht minutiös dokumentiert. "Besonders hingewiesen wird auf den Umstand, dass bei diesen Kilometergeldbeziehern (...) wiederholt - sowohl was die gefahrenen Kilometer als auch die verrechneten Kilometergelder angeht - in verschiedenen Monaten idente Summen ausgewiesen sind", heißt es in diesem Dokument.

Die "Suppe" sei nun wahrlich nicht "dünn", meinen jedenfalls etliche Journalisten und Oppositionspolitiker.