Reis-Genom entschlüsselt

Jedenfalls vorläufig und ergänzungsbedürftig

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Wie es gute Sitte bei Genom-Entschlüsselungen geworden ist, gibt es die großen Pressemitteilungen (und die Artikel in Science), bevor die eigentliche Arbeit (das Auseinanderklamüsern der Gene) geleistet ist. Was im Augenblick vorliegt, sind sehr vorläufige Ergebnisse, die erst der Überprüfung und auch Komplettierung bedürfen.

Zwei verschiedene Forschungsunternehmen haben sich um die Entschlüsselung des Reisgenoms gekümmert und ihre Ergebnisse in Science veröffentlicht. Die erste Gruppe nahm sich der Unterart Indica an; dieses Projekt wurde vom Beijinger Genominstitut, dem Genomcenter der Washingtoner Universität und 11 weiteren chinesischen Institutionen getragen. Indica ist auch in China die am weitesten verbreitete Reisart. Hinter der zweiten Equipe stand die Schweizer Biofirma Syngenta. Dieses Team nahm sich der besonders in Japan verbreiteten Sorte Japonica an.

Insgesamt könnten bei der Reis-Entschlüsselung durchaus interessante Ergebnisse herauskommen. Immerhin ist Reis das Hauptnahrungsmittel für mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung und besitzt zudem das überschaubarste Genom aller Getreidesorten. Allerdings hat sich herausgestellt, dass es deswegen nicht weniger komplex ist. Mit angenommenen 55.000 Genen besitzt das Reisgenom wahrscheinlich sogar mehr Gene als das des Menschen. Mit etwas Tweaking ließen sich vielleicht die Nahrungsprobleme etlicher Länder dieser Welt lösen.

Was zu diesem Tweaking ermuntern könnte, ist die Tatsache, dass die Syngenta-Forscher ihr Japonica-Genom daraufhin überprüften, ob sie aus dem menschlichen Genom schon bekannte Gene wiederfänden. Dies war nicht der Fall - anscheinend wandern also keine Gene durch das Essen ins menschliche Erbgut. Diese These wirkte nie wirklich überzeugend, dürfte aber auch die Syngenta-Ergebnisse nicht entkräftet worden sein.

Denn leider (was eine Schande für die Wissenschaft ist) muss man hier "cui bono?" fragen. Syngenta forscht natürlich nicht zum Selbstzweck, sondern als "Geschäftsmodell" und wird sich eher ungern die Existenzgrundlage entziehen wollen. Insofern dürfte eine Beruhigung bei der Frage des Gentransfers erst dann eintreten, wenn solche Erkenntnisse a) von desinteressierte Seite b) auf wesentlich breiterer Grundlage (andere Pflanzen...) und c) mit gesicherten Ausgangsdaten (und nicht mit einer vorläufigen, evtl. zu ergänzenden Sequenzierung) gewonnen werden.

Überhaupt gibt es bei Syngenta einiges zu klagen. Genau wie Celera beim menschlichen Genom behandelt Syngenta das Japonica-Genom als ihr intellektuelles Eigentum. Die Daten werden der Wissenschaft nicht frei zur Verfügung gestellt, sondern können nur gegen Lizenz abgefragt werden (Schwierigkeiten mit einer wissenschaftlichen Veröffentlichung).

Aber anscheinend lässt dieses eine Mal der Weiße Ritter nicht auf sich warten. Denn es gibt noch ein drittes Projekt, das an der Entschlüsselung des Reisgenoms arbeitet: RGP, das Rice Genom Project, hinter dem 10 große Länder (China, Taiwan, Japan, Korea, Thailand, Indien, USA, Großbritannien, Frankreich, Brasilien) stehen.

Und an RGP sind zwei Dinge sehr positiv: Nicht nur, dass dieses Projekt alle gewonnenen Erkenntnisse sofort auf die Website stellt, sondern auch, dass man dort wesentlich sorgfältiger arbeitet. Die genauen Unterschiede in der Vorgehensweise erklärt RGP in einer Stellungnahme. Wenn RGP seine Arbeit vollendet hat, werden die Daten nicht nur frei zur Verfügung stehen, sondern sie werden auch zuverlässig sein.