Scharfe Kritik an Blairs Irak-Politik

Die britische Entwicklungsministerin Clare Short trat heute zurück, weil der britisch-amerikanische Resolutionsentwurf keine zentrale Rolle der UN vorsieht

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Während die US-Regierung ihre Mannschaft für die Übergangsverwaltung angesichts schleppender Fortschritte schnell austauscht und mit dem neuen Verwalter und Pentagon-Vertrauten Paul Bremer offenbar resoluter vorgehen will, bricht in der britischen Regierung erneut der Konflikt über die Position zur UN auf. Nun hat die Entwicklungsministerin Clare Short, die schon vor dem Kriegsbeginn das Vorgehen und Blair kritisierte und mit Rücktritt drohte, trotz des schnellen Erfolgs ihre Konsequenz gezogen und hat ihr Amt aus Protest an den Nagel gehängt.

Vor dem Kriegsbeginn schienen die Kritiker des Pro-Kriegskurses von Tony Blair auch in den Reihen der Labour-Partei so stark zu werden, dass das politische Überleben des Regierungschefs, der treu an der Seite des großen transatlantischen Bruders blieb, auf Spitz und Knopf stand. Besonders der Bruch mit der UN und dem Völkerrecht hielten viele Briten für nicht akzeptabel, die Mehrheit der Menschen lehnte den Krieg ohne Legitimation durch die Völkergemeinschaft ab. Blair konnte aber dann aber doch noch überraschend viele Abgeordnete seiner Partei davon überzeugen, seine Irak-Politik im Schulterschluss mit Bush zu decken und dabei auch Risse innerhalb der EU zu vertiefen.

Während Robin Cook, der Fraktionsvorsitzende der Labour-Partei und frühere Außenminister unter Blair, tatsächlich zurücktrat, vollzog Clare Short, die den politischen Stil des Regierungschefs als "außerordentlich rücksichtslos" geißelte, noch schnell einen Rückzieher vom angedrohten Rücktritt. Vermutlich wird Blair mit allen Mitteln oder Versprechungen versucht haben, sie zu halten, um nicht kurz vor Kriegsbeginn mit einer zerfallenden Regierungsmannschaft dazustehen. Dem Ansehen von Short hat dieser Schritt aber wohl nicht gedient. Die Zustimmung zu Blair stieg zwar nach dem schnellen Sieg im Irak, gleichwohl hat die Partei, in der es schon lange schwelt, bei Lokalwahlen schwere Verluste hinnehmen müssen.

Mit einer scharfen Kritik am diktatorischen Führungsstil und dem Vorwurf, sie betrogen zu haben, trat die Ministerin nun plötzlich zurück, um damit wohl ihre Glaubwürdigkeit zu stärken. Anlass war die von britischen und amerikanischen Regierung am Freitag dem Sicherheitsrat vorgelegte UN-Resolution, die der UN keine zentrale Rolle einräumt, sondern ihr nur eine Mitarbeit bei der humanitären Hilfe gewährt. Blair aber soll der Ministerin ein UN-Mandat versprochen haben. Tatsächlich hatte Blair wiederholt nach der Einnahme von Bagdad gesagt, dass er für ein UN-Mandat sei, ist aber offenbar auf Druck der unwilligen US-Regierung wieder umgefallen. Übrig blieb eine diffuse "wichtige Rolle" für die UN, die Forderung nach Aufhebung der Sanktionen und der Anspruch, dass die Siegerstaaten über das Schicksal des künftigen Iraks alleine bestimmen wollen.

Short wirft Blair in ihrem Rücktrittsschreiben vor, die Resolution, die ihrem Entwicklungsministerium eine wichtige Rolle zukommen lässt, geheim ausgeheckt zu haben. Sie habe davon erst durch die BBC erfahren. Versprochen habe ihr Blair ein UN-Mandat für den Aufbau einer legitimen Regierung. Unter dieser Bedingung sei sie in der Regierung geblieben, um beim Wiederaufbauwichtige Hilfe zu leisten. Blair und Außenminister Jack Straw weisen zurück, Share Versprechungen gegeben und die Resolution im Geheimen ausgehandelt zu haben.

In ihrer Rede im House of Commons griff sie Blair scharf an. Er sei nur noch "besessen von seinem Platz in der Geschichte". Vertrauen oder eine Gemeinsamkeit gebe es im Kabinett nicht mehr: "Nur Diktate zugunsten zunehmend schlechter durchdachte politische Initiativen, die von oben kommen". Blair sei einer Kontrollobsession erlegen und habe alles weitgehend bei sich und einer zunehmend kleiner werdenden Gruppe von Beratern zentralisiert. Auch hier warf sie Blair den Bruch des Versprechens vor, der UN beim Aufbau des Irak eine führende Rolle zu geben, und geißelte den mit Bush gemeinsamen Versuch, die UN unter Druck zu einer Mitarbeit zu zwingen. Großbritannien begehe einen großen Fehler, die Fehler der USA zu decken.