Schiffe sorgen für eine weltweite Verbreitung von Mikroorganismen

Wie die Viren in Computernetzen reisen Bakterien im Ballastwasser

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Der Eintritt in die Globalgesellschaft lässt nicht nur Daten durch Kabel oder über Satelliten um die Erde flitzen, sondern verdichtet auch den Verkehr und den Austausch materieller Güter. Wer aber nur glaubt, dass sich dadurch möglicherweise die lange gewachsenen Unterschiede von Kulturen abschleifen oder sich die Lebenswelten besonders in den künstlichen Umwelten der Städte einander angleichen, täuscht sich. Auch die Biosphäre nimmt längst schon an der Globalisierung teil.

Allmählich gerät auch in den Blick von Politikern, dass die dichten weltweiten Verkehrs- und Handelsströme willentlich oder zufällig Tiere und Pflanzen in andere Gegenden transportieren, in denen sie nicht heimisch sind. Solche biologischen Invasoren, die mit Reisenden und ihren Gefährten Huckepack oder als schwarze Passagiere mitkommen, gab es natürlich schon immer. Die meisten der Nutzpflanzen und Haustiere sind solche Invasoren, die sich dank der Menschen weltweit durchgesetzt haben. Haustiere haben aber auch Krankheitskeime unter Menschenpopulationen gebracht, Epidemien ausgelöst und schließlich Anpassungen ausgelöst. Dass etwa die mit den weißen spanischen Eroberern mitgereisten Pathogene in Amerika Millionen von Menschen niederstrecken konnten, lag auch daran, dass sie wesentlich weniger gewöhnt waren, mit Haustieren zusammen zu leben. Erst jetzt wurde nach Aids wieder bei der erneut ausgebrochenen Ebola-Epidemie oder der Ausbreitung des West-Nil-Virus in den USA deutlich, dass die Wanderungen der Bakterien zwischen Wirten oder zwischen Ländern nicht ungefährlich ist (Evolution in Hochgeschwindigkeit).

Maßnahmen zur Bekämpfung invasiver Arten, die sich wie eine Epidemie schnell in einer ihnen fremden ökologischen Nische durchsetzen und heimische Arten verdrängen, werden in vielen Ländern bereits diskutiert oder eingeführt. Verhindern wird man die Zirkulation, vornehmlich die von Mikroorganismen, wohl nicht können. Biologen glauben, dass mittlerweile invasive Arten für die Artenvielfalt fast genauso bedrohlich sind wie die Naturzerstörung durch den Menschen. Zumindest aber entstehen dadurch hohe gesellschaftliche Kosten und eben auch neue Gefährdungen.

Den Wenigsten dürfte es etwa bekannt sein, dass Schiffe zur Stabilisierung Ballastwasser mit sich führen, das in Häfen ausgeleert und neu aufgenommen wird. Beispielsweise werden in die Häfen der USA jedes Jahr an die 80 Millionen Tonnen Ballastwasser von auswärts eingelassen, in dem sich eine Vielzahl von Mikroorganismen tummelt. Durch den weltweiten Transport von Ballastwasser werden die lokalen Gewässer mit großen Mengen an einer internationalen Mischung von Mikroorganismen geimpft. Schiffe bilden so auch für Pathogene von Menschen, aber auch von Tieren und Pflanzen ein weltweites Verteilungssystem.

Wissenschaftler haben die Konzentration von Bakterien, virus-ähnlichen Partikeln und Cholerabakterien im Ballastwasser von Schiffen gemessen, die von anderen Häfen in die Chesapeake Bay kamen (Nature, Vol. 408, 2.11.2000, S. 49). Jährlich werden hier 10 Milliarden Liter Ballastwasser aus dem Ausland eingelassen. Ein Liter Ballastwasser enthält durchschnittlich eine Milliarde Bakterien und sieben Milliarden virus-ähnliche Partikel. Vibrio cholerae wurden in verschiedenen Varianten auf fast allen Schiffen gefunden. Die Wissenschaftler verwendeten V. Cholerae als Modell für die Ausbreitung von Mikroorganismen und stellten fest, dass sich manche der Bakterien auch nach Abgabe des Ballastwasser in die Küstengewässer noch teilen konnten, was die "Möglichkeit einer Kolonisierung von Küstengewässern" durch eingeschleppte Mikroorganismen zeigt.

Allerdings ist bislang unbekannt, in welchem Ausmaß sich diese Bakterien bereits verbreitet haben und welche geographischen Unterschiede in ihrer genetischen Struktur vorliegen. Gerade Mikroorganismen können sich leichter und schneller als höhere Organismen verbreiten und neue Territorien kolonisieren, weil sie in wesentliche höheren Konzentrationen eindringen, sich schnell und asexuell vermehren und in Sporenform widrige Bedingungen überleben können. Trotz der zunehmenden Besorgnis über invasive Arten und neue Epidemien wisse man vom Ausmaß und von den Folgen der Verbreitung von Mikroorganismen über das Ballastwasser bislang nichts, warnen die Wissenschaftler: "Geht man von der Größe des vorgehenden Transfers und seiner möglichen Folgen für die Ökologie und die Gesundheit aus, dann würde der großflächige Transport von Mikroorganismen durch Schiffe die Aufmerksamkeit von Invasionsbiologen und Epidemiologen verdienen."