Schwindelerregender Blick zurück

Die Nasa zeigt das erste Bild von der Erde, das vom Mars aus gemacht wurde

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1968 hatten die ersten Menschen die Möglichkeit, die Erde aus einer höchst unvertrauten Perspektive zu sehen. Damals umkreiste Apollo 8 als erste bemannte Mission den Mond. Die Astronauten erblickten, was Menschen nie zuvor sehen konnten, den Mond von seiner Rückseite und eine Erde, die am Horizont des Mondes aufging. Jetzt konnte der Mars Global Surveyor die ersten Bilder der Erde vom Mars aus machen.

Foto von der aufgehenden Erde, das William Sanders (Apollo 8) am 24. 12. 1968 machte. Alle Bilder: Nasa

Als die Menschen das erste Mal den Blick nicht mehr nur vom sicheren Boden der Erde in den Weltraum richten konnten, sondern die Erde erstmals als blauen Planeten in der Weite treiben sahen, veränderte sich die Wahrnehmung und das Selbstverständnis der Menschen tiefgreifend und irreversibel. Das winzige, in der Schwärze des Weltalls treibende "Raumschiff Erde" mit seiner blauen Farbe erscheint von der kargen Mondlandschaft aus als ein prekäres und zugleich bislang einzigartiges Paradies. Aus der Entfernung wird die Erde klein und rutschen die Menschen und alles Leben auf ihr zusammen, während die Einsamkeit oder Singularität der mit Leben erfüllten Erde schlagartig deutlich wird. Damit hat auch der Globalisierungsprozess sein Bild erhalten.

Nicht nur zu wissen, sondern auch sehen zu können, dass die Erde nur ein winziger, wenn auch außergewöhnlich schöner Planet in der unendlichen Weite und vielleicht auch Ödnis des Weltalls ist, war Schock und Offenbarung. Und auch ein Paradox, dass gerade mit der Wirklichkeit, die Erde verlassen zu können, diese um so einzigartiger als Lebensort wurde. William Anders, einer der Astronauten von Apollo 8, sagte, dass nicht die Umrundung des Mondes, sondern der Anblick der am Mondhorizont aufgehenden Erde das entscheidende Ereignis der Mission gewesen sei.

Verbunden mit diesem immer wieder faszinierenden Perspektivwechsel sind freilich vor allem die Bilder, die Michael Collins 1969 vom Erdaufgang über dem Mond machte. Collins musste bei der ersten Mondlandemission in der Kommandokapsel zurückbleiben, während Neil Armstrong und Edwin Aldrin als erste Menschen den Mond und damit auch einen anderen Himmelskörper betreten konnten. Collins durfte zwar nicht diesen "großen Schritt für die Menschheit" seiner Kollegen live miterleben, dafür aber sahen die beiden auch nicht den Erdaufgang, da für sie auf dem Boden des Monds die Erde immer an derselben Position des Himmels erschien. Vermutlich sind die Bilder, die von Menschen gemacht werden, faszinierender, weil diese als eine Art Stellvertreter fungieren, in die sich jeder hineinversetzen kann, auch wenn sie eigentlich nicht anderes zeigen als das, was von einer Kamera auf einer unbemannten Mission auch aufgenommen werden kann.

Die Erde aus vier Milliarden Kilometern Entfernung

Das erste Bild, das die Erde zusammen mit dem Mond zeigte, wurde von Voyager 1 1977 gemacht. Mittlerweile ist Voyager 1, die eine goldene Platte mit Informationen über die Erde und die Menschen als Botschaft an etwaige Außerirdische mit sich führt, das am weitesten von der Erde entfernte Objekt, das Menschen geschaffen haben (Voyager 1 - Unterwegs in die Ewigkeit). 1990 hatte man den irdischen Botschafter noch einmal einen Blick zurück werfen lassen - aus einer Entfernung von vier Milliarden Kilometern ist die Erde nur noch ein winziger Punkt, der schnell aus dem Blick verschwinden wird.

Jupiter (links) und die - kaum noch zu erkennende - Erde (rechts) vom Mars aus gesehen

Winzig ist die Erde auch auf dem ersten Bild, das vom Mars aus einer Entfernung von 140 Millionen Kilometern vom Mars Global Surveyor gemacht wurde. Gleichwohl ist das Bild beeindruckend, weil es die Erde nicht nur als kleinen blauen Punkt zeigt, der vom Mond umkreist wird, sondern erstmals auch zusammen in der unendlichen Schwärze mit einem anderen Planeten: Jupiter, der eine Milliarde Kilometer vom Mars entfernt ist.

Mars Global Surveyor umkreist bereits seit 1997 den roten Planeten und hat von diesem zahllose Bilder gemacht. Den Blick zurück auf die Erde sollte bereits die Pathfinder-Mission ausführen, doch war der Dunst dafür stets zu stark. Das nun gelungene Bild vom 8. Mai 2003 wurde aus Aufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungszeiten - der Jupiter ist fünf Mal weiter als die Erde von der Sonne entfernt - zusammengesetzt und koloriert. Die Kontraste hat man verstärkt. Auf Vergrößerungen sieht man Nord- und Südamerika auf der von Wolken bedeckten "Halberde" mit dem Mond sowie Jupiter mit dreien seiner vier Monde: Callisto, Ganymed und Europa.

Am 2. Juni soll die erste europäische Mars-Mission starten. Der Mars-Express wird den Roboter Beagle 2 zum roten Planeten bringen, um dort vor allem nach Hinweisen auf mögliches Leben zu suchen ("Beagle" has landed). Am 5. und am 25. Juni werden dann die Mars-Missionen der Nasa folgen, die auch jeweils einen Rover auf dem Planeten ausbringen.