Sieg ohne Bedeutung?

Hillary Clinton gewinnt in West Virginia und John McCain bekommt libertäre Konkurrenz

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Bei den gestrigen Vorwahlen in West Virginia gewann wie erwartet Hillary Clinton mit deutlichem Vorsprung. Die im Bürgerkrieg vom Old Dominion abgetrennte Bergregion ist ganz überwiegend weiß, arm und rückständig – kein Wunder also, dass Clinton dort in allen Umfragen als sichere Siegerin gesehen wurde und Obama seinen Wahlkampf lieber auf andere Bundesstaaten konzentrierte.

Bedeutung hätte die Wahl in West Virginia nur gehabt, wenn Obama sie wider Erwarten gewonnen hätte: Dann wäre Clinton möglicherweise auch von Seiten der Parteibürokratie unter größeren Druck geraten, das Feld bereits vor dem Nominierungsparteitag in Denver zu räumen. So aber kann sie theoretisch bis Ende August weiterkämpfen. Die bis in den Juni hinein laufenden Vorwahlen in relativ bevölkerungsarmen Bundesstaaten sind dabei eher von indirekter Bedeutung – indem sie nämlich den Superdelegierten Stimmungen suggerieren können, nach denen diese wiederum ihr eigenes Votum ausrichten.

Bei ihrem Werben um diese Superdelegierten setzt Clinton ihrem Wahlkampfmanager Howard Wolfson gegenüber CNN zufolge auf Umfragen, die ihr gegenüber McCain einen besseren Stand vorhersagen als Obama. Einer landesweiten Erhebung der Los Angeles Times zufolge, würde sie derzeit zwar nur geringfügig besser gegen den republikanischen Kandidaten abschneiden als ihr demokratischer Konkurrent - allerdings könnten einige Funktionäre der Demokratischen Partei den Bradley-Effekt fürchten, wonach schwarze Bewerber in einer geheimen Wahl potentiell weniger Stimmanteile erreichen als in den Umfragen dazu. Gerade in West Virginia gibt es allerdings auch Wähler, die offen zugeben, dass sie zwar für Clinton aber – wie es David Paleologos vom Political Research Center der Suffolk-Universität diplomatisch formulierte - "for some reason" niemals für Obama stimmen würden, weshalb dieser den Bundesstaat bei den Wahlen im November möglicherweise "abschreiben" könne. Auch in anderen "Swing States", die für einen Sieg in der Präsidentschaftswahl im November von entscheidender Bedeutung sind, führt Clinton gegen McCain in den Umfragen wesentlich deutlicher als Obama. Aus diesem Grund kam eine Umfragenübersicht mit einer Prognose der im November entscheidenden Wahlmännerstimmen zu dem Ergebnis, dass Obama klar gegen McCain verlieren würde, während ihn Clinton dagegen mit noch größerem Abstand besiegen könnte.

Trotzdem verbuchte der Senator aus Illinois bei der offiziellen Unterstützung durch Superdelegierte mehr Zuwächse als Clinton. ABC und die New York Times berichteten Ende letzter Woche übereinstimmend, dass er erstmals seit Beginn des Vorwahlkampfes auf mehr solche Entscheider zählen könne als seine Rivalin. Da Superdelegierte ihre Meinung allerdings jederzeit ändern können, ist solch eine Festlegung nur von bedingter Aussagekraft. Gleichwohl scheinen sich die amerikanischen Medien bereits auf einen Sieger geeinigt zu haben: Das Time Magazine erschien diese Woche mit einem entspannt lächelnden Obama auf dem Cover und der Bildunterschrift "And the winner is …".

Libertäre Konkurrenz für John McCain

Bei den Republikanern bekam der Gewinner, der dort seit längerem feststeht, nun Konkurrenz von einem ehemaligen Parteigenossen: Am Montag erklärte Bob Barr seine Absicht, für die Libertarian Party kandidieren zu wollen. Deren Nominierungsparteitag findet am 22. Mai statt. Vorher war lange spekuliert worden, ob Ron Paul, ein im Rennen um die republikanische Kandidatur chancenloser Bewerber, der bereits 1988 für die Libertären antrat, noch einmal für sie in den Präsidentschaftswahlkampf ziehen würde.

Barr, ein ehemaliger Staatsanwalt, hatte im Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton eine gewisse Bekanntheit erlangt. Seit er 2002 seinen Sitz im Kongress verlor ist er in Washington und Atlanta als Lobbyist tätig. Vor zwei Jahren trat er bei den Republikanern aus - als Begründung nannte er dabei sowohl die steigenden Staatsausgaben als auch die seiner Ansicht nach teilweise verfassungswidrigen Einschränkungen der Privatsphäre im "Krieg gegen den Terror". Nun kündigte er an, als Präsident unter anderem durch einen Abzug von Truppen aus dem Irak die öffentlichen Ausgaben erheblich zurückfahren zu wollen. Außerdem wolle er die Mittel für die Schulbehörde kürzen und die Einwanderungsgesetze konsequenter anwenden.

Dass Barr die Präsidentschaftswahlen im Herbst gewinnt, ist angesichts der traditionell geringen Bedeutung von Kandidaten außerhalb der beiden großen Parteien eher weniger wahrscheinlich. Allerdings könnte er McCain Stimmen solcher Republikaner kosten, die mehr Wert auf niedrige Steuern und einen ausgeglichenen Haushalt als auf eine amerikanische Präsenz im Irak legen. Symbolwert hat in dieser Hinsicht, dass der Bewerber für seine Kampagne den ehemaligen Wahlkampfmanager von Ross Perot engagierte, der 1992 als unabhängiger Kandidat einen Achtungserfolg erzielte und George Bush senior die zweite Amtszeit kostete.

Je nach Entwicklung der Haltung Obamas und Clintons zum Irakkrieg könnte die Libertarian Party mit ihrem Programm aber nicht nur den Republikanern, sondern auch deren wichtigstem Konkurrenten Stimmen abjagen: Seit März dieses Jahres kämpft der bei den Demokraten gescheiterte hemdsärmlige Präsidentschaftsbewerber Mike Gravel in der Libertarian Party um einen möglichst baldigen Truppenabzug, den er den beiden verbliebenen Kandidaten seiner alten Partei nicht zutraut.