Ukraine im Kriegs-Taumel: Selenskyj scheitert mit Entlassung von Oberbefehlshaber Saluschnyj

Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, während eines Besuchs von Frontstellungen im Süden und Osten im Januar 2024. Bild: Ukrainische Streitkräfte / Telegramm

Ukrainischer Präsident zunehmend in Machtkampf mit Militärführung verfangen. Auch international wächst der Druck. Was folgt daraus?

Am Montag soll Wolodymyr Selenskyj laut unterschiedlicher Medienberichte den Oberbefehlshaber der ukrainischen Truppen, Walerij Saluschnyj, zum Rücktritt aufgefordert haben. Doch der in der Ukraine populäre General, auch von westlichen Militärs weithin geschätzt, weigerte sich. Kiew dementierte den Vorfall.

Ein schwelender Konflikt mit dem Militär

Die Spannungen zwischen den beiden schwelen seit Wochen angesichts des Scheiterns der ukrainischen Gegenoffensive im Sommer. In einem Interview mit dem Economist erklärte Saluschnyj Anfang November, der Krieg sei in eine "Pattsituation" geraten. Ein "tiefer und wünschenswerter Durchbruch" könne nicht erwartet werden.

Er deutete sogar an, dass der Zermürbungskrieg zu einer Niederlage für die Ukraine führen könne.

Damit widersprach er diametral Selenskyjs optimistischer Einschätzung, dass man vorankomme und einen Sieg über Russland erringen könne. "Ich glaube nicht, dass es sich um eine Pattsituation handelt", antwortete der ukrainische Präsident in der NBC-Nachrichtensendung Meet the Press.

"Fast schon messianisch"

Der Konflikt geht aber tiefer als ein Zwist zwischen zwei Männern über die richtige Interpretation des militärischen Fortschritts, um Einfluss und Macht. Ted Snider, Kolumnist bei Antiwar.com und Responsible Statecraft, wies im November schon darauf hin:

Selenskyj steht sowohl innerhalb der Ukraine als auch von außen unter Druck. Von innen kommt er sowohl von der politischen als auch von der militärischen Führung; von außen sind es die wichtigsten Partner der Ukraine.

Berater des Präsidenten äußerten gar die Besorgnis, dass sein "Glaube an den endgültigen Sieg der Ukraine über Russland ... "fast schon messianisch" sei. Deswegen sei er unfähig, die Situation auf dem Schlachtfeld realistisch einzuschätzen.

Der Fall Chorenko

Das führte immer mehr zu Auseinandersetzungen mit den Generälen, die seine Befehle infrage stellten. Der Konflikte spitzte sich dann zu, als Selenskyj General Wiktor Chorenko, den Befehlshaber der ukrainischen Spezialeinheiten, entließ.

Die New York Times berichtet, dass "es unklar" gewesen sei, "ob General Saluschnyj, der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, im Voraus von der geplanten Entlassung wusste". Die Entlassung scheine "die Autorität von General Saluschnyj zu untergraben".

Hinter dem Machtkampf zwischen dem ukrainischen Präsidenten und Teilen der Militärführung lässt sich noch ein größerer Konfliktherd erkennen: Denn die Einschätzung Saluschnyjs kann auch als Signal angesehen, über Verhandlungen mit Moskau über einen Waffenstillstand bzw. Kompromissfrieden nachzudenken.

Einige Berater Selenskyjs befürchten, dass seine Unnachgiebigkeit seinen Blick auf die militärische Situation trübe und Verhandlungen mit Russland für tabu erklärt werden.