Von Sanktionen bis Drohnen: Wie weit werden Iran und Russland aneinanderrücken?

Seite 2: Wirtschaftliche Zusammenarbeit stagniert

Auch im wirtschaftlichen Bereich ist das traditionelle Misstrauen zwischen Teheran und Moskau nicht überwunden. Vor dem Krieg schreckten hier russische Unternehmen vor Investitionen im Iran zurück, um nicht unter westliche Sanktionen zu fallen.

Diese Hürde dürfte eigentlich nicht mehr in diesem Ausmaß bestehen, aber das Handelsvolumen zwischen dem Iran und Russland blieb dennoch auf dem gleichen Niveau – etwa fünf Milliarden US-Dollar.

Nur zum Vergleich: Das Handelsvolumen zwischen Russland und der Türkei kletterte seitdem um mehr als 80 Prozent auf 62 Milliarden US-Dollar.

Im Juli 2022 unterzeichnete der russische Öl- und Gasriese Gazprom und die National Iranian Oil Company (NIOC) ein Memorandum über eine Energiekooperation mit einem Volumen von 40 Milliarden US-Dollar. Doch auch dieses Dokument ist bisher ein Papiertiger und verpflichtet beide Seiten bisher zu nichts.

Keine Hilfe bei territorialen Streitigkeiten

Ein zusätzliches Ärgernis in den iranisch-russischen Beziehungen ist Moskaus Position in Bezug auf drei Inseln in der strategisch wichtigen Straße von Hormus: Groß-Tunb, Klein-Tunb und Abu Musa.

Noch in der Zeit des Schah 1971 erlangte der Iran – damals mit britischer Hilfe – die Kontrolle über diese Inseln mit reichen Ölvorkommen. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erachten diese Inbesitznahme jedoch bis heute als illegal und bestreiten das iranische Eigentum an den Inseln.

2023 unterzeichnete dann Russlands Außenminister Lawrow gleich zweimal im Rahmen der Teilnahme an russisch-arabischen Foren Dokumente, in denen der Anspruch der Emirate an diesen Inseln bekräftigt wurde.

Deshalb wurde der diplomatische Vertreter Russlands in Teheran auch zweimal ins dortige Außenministerium zitiert. Es ist offensichtlich, dass diese Gesten Moskaus gegenüber den Emiraten von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt werden. Während der russische Handel mit dem Iran stagniert, stieg der zwischen Russland und den VAE 2022 um 68 Prozent und erreichte den Rekordwert von neun Milliarden US-Dollar.

Zweifel am iranischen Russlandkurs

"Ich glaube, der Iran hat einen strategischen Fehler begangen, als er Waffen an Russland verkaufte und sich so mit der Ukraine überwarf. Dadurch hat Teheran nur die Bedrohungen aus dem Ausland erhöht und gleichzeitig eine Wiederaufnahme des Atomabkommens verhindert", sagt der in London lebende iranische Oppositionsführer und Politologe Peyman Aref.

Im Iran selbst sieht man das Militär als alleinig treibende Kraft, die die Belieferung Russlands forciert, wobei es dabei vom Obersten Führers des Landes, Ayatollah Ali Khameni, unterstützt wird.

Diplomaten wurden vorab davon nicht informiert. Jetzt, im Zuge der Unzufriedenheit Teherans in Bezug auf seine territorialen Ansprüche, nutzen sie die Gelegenheit, um ihren Unmut zu äußern.

Wir glauben an die territoriale Integrität jeden Landes, auch der Ukraine, die auf der Grundlage des Völkerrechts oberste Priorität haben sollte,

… meinte sogar der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian im Juli 2023.

Im iranischen Volk wird die russische Invasion von vielen als Kolonialkrieg wahrgenommen. Die Iraner sind sehr geschichtsbewusst und erinnern sich daran, wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts iranisches Gebiet vom Russischen Reich in Besitz genommen wurde.

Oder wie sowjetische Truppen erst durch Intervention des damaligen US-Präsidenten Truman gezwungen wurden, iranisches Territorium zu verlassen. "Das ist ein Angriffskrieg und ich halte es nicht für richtig, dass wir Russland hier unterstützen", sagt etwa Murtaza, ein 41-jähriger Besitzer einer Autowerkstatt im Süden Teherans, gegenüber Telepolis. Er gibt damit ein oft geäußerte Meinung im Iran wieder.

Hohes Ansehen der russischen Kultur

Großer Respekt herrscht im Iran jedoch allgemein vor der russischen Kultur. In den Buchhandlungen finden sich persische Übersetzungen aller russischen Klassiker wie Tolstoi oder Dostojewski, aber auch von modernen russischen Schriftstellern.

Das Bildungsministerium empfiehlt neben Englisch, Deutsch und Französisch auch den Erwerb des Russischen als Fremdsprache für den Unterricht. Dadurch hat Russland im Iran kein generell schlechtes Image.

Dennoch sind die Beziehungen zwischen beiden Ländern zerbrechlich. Moskau und Teheran werden einen weiteren diplomatischen Skandal nicht überleben, meint Amir Chakhaki. "Die Beziehungen können weiter wachsen und sich entwickeln. Aber nur bis zum ersten Verrat".