Wer zahlt für Klimaschäden?

Die Energie- und Klimawochenschau: El Niño bringt Feuer und Regen, Klimadiplomaten ringen um Worte und Greenpeace bietet weiter für deutsche Braunkohle

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Über das inzwischen voll ausgeprägte Klimaphänomen El Niño wurde bereits in der vergangenen Woche berichtet (Rauchen ist harmlos). Zur Zeit manifestieren sich die Folgen des Wetterereignisses in bedrohlicher Weise in Indonesien und auf den Philippinen.

Während Indonesien Waldbrände von ungeheurem Ausmaß erlebt, sorgte auf den Philippinen der Taifun Koppu für Zerstörung und Überschwemmungen. Obwohl sich der Sturm, dem bislang mindestens 23 Menschen zum Opfer fielen, am Montag abgeschwächt hat, halten die starken Regenfälle weiter an. 20.000 Menschen mussten vor den Überschwemmungen flüchten, zahlreiche Ortschaften stehen unter Wasser. Die eigentliche Katastrophe an Koppu ist, dass sich der Sturm so langsam bewegt, dass der Dauerregen tagelang anhält.

Taifun Koppu am 19. Oktober. Bild: Nasa

Über dem Nordpazifik bewegt sich ebenfalls der Taifun Champi und wird wahrscheinlich vor Japan in nordöstlicher Richtung abdrehen. Mit den Taifunen Koppu und Champi bricht die Hurrikan- bzw. Taifunsaison 2015 mit 20 Stürmen der Kategorien 4 und 5 alle bisherigen Rekorde für die Nordhalbkugel. 2004 gab es 18 Tropenstürme der Kategorien 4 und 5, wobei 2004 vier der Stürme sich über dem Atlantik bildeten, in diesem Jahr nur einer. El Niño begünstigt die Entstehung von Wirbelstürmen über dem Pazifik, da die Temperaturen an der Meeresoberfläche erhöht und gleichzeitig die Passatwinde abgeschwächt sind.

Die derzeitigen Wetterereignisse passen damit genau in die Vorhersage der World Meteorological Organization. Über dem Ost- und Zentralpazifik ist demnach mit verstärktem Regen zu rechnen, im Westpazifik und zentralen Nordpazifik besteht ein verstärktes Wirbelsturmrisiko verbunden mit extremen Regenfällen. Trockenheit herrscht vor allem im Südwest- und Nordpazifikraum.

Die Folgen der Trockenheit werden in Indonesien deutlich, wo die verheerendsten Waldbrände seit 1997 wüten. Per Satellit wurden bis zum 19. Oktober über 100.000 aktive Brandherde ausgemacht, die Treibhausgasemissionen werden auf 1,152 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente geschätzt. Das indonesische Gesundheitsministerium rechnet mit Schäden in Höhe von 14 Milliarden Dollar.

Brände und Smog auf Borneo. Bild vom 19. Oktober: Nasa

Die Waldbrände in Indonesien sind zwar meist Folge von illegaler Brandrodung, die Trockenheit begünstigt jedoch die unkontrollierte Ausbreitung der Feuer. Vor allem ausgetrocknete Torfböden werden dabei zum Problem, da sich im Boden Schwelbrände mit sehr starker Rauchentwicklung ausbreiten. Der Smog belastet nicht nur die Bevölkerung Indonesiens, sondern auch die umliegender Inseln. Besonders schwere Waldbrände gab es in Indonesien im Jahr 1997, das ebenfalls ein ausgeprägtes El-Niño-Jahr war.

Letzte Vorverhandlungsrunde für Paris

Überschwemmungen und Waldbrände bilden die ferne, aber vielleicht doch mahnende Kulisse der letzten Vorverhandlungsrunde vor dem UN-Klimagipfel in Paris, die bis Ende der Woche in Bonn stattfindet. Dabei steht vor allem der Vertragsentwurf im Mittelpunkt. Dieser wurde von der eigens dafür eingerichteten Arbeitsgruppe von 76 auf 20 Seiten gekürzt, dem nun im Laufe der Woche wieder Änderungsvorschläge und Ergänzungen hinzugefügt werden.

Die Umweltschutzorganisationen BUND, Greenpeace und Oxfam kritisierten am Freitag im Vorfeld der Bonner Verhandlungsrunde, dass dem neuen Vertragstext Substanz fehle, und zwar in Bezug auf verschiedene Themenfelder. "Wir vermissen den Begriff der Dekarbonisierung oder des Phase-out für Kohle, Öl und Gas", erklärte Martin Kaiser, Leiter der internationalen Klimapolitik bei Greenpeace auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Organisationen. Greenpeace vertritt die Auffassung, dass spätestens 2050 die weltweite Energieversorgung auf erneuerbaren Energien basieren muss und hat kürzlich ein entsprechendes Szenario vorgelegt.

Neben einer klaren Vereinbarung zur kompletten Dekarbonisierung fehlt aus Sicht der Umweltschützer ein Mechanismus zur stetigen Überprüfung und Vergleichbarkeit der Emissionsreduktionsziele. "Bei den Verhandlungen in Bonn muss verankert werden, dass die Staaten alle fünf Jahre neue Verpflichtungen auf den Tisch legen", so Kaiser. In dieser Hinsicht sei vor allem das Klimaziel der EU für 2030 problematisch, da damit 15 Jahre Stillstand zementiert würden. Bei den alle fünf Jahre vorzulegenden Zielen solle es sich tatsächlich um Verpflichtungen (commitment) handeln und nicht, wie in der derzeitigen abgeschwächten Version um eine Überprüfung des Entwicklungspfads (review).

Auch müsse geregelt werden, in welchem Format in Zukunft nationale Ziele eingereicht würden. Bisher fehlt hier die Vergleichbarkeit, da die Staaten unter anderem unterschiedliche Basisjahre verwenden. Bislang haben 149 Länder eine Selbstverpflichtung zum Klimaschutz abgegeben, allerdings würden diese nicht ausreichen, um den Temperaturanstieg auf unter 2 Grad Celsius zu beschränken. Laut Climate Action Tracker würde die Temperatur demnach bis zum Jahr 2100 um 2,7 Grad steigen. Das reicht bei Weitem nicht aus, vor allem da die vulnerablen Staaten sich nach wie vor dafür aussprechen, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu beschränken. Im Vertragsentwurf ist der Wert von 1,5 Grad weiterhin in Klammern enthalten.

Die größten Lücken weist der Vertragsentwurf in Bezug auf die Klimafinanzierung und die Verantwortung für Schäden und Verluste durch den Klimawandel auf. 2009 verpflichteten sich die reichen Länder, bis 2020 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Klimafinanzierung zu mobilisieren. Klimafinanzierung bedeutet die Finanzierung der Anpassung an klimatische Veränderungen sowie die klimafreundliche Entwicklung.

Nach Angaben von Oxfam fließen derzeit etwa 57 Milliarden US-Dollar jährlich in die Klimafinanzierung, davon ein Drittel über bilaterale Entwicklungshilfe, ein knappes Drittel über multilaterale Entwicklungsbanken und knapp 15 Milliarden an durch öffentliche Gelder mobilisierte private Investitionen. "Die reichen Länder müssen bis zur Pariser Konferenz klarstellen, wie sie ihr 100-Milliarden-Versprechen bis 2020 erfüllen werden", sagte Jan Kowalzig, Referent für Klimawandel und Klimapolitik bei Oxfam Deutschland. Insbesondere der Anteil der Projekte zur Anpassung an den Klimawandel müsste erhöht werden. Insgesamt gibt es keine festen Leitlinien für Projekte der Klimafinanzierung. Einzelne Länder wie Japan oder Australien legen sie so aus, dass auch der Bau effizienterer Kohlekraftwerke abgedeckt wird.

Die 100 Milliarden zur Klimafinanzierung umfassen nicht den Bereich der Schäden und Verluste durch den Klimawandel. "Im Vertragsentwurf gibt es bislang nur einen Absatz, der die Existenz des Problems anerkennt, aber keinen Umgang damit", so Kowalzig. Auch das Thema Landnutzungsänderung kommt zu kurz. Hier fehle ein Plan, wie die Entwaldung bis 2020 gestoppt werden könne, so Kaiser.

Stiftung zur Abwicklung der Lausitzer Braunkohle

"Lass es im Boden" lautet die Devise vieler Klimaaktivisten. Mit seinem Gebot für die Braunkohlesparte Vattenfalls in der Lausitz versucht Greenpeace Nordic scheinbar ernsthaft, diese Strategie umzusetzen.

Am Dienstag hat die schwedische Sektion von Greenpeace eine Interessensbekundung bei der Bank Citigroup abgegeben. Ziel von Greenpeace Nordic ist es demnach, eine Stiftung zu gründen, die ein soziales, umweltfreundliches und wirtschaftlich nachhaltiges Entwicklungsmodell in der Lausitz umsetzen soll. Tagebau und Kohlekraftwerke sollen so bald wie möglich stillgelegt werden, wobei eine sozialverträgliche Transformation für die Beschäftigten sichergestellt werden soll. Die Kraftwerke würden zwischen 2018 und 2030 stillgelegt.

Das Stiftungsmodell könnte sich am Beispiel der RAG Stiftung orientieren. Die RAG-Stiftung wurde 2007 gegründet, um den westdeutschen Steinkohlebergbau abzuwickeln. In der Interessensbekundung kalkuliert Greenpeace den Wert der Braunkohlesparte auf weniger als eine halbe Milliarde Euro. Berechnet man die Folgekosten ein, würde der Betrag jedoch in den negativen Bereich abrutschen. "Hohe Folgekosten des Kohleabbaus beispielsweise für die Renaturierung der Tagebaue und den Rückbau der Kraftwerke drücken den Preis auf einen negativen Betrag von mehr als zwei Milliarden Euro minus. Berücksichtigt man darüber hinaus die enormen sozialen und Umweltkosten, errechnen sich finanzielle Verpflichtungen in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags, die Vattenfalls Braunkohlesparte in der Lausitz der Gesellschaft verursacht", heißt es in der Presseerklärung.

Neben Greenpeace Nordic bleiben die beiden tschechischen Unternehmen CEZ und EPH im Rennen. Die EPH hat in der Vergangenheit bereits das Kohleunternehmen MIBRAG erworben. Die tschechischen Unternehmen waren vor allem aus dem Hintergrund an einem Erwerb der deutschen Braunkohletagebaue interessiert, weil ihnen vor Ort der Nachschub auszugehen drohte. 1991 hatte das tschechische Parlament beschlossen, die bestehenden Tagebaugrenzen nicht auszuweiten, womit die Kapazitäten im Jahr 2022 erschöpft wären.

Am Montag wurden allerdings die Karten neu gemischt, denn die tschechische Regierung hat den Beschluss aus dem Jahr 1991 aufgehoben. Ob dahinter ein taktischer Schachzug steht, um den Wert der Lausitzer Reviere zu senken, darüber lässt sich nur spekulieren. Fest steht jedenfalls: Die Interessen, die Braunkohle aus der Erde zu holen, bleiben groß, ob nun diesseits oder jenseits der deutsch-tschechischen Grenze.