Wo Terror herrscht

12 000 tote Iraker in 18 Monaten – Widerstand gegen die Privatisierung der irakischen Ölreserven

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Er habe bislang noch keine "Resistance" gesehen, gab der neue irakische Innenminister Bajan Dschabr am Donnerstag Reportern gegenüber zu verstehen, die wissen wollten, ob die neue Regierung Milde gewähren würde gegenüber so genannten "Resistance-Kämpfern", die bereit dazu sind, ihre Waffen niederzulegen.

"Es herrscht Terror und alle Seiten haben sich darauf geeinigt, dass jeder, der mit Waffen gegen Iraker kämpft und sie tötet, ein Terrorist ist", antwortete der Innenminister von der schiitischen SCIRI-Partei, der schon im Regierungsrat unter Bremer einen Ministerposten innehatte. Dschabr präsentierte Zahlen, die den Terror deutlich machen: Bombenanschläge und Hinterhalte der "Insurgency" hatten in den letzten 18 Monaten 12.000 Irakern das Leben gekostet.

Doch der Innenminister ist ähnlich optimistisch wie der amerikanische Vizepräsident Cheney und der irakische Außenminister Sebari: In den nächsten Monaten werde man die mörderischen Attacken in den Griff kriegen. Die "Operation Lightning" (vgl. Geblitzt) verlaufe erfolgreich, verkündete Dschabr bei der gestrigen Pressekonferenz. Alle Einfahrts-und Ausfahrtsstraßen der Hauptstadt seien unter Regierungskontrolle; mehr als 700 "Terroristen" seien verhaftet worden, 28 getötet.

Widersprüche zur Erfolgsgeschichte des Innenministers lieferten nicht nur die "Insurgents", die gestern mit weiteren tödlichen Anschlägen (auch in Bagdad) für neue Schlagzeilen sorgten, sondern auch das irakische Verteidigungsministerium. Nach einem Washington Post-Bericht gab man von dieser Stelle aus bekannt, die Operation Lightning habe zwar zur Gefangennahme von 680 Verdächtigen geführt, von diesen mussten aber aus Mangel an Beweisen alle bis auf 95 wieder freigelassen werden. Dass der kurdische Außenminister Sebari Anfang der Woche erfolgreich im Sicherheitsrat um eine Verlängerung des Mandats für die Internationalen Streitkräfte im Irak nachgesucht hat und bei seiner amerikanischen Kollegin Condoleeza Rice um eine "größere Rolle" der USA in politischen und militärischen Belangen des Iraks, weist daraufhin, wie fragil der "Erfolg" im Kampf gegen den Widerstand von der irakischen Regierung selbst eingestuft wird – selbst wenn Sebari betont, wie verzweifelt die Insurgents sein müssen.

Wer sich schon länger fragt, ob es denn im Irak außer "Schiiten", "Sunniten", "Kurden" und "Insurgents" gar keine andere politische Kategorie mehr gibt, und dies angesichts der historischen Tatsache, dass Gewerkschaften und linke Parteien sich im Irak einstmals größeren Zulaufs erfreuten als religiöse Wahlfahrten, der kann sich von einer erstaunlichen Erfolgsgeschichte aus dem Süden des Landes eines Besseren belehren lassen. Dort lehnt sich eine Resistance-ähnliche Zusammenkunft von "Ölarbeitern, Akademikern und internationalen zivilgesellschaftlichen Vereinigungen" gegen die Privatisierung der irakischen Ölreserven auf.

Die Konferenz wurde von der Gewerkschaft der Ölarbeiter, der General Union of Oil Employees (GUOE), welche im Juni letzten Jahres gegründet wurde, organisiert. Mittlerweile hat sie 23.000 Mitglieder und hatte als oberstes Ziel, dass sie "die Arbeiter im Chaos der ersten Monate der Besatzung wieder dazu bringen konnte, die Ölanlagen zu reparieren und sie wieder in die Ölproduktion zurück zu bringen." Trotz Konflikten sowohl mit Koalitionstruppen wie Alt-Baathisten sollen die Arbeiter die Anlagen besser in Schuss gehalten haben als die "privaten Gegenspieler", Unfälle seien selten, so der Bericht des Guardian, welcher der GUOE einiges an "Bargain Power" zuschreibt.