Propaganda machen immer nur die anderen

Über die Deutsche Welle, Russland und den neuen europäischen Medienkrieg

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Die Aufstockung des Budgets der Deutschen Welle Anfang des Jahres war begleitet von Konflikten und kritischen Kommentaren über die neue politische Ausrichtung des Auslandssenders. Inzwischen lassen sich Tendenzen und Zusammenhänge erkennen, die bestehende Befürchtungen weitgehend bestätigen: Der Ausbau der Deutschen Welle steht offensichtlich im Zusammenhang mit außenpolitischen Frontstellungen der EU. Ausmachen lässt sich das vor allem - wenn auch nicht nur - am Verhältnis zu Russland und zum Ukraine-Konflikt. Dabei ist die Neuausrichtung der Deutschen Welle in eine gesamteuropäische Medienstrategie gegen Moskau eingebunden. Der diskursive Einfluss russischer Akteure soll über politische Gegenprogramme eingedämmt werden, aber auch durch restriktive Maßnahmen gegen regierungsnahe Journalisten. Das von Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg formulierte Ansinnen, russischen Medien "Paroli zu bieten" ist also Teil eines umfassenden Medienkrieges um die Köpfe der Menschen in West und Ost. Hier ein Zwischenresümee.

Über Jahre hinweg hatte die Deutsche Welle ein Nischendasein gefristet. In Deutschland war der steuerfinanzierte Sender kaum wahrgenommen, auf internationaler Ebene neben den großen Playern nie erstgenommen worden. Die Konsequenz: 2004 musste die Deutsche Welle 4,5 Millionen Euro einsparen, 2005 waren es sogar 8,5 Millionen. Es folgten interne Verteilungskämpfe und zermürbende Debatten darüber, welchen Programm gestrichen und welche Mitarbeitergruppen entlassen werden könnten.

Die massiven Einschnitte blieben am Ende zwar aus; erholt hat sich der Auslandssender von den Sparauflagen aber nie. Das lag allerdings auch daran, dass die Deutsche Welle nie eine klare Aufgabe hatte, geschweige denn eine Vision.

Doch eben das soll sich nach dem Willen des 2013 berufenen Intendanten Peter Limbourg ändern. Der ehemalige Nato-Korrespondent der Deutschen Fernsehnachrichten Agentur will den Auslandssender zum medialen Flaggschiff gegen ein zunehmend auf nationale Interessen bedachtes Russland ausrichten. Ausgebaut werden soll vor allem das englischsprachige Programm, aber eben auch russischsprachige Angebote.

Um die nötigen Ressourcen freizumachen, könnten zahlreiche kleinere Programme für den zentralasiatischen Raum, Lateinamerika und sogar China wegfallen. Man sehe die Aufgabe darin, "ausgewogenen Journalismus zu präsentieren, auch auf Russisch", sagte Limbourg der Wochenzeitung Die Zeit im April dieses Jahres, um auf den Ausbau des russischen Auslandsfernsehens Russia Today zu verweisen, das im Internet auch auf Deutsch präsent ist.

Gegen die russischen Medien vorzugehen, sei eine vorrangige Aufgabe, so Limbourg im Duktus des Kalten Krieges. "Unsere Werte in der Welt zu vertreten ist eine nationale Aufgabe", hieß es da. Und: Im Zuge der Umbrüche in der arabischen Welt haben man - gemeint sich westliche Akteure - gesehen, dass eine stärkere Präsenz sinnvoll sei. "Mit Soft Power", fügte Limbourg an: "Dazu würden wir uns auch zählen."

Das aggressive Auftreten des Intendanten hat zunächst Eindruck gemacht. Um zwölf Millionen Euro soll der Etat im Jahr 2016 steigen. Das prozentuale Plus von 4,5 Prozent ist zwar relativ angesichts der akkumulierten Budgetkürzungen der vergangenen Jahre. Dennoch hat Limbourg es geschafft, Entscheidungsträger in Berlin von seinem politischen Projekt zu überzeugen - und das trotz der argumentativen Schieflage. Denn während die eigenen Programme auf Russisch ausgebaut werden, ging die Deutsche Welle unlängst eine Kooperation mit dem chinesischen Auslandssender CCTV ein.

Im Bundestag sorgte das unter Medienpolitikern für einige Kritik. Lediglich bei entschiedenen Transatlantikern wie dem Obmann der Unionsfraktion, Roderich Kiesewetter, fand der neue, russlandkritische Kurs des Auslandssenders Zustimmung. "Eine gestärkte Deutsche Welle kann wirksamer Informationen und Signale der Unterstützung an die Menschen in Osteuropa senden, auch an die dort lebenden Millionen Auslandsrussen", sagte der Oberst a.D. der Bundeswehr gegenüber dem Handelsblatt.