Die lästige teure Endlagerfrage

Überall Probleme und explodierende Kosten, sogar Tote gibt es schon, bevor auch nur ein Atom-Endlager in Sicht ist

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Weltweit gibt es weiterhin kein einziges Endlager für hochradioaktiven Atommüll aus Atomkraftwerken. Während in Frankreich die geschätzten Kosten schon jetzt auf 35 Milliarden Euro explodieren und schon das "Forschungslabor" tödlich für Arbeiter ist, hat Finnland kürzlich den Bau eines Endlagers genehmigt. Deutschland sucht dagegen weiter nach einem Standort und im Juni soll feststehen, welche Kriterien er erfüllen muss. Aus der Atomkommission ist derweil durchgestochen worden, dass die Risiken und Kosten für die Zwischen- und Endlagerung, die nicht abschätzbar sind, den Steuerzahlern aufgebraten werden sollen. Australien will derweil mit Atommüll gute Geschäfte machen.

Eigentlich braucht es kaum noch einen weiteren Kommentar. Als die Pläne der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) am Montag durchgestochen wurden, die im vergangenen Oktober eingesetzt worden war, gingen die Börsenkurse angeschlagener Energieversorger und Atomkraftwerksbetreiber wie RWE oder E.ON steil nach oben. Sie waren am vergangenen Freitag erneut auf Talfahrt gegangen, schließlich hatte RWE gerade wegen der massiven Probleme die Dividende komplett gestrichen.

E.ON-Aktien waren Montag sogar der Favorit im Dax, sie stiegen um mehr als 5,6%. RWE stand mit 5,3% kaum nach. Sie trieben den Gewinn des Frankfurter Leitindex, der allerdings nur um knapp 2% zulegte. Für die Beobachter war klar, dass die steile Aufwertung von E.ON und RWE nur damit zu erklären ist, dass die Konzerne bei der Endlagerung um Milliardenrisiken befreit werden sollen.

Erneut sollen für die Atomkraftwerksbetreiber Extrawürste gebraten werden. Geplant ist nun, dass sie die Kosten und die Risiken für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls weitgehend auf den Bund abschieben können. Mussten die Kraftwerksbetreiber ihre Risiken nie ausreichend versichern, mussten sie seit Jahrzehnten auch den eigentlich nötigen Entsorgungsnachweis nicht wirklich erbringen, soll nun auch noch das Verursacherprinzip ausgehebelt werden. So titelte "Die Welt", der der vorläufige Endbericht der Atomkommission vorliegt: "Atomriesen sollen sich für 18 Milliarden freikaufen". Das "vertrauliche" Papier trage den Titel "Verantwortung und Sicherheit - Ein neuer Entsorgungskonsens".

Im Bericht der Kommission, denen Ole von Beust (CDU), Matthias Platzeck (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) vorstehen, wird eine klare Sprache gesprochen: "Die Übertragung der notwendigen Mittel für einen solchen Fonds, der hier auch die Zwischenlagerung umfassen soll, setzt kein finanzielles Volumen voraus, das die Existenz der Betreiber infrage stellen kann." Damit wird das Ziel sehr klar: Die Verursacher sollen nur in dem Umfang an den Kosten beteiligt werden, in dem sie sich es leisten können. Wieder einmal wurden Gewinne privatisiert, aber die Kosten sollen sozialisiert werden.

Die Stromkonzerne sollen nur nur noch voll verantwortlich für den Rückbau der Meiler sowie für die Verpackung und den Transport des Atommülls gemacht werden. Dafür sollen sie 18 Milliarden Euro an Rückstellungen bis 2022 in "geldlicher Form" in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen. "Die Kommission schlägt vor, dass der Staat durch eine Änderung des Atomgesetzes die Verantwortung für die Zwischenlagerung und ihre finanzielle Absicherung übernimmt", schreibt die Atomkommission. Bisher sind die Rückstellungen gebunden, welche die Atomkraftwerksbetreiber auf gut 38 Milliarden Euro beziffern. Sie stecken zum Teil in Kohle- und Gaskraftwerken, die ihrerseits ständig an Wert verlieren.

Geködert werden soll die Öffentlichkeit also damit, dass endlich auch Geld von den Verursachern in einen staatlichen Fonds eingezahlt wird. Bei einer Pleite könnte die Sache sonst noch deutlich teurer für den Steuerzahler werden, da beim Backen der Extrawürste für die Atomkraftwerksbetreiber zugelassen wurde, dass sie Rückstellungen selbst verwalten und damit gefährden können, wie sie es mit ihrer rückschrittlichen Energiepolitik getan haben. Die Konzerne sollen sich nun also für schlappe 18 Milliarden aus der Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung des hoch radioaktiven Mülls freikaufen können, die dann komplett an den Staat und an die Steuerzahler übergehen soll.

Das Modell kennt man schon aus dem absaufenden "Versuchs-Endlager" Asse. Dort hatte die große Koalition 2009 die Atomkraftbetreiber durch die Änderung des Atomgesetzes aus der Verantwortung genommen: "Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung trägt der Bund." Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erklärte 2009, die Sanierung könne "2, 3, vielleicht auch 4 Milliarden Euro" kosten. Zwischenzeitlich wurde die Summe auf 6 Milliarden angehoben, doch inzwischen werden die Kosten sogar schon auf 10 Milliarden beziffert.

Die Atomkommission bezieht sich bei den Kosten von 18 Milliarden für Zwischen- und Endlagerung auf die Gutachter Warth & Klein Grant Thornton, die von der Bundesregierung bestellt worden waren, um die Kosten zu ermitteln. Sie beziffern die gesamten Kosten für den Atomausstieg auf knapp 48 Milliarden Euro. Glauben muss man das nicht, wenn man sich anschaut, wie bei Atomprojekten - nicht nur in der Asse - die Kosten meist sehr deutlich über den politisch motivierten Anfangsschätzungen liegen, mit denen die Öffentlichkeit eingewickelt wurde. Und es gibt schon jetzt andere Studien, die von deutlich höheren Kosten ausgehen. Ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) geht von bis zu 70 Milliarden Euro für den Rückbau der Meiler und die Lagerkosten aus.