UN-Bericht zu Sri Lanka: Militär tötete 40.000 Zivilisten

Der Untersuchungsbericht kritisiert die Mitverantwortung der Vereinten Nationen für das Massaker

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Vor knapp zwei Jahren ging der 30-jährige Bürgerkrieg im südasiatischen Inselstaat Sri Lanka mit einem Sieg der Armee zu Ende. Präsident Mahinda Rajapakse feiert sich seither als Lichtgestalt, die das Land heldenhaft vom Terror der tamilischen Guerillaorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) befreit hat.

Über die Opfer unter der Zivilbevölkerung (Das tägliche Blutbad in Sri Lanka) gibt es allerdings noch immer keine offiziellen Zahlen. Die Regierung behauptet bis heute ernsthaft, es sei während des gesamten Krieges 2008/2009 "kein einziger Zivilist" getötet worden. "Es gab keine Menschenrechtsverletzungen. Es gab keine zivilen Opfer" - so Präsident Rajapakse gegenüber dem Time Magazine. Eine Position, die der Economist nun als "große Lüge" bezeichnete (Sri Lanka: Regierung verkündet Sieg über Rebellen).

Denn immer wieder gelangen Berichte und vor allem sehr viele von Soldaten gemachte Fotos und Videos (Streit um Video von Kriegsverbrechen in Sri Lanka) an die Öffentlichkeit, die offenkundig Gräueltaten der Regierungstruppen zeigen. Viele Zeugen berichten auch von Kriegsverbrechen der Rebellen.

Deshalb beauftragte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon im Juni 2010 ein Expertenpanel damit, einen Bericht über diese Ereignisse anzufertigen. Geleitet wurde das Gremium von dem früheren indonesischen Generalstaatsanwalt Marzuki Darusman, Jasmin Sooka von der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission und dem US-Rechtsprofessor Steven Ratner.

Der Militärseinsatz kostete 40.000 Zivilisten das Leben

Der nun mit großer Verzögerung erschienene 200-seitige Report of the Secretary-General's Panel of Experts on Accountability in Sri Lanka widerspricht den Behauptungen der srilankischen Regierung: Es gebe "glaubwürdige Anschuldigungen" ernster Verletzungen internationalen Rechts durch Regierungstruppen und die LTTE, einige davon "reichen bis zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit", stellt der Report fest.

Es ist vor allem die Dimension der Massaker an Zivilisten, die erschreckend ist und viele Fragen aufwirft. So kommt der UN-Report anhand einer großen Anzahl "glaubwürdiger Quellen" zu dem Schluss, dass es zwischen Januar und Mai 2009 mehr als 40.000 getötete Zivilisten gegeben haben könnte. Die meisten hätten ihr Leben in den letzten Tagen vor Kriegsende am 18. Mai verloren.

Die Armee bombardierte systematisch Flüchtlingslager und Hospitäler

Der Report hebt hervor, dass der Angriff auf Zivilisten wiederholt und systematisch, also absichtlich erfolgte. "Die meisten zivilen Opfer hat es in der Endphase des Krieges durch Bombardierungen der Regierung gegeben." Das Militär habe eine für die tamilische Zivilbevölkerung eingerichtete No-Fire-Zone "systematisch" mit schwerer Artillerie beschossen. Außerdem seien "systematisch" immer wieder Hospitäler bombardiert sowie gezielt Nachschublinien für Lebensmittel, UN-Zentren und Schiffe des Roten Kreuzes angegriffen worden.

Weiter habe es zahlreiche Vergewaltigungen durch Regierungssoldaten gegeben, Gefangene seien gefoltert und reihenweise exekutiert worden. Das Panel fordert Sri Lanka auf, dafür die Verantwortung zu übernehmen.

Die LTTE exekutierte tamilische Flüchtlinge

Die tamilischen Rebellen benutzten die Zivilbevölkerung als menschliches Schutzschild und hätten "aus nächster Nähe" tamilische Flüchtlinge erschossen, die versuchten, aus der letzten von den Rebellen kontrollierten Enklave zu flüchten. In der Endphase hätte die LTTE Zwangsrekrutierungen aller Altersgruppen durchgeführt, bis hin zu 14-jährigen.

Diese Passagen des Berichts werden viele Tamilen in der "Diaspora" nur ungern zur Kenntnis nehmen. Auch zwei Jahre nach der Vernichtung der LTTE in Sri Lanka halten sie noch immer die Tiger-Flagge hoch und glauben zu 90 Prozent daran, dass ihr als Sonnengott verehrter Führer Prabhakaran noch lebt.