Schattenbanken

Wie reguliert man die dunkle Seite der Finanzindustrie?

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Bislang sind staatliche Akteure an der globalen Regulierungsfront kaum von der Stelle gekommen. Die Preisfrage lautet, an welcher Stelle soll die Zähmung der Schattenbanken überhaupt ansetzen, um eine durchgreifende produktive Wirkung zu entfalten. Handelt es sich am Ende doch nur um eine drittklassige Theateraufführung?

Was Schattenbanken sind, war bisher eine theoretische Diskussion, gedacht vor allem für komplex denkende Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler, die um Worte rangen. Und zwar für ein Phantom, das sich kaum wirklich greifen oder gar bändigen ließ - so wie der Drache in der Nibelungen-Sage, der stetig Feuer speit.

Mittlerweile, immerhin vier Jahre nach Beginn der Finanzkrise und ein Jahr, nachdem die Staatsschuldenkrise in vollem Ausmaß sichtbar wurde, ist der nach ein bisschen Finanzdemokratie Ausschau haltende Wutbürger auch nicht viel schlauer. Deshalb versucht es der Autor mit einer vorsichtigen, möglichst neutral gehaltenen Definition dessen, was sich hinter einem schillernden Begriff verbergen könnte.

Schattenbanken sind zunächst ein paralleles Geldwesen, das sich - je nach kultureller Ausprägung - durch den informellen Geldtransfer direkt zwischen Menschen oder Gruppen auszeichnet. Es umgeht im Sinne einer finanziellen Tauschwirtschaft die offiziellen Mechanismen von Staaten, Regierungen und Banken. Damit gemeint ist aber nicht jeder x-beliebige Bankkredit, wie ihn etwa unser Bundespräsident Christian Wulff in Anspruch nahm, der in den Bilanzen zweifellos nicht immer an der richtigen Stelle ausgewiesen wurde.

Persönliche Beziehungen stellen bei dieser informellen Variante der Schattenbanken das zentrale Bindeglied in einem sorgsam nach außen gehüteten Vertrauensgeflecht dar. Und genau deshalb wäre generell eine deutlich größere Transparenz der Geldströme vonnöten. Jeder Weg der Zahlenströme sollte wie bei einer physischen Ladung via GPS zu orten sein, sofern deren geschäftlicher Endzweck nicht nach außen sichtbar ist, sondern in einen virtuellen Verschiebebahnhof einmündet, den selbst versierte Experten kaum überblicken können.

Schattenbanken sind aber zweifellos auch eine kriminell organisierte "Schattenwirtschaft", die versucht, den Geldfluss mit allen Mitteln auf ihre eigenen Konten umzuleiten. Schattenbanken sind aber vor allem eines, ein aus dem Ruder gelaufenes, unreguliertes, nach außen jedoch vollkommen "legal" getarntes Finanzsystem, das sich durch seine eigenen Exzesse in den Ruin zu treiben gedenkt.

Vielfältige Definitionen

Im Fachjargon bezeichnen Experten das Umgehen von Steuern sowie das elegante Umschiffen von offiziellen Transportwegen als Offshore-Banking. Bei dieser Variante erweist die Finanzindustrie der Gesellschaft dadurch einen Bärendienst, indem sie den Unternehmen einen Lösungspfad durch diese Welt der Schlupflöcher hindurch ebnet.

In welche geographischen Zielgebiete der Treasure Islands, also der Steuerparadiese, die großen Geldsummen letztlich einmünden, das hat der britische Autor und Journalist Nicholas Shaxson in seinem gleichnamigen Buch über Jahre hinweg recherchiert und detailliert beschrieben.

In die Kategorie Schattenbanken sind auch Hedge-Fonds oder Geldmarktfonds einzusortieren, die an der Kreditvergabe beteiligt sind, jedoch aufgrund ihrer rechtlichen Struktur kaum einer Regulierung unterliegen. Zu den Initiatoren dieser meist nur mit geringem Eigenkapital unterlegten Geschäfte gehören etwa Private Equity, Vermögensverwalter, Staatsfonds, Broker und Zweckgesellschaften. Es gibt eine lange Liste, aber nicht alles und jeder ist gleich eine Schattenbank.

Selbst konventionelle Banken werfen trotz der gestiegenen Eigenkapitalanforderungen immer längere Schatten, denn deren Verbindlichkeiten dürften mindestens ebenso hoch sein wie jene der unregulierten Marktteilnehmer. Es fällt deshalb schwer, eine idealtypische Grenzlinie zwischen einzelnen Akteuren zu ziehen, die sich dem gängigen Klischee von grauen Männern mit dunklen Koffern entziehen. Zumal sich auch die Internationale Staatengemeinschaft als Sachwalter von Gemeinschaftsgütern längst als fragwürdiger Akteur erwiesen hat.

Das Problem erreicht den Mainstream

Zumindest aber dürfen wir festhalten: Banken tun nicht nur Gutes, wie es der US-Ökonom Robert Shiller kürzlich im Handelsblatt, sie sind auch Teil eines großen Spiels an den Finanzmärkten, das mit dem Begriff Schattenbanken nur unzureichend etikettiert werden kann. Denn nur mit dem Finger auf andere Bad Banks zu zeigen, kann dazu führen, dass man die eigentlichen Strippenzieher hinter den Kulissen übersieht.

Als nüchternen Befund jenseits von Schwarz-Weiß-Malerei steht vorerst somit nur die wenig hilfreiche Erkenntnis, Schattenbanken sind überall und nirgends. Wir sind quasi immer von ihnen umgeben. Wir tragen sie in uns und sie sind um uns herum, nur haben wir angeblich bis vor kurzem sie doch nicht so richtig bemerkt. Jetzt aber hat der Wutbürger Lunte gerochen.

So berichtete etwa die Basler Zeitung kürzlich darüber, wie die Schweizer Großbank Credit Suisse in undurchsichtige Finanzkonstrukte involviert ist, die immerhin eine Größenordnung von mehreren hundert Milliarden Franken umfassen sollen.

Doch man braucht gar nicht den Gang über die ohnehin nur virtuell bestehende Grenzlinie ins Nachbarland anzutreten. Es gibt, oder sollte man sagen, es gab bis dato einen regen Zahlungsverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz. Eine Studie der Unternehmensberatung Booz & Company kommt zu dem Ergebnis, dass in den nächsten Jahren bis zu 100 Milliarden Franken an Vermögen von Schweizer Banken ins Ausland abfließen.

Bislang schien einer derartigen Größenordnung angesichts des globalen Geldausstoßes jedoch der Charakter von "Peanuts" anzuhaften, davon ausgehend, dass wir es bei den Schattenbanken mit einer Größenordnung von zwei bis dreistelligen Billionensummen zu tun haben. Offiziell nachprüfbare Zahlen kann es in diesem diskreten Metier ohnehin keine geben.

Da wir es nun, einem Artikel in der Wochenzeitung Zeit folgend, mit einer besonderen, quasi nicht ganz volljährigen Risikogruppe ohne erwachsene Aufsichtspersonen zu tun haben, stellt sich die brennende Frage, wie durchgreifend bzw. Erfolg versprechend die derzeit diskutierten Regulierungsansätze sein können.

Welche Länder treiben und blockieren

Der bisherige Status quo sieht vereinfacht ausgedrückt so aus: Deutschland und Frankreich sind geneigt, die Auswüchse der gefräßigen Finanzindustrie ein bisschen zu regulieren. Die Briten halten davon gar nichts, und in den USA gibt es ebenso viele Befürworter wie Gegner, was bedeutet, dass die Thematik nicht so recht von der Stelle kommt.

Wo man konkret ansetzen könnte, beschreibt in konzeptionellen Ansätzen Jochen Sanio, Chef der obersten deutschen Aufsichtsbehörde BaFin, und zwar in einem längeren Beitrag in der November/Dezember-Ausgabe 2011 im BaFin-Journal.

Was also gibt es zu berichten? Es soll künftig bei der internationalen Regulierung von Schattenbanken jegliche, nicht von Banken durchgeführte Kreditintermediation erfasst werden, insbesondere wenn diese auf mangelhaften Risikotransfer oder undurchsichtige Hebelwirkungen (Leverage) hindeutet. Der Baustellen gibt es indes nur allzu viele, was die drohende Ohnmacht der Regulierungsarmada nicht gerade verkleinert.

Für die deutschen Bürger zumindest gibt es eine tröstliche Nachricht: Während das Schattenbankensystem in Ländern wie Deutschland, Kanada oder Australien eine untergeordnete Rolle spielt, ist es nach offizieller Lesart der BaFin in den USA sehr ausgeprägt. Zwischenbilanz: Die internationale Task Force kommt mit offiziellem Segen der G20-Staaten sowie der OECD zu dem finanziellen Endergebnis, dass wir es bei den Schattenbanken mit einer Größenordnung von rund 60 Billionen US-Dollar zu tun haben.

Britische FSB führt fragwürdige Oberregie

Jetzt wo die finanziellen Fakten auf dem Tisch liegen, könnte es ans Eingemachte gehen. Den einen oder anderen Beobachter mag es auf den ersten Blick verwundern, dass die Regulierungsagenda nun ausgerechnet von dem marktliberal dominierten Finanzstabilitätsrat FSB (Financial Stability Board) getragen wird, einer Einrichtung, von der gerade deshalb nicht unbedingt ein konsequentes Vorgehen zu erwarten sein dürfte. Genannt sind insgesamt fünf Handlungsfelder: Indirekte Regulierung, Geldmarktfonds, Andere Schattenbanken-Entitäten, Verbriefung und Wertpapieranleihe. All dies nachzulesen etwa in einem vorläufigen Hintergrundpapier vom FSB.

Unter die Lupe genommen werden sollen nach offizieller Lesart dabei vor allem die unsichtbaren Querverbindungen zwischen legalem und illegalem Finanzsystem. Zahlreiche nationale wie internationale Organisationen sind in den langwierigen Entscheidungsprozess involviert, was dem Ganzen den Anstrich eines geduldigen Papiertigers verleiht.

Hoffnungsträger FATCA?

An dieser Stelle könnte der Artikel nun getrost ein Ende finden, gäbe es da nicht Einschätzungen von Insidern in der Banken- und Finanzwelt, die tatsächlich konkret damit rechnen, dass das bisherige Schattenbankensystem in seiner derzeitigen Form nicht mehr weiter existieren kann. Oder wie es Präsident Jochen Sanio via Interview im BaFin-Journal so ausdrückt, er sähe allmählich Licht im Dunkel des Paralleluniversums, als deren Hauptverursacher er im Übrigen die Riege der Hedge-Fonds-Anbieter ansieht.

Wie aber kann man Schattenbanken regulieren, die immer einen Schritt voraus und einen Tick schneller sind. An dieser letzten Wegkreuzung zur Regulierung kann uns nun ausschließlich die Informationstechnologie jenseits von Heldenmythen etwas Trost spenden. Sie kann nicht nur dazu dienen, Spuren zu verschleiern, sondern diese auch sichtbar zu machen.

Im konkreten Fall beschäftigt sich in den USA die Banken- und Versicherungsbranche etwa mit FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act). Dahinter verbirgt sich das Ziel, an Informationen über die Einlagen von im Ausland lebenden steuerpflichtigen Personen zu gelangen. Davon betroffen sind vor allem Kreditinstitute und Versicherer, die aufgefordert sind, Daten ihrer Kunden offen zulegen und an die US-amerikanische Finanzbehörde zu melden.

Schwarze Liste soll bis Jahresende stehen

Etwas übertrieben sind zwar Überschriften wie jene im Handelsblatt: Finanzbranche zittert vor US-Monstergesetz. Dennoch fürchtet die Finanzindustrie auf globaler Front diesen bürokratischen Knebel, weil die Umsetzung der Vorgaben erstens Kostens verursacht, aber auch weil die regulatorischen Anforderungen andeuten, dass sich die eine oder andere Spur des Geldes doch bis zum Urheber trotz seiner kodierten Form zurück verfolgen lässt.

Die Kritiker der Finanzindustrie glauben zwar nicht an den großen Durchbruch, jedoch an die Politik der kleinen Schritte. Denn auch die Versicherer stehen als Zuarbeiter der Schattenbanken am Pranger. Konkrete Aussagen vom neuen Vorsitzenden des FSB Mark Carney klingen allerdings reichlich überzogen, wonach es bald eine "schwarze Liste" der Versicherungsgesellschaften geben soll, bei deren Erstellung man deutlich weiter fortgeschritten sei, als bei den systemrelevanten Großbanken und deren illegitimen Abkömmlingen der Fall.

Analog zu den so genannten Banken-Stresstests fürchtet die Branche nun weniger die Regulierung, sondern konkrete Namen. So kursieren derzeit nicht nur die Adressen von globalen Spielern in der Regulierungsszene, sondern auch die Namen regional operierender Institute wie die Österreichische Erste Bank.

Im März dieses Jahres will der FSB dazu weitere Details mitteilen. Die Form der Listenführung von Schattenbanken dürfte die latente Nervosität in der Managerriege jedenfalls weiter erhöhen, wenngleich am Ende nur konkrete Ergebnisse zählen. Aber allein am virtuellen Pranger zu stehen, bedeutet gerade in Investorenkreisen, das Risiko einzugehen, sich einen schleichenden Vertrauensverlust einzuhandeln. Und wie wir wissen, ist Kapital das scheueste Reh von allen Tieren auf der freien Wildbahn.

Zum Autor: Lothar Lochmaier arbeitet als Freier Fach- und Wirtschaftsjournalist in Berlin. Im Mai 2010 erschien sein Telepolis-Buch: Die Bank sind wir - Chancen und Zukunftsperspektiven von Social Banking. Er betreibt das Weblog Social Banking 2.0.. Vor kurzem veröffentlichte Lothar Lochmaier außerdem als eBook den Roman Schattenbanken - Computerhacker nehmen die fiktive Frankfurter Handelsbank ins Visier.

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