Wer die Verbindungsdaten speichert

Wie haben die Flatrate-Anbieter das Darmstädter Urteil zum Datenschutz umgesetzt?

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Zur Vorgeschichte: Der Telepolis-Leser Holger Voss hatte im Juni 2002 einen erkennbar sarkastischen Kommentar gepostet, gegen den ein anderer Forumsteilnehmer, dessen gewaltverherrlichenden Duktus der bekennende Kriegsgegner Voss aufgegriffen und ironisch überspitzt hatte, Strafanzeige stellte (vgl. Engine of Justice). In den darauf folgenden Verhandlungen wurde festgestellt, dass Voss keine strafbare Handlung begangen und die Staatsanwaltschaft den angeblich inkriminierenden Kommentar offenbar nicht einmal ganz gelesen hatte (Eine deutsche Justizposse).

Voss ging nun gerichtlich gegen seinen Provider T-Online vor, der seine IP-Nummer entgegen den Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes gespeichert und an die Staatsanwaltschaft weitergegeben hatte. Im Juli 2005 entschied das Amtsgericht Darmstadt, dass diese Praxis der Speicherung von IP-Nummern bei Flatrates rechtswidrig ist. T-Online versuchte sich gegen diese Entscheidung zu wehren, der Bundesgerichtshof lehnte jedoch im November 2006 die Beschwerde gegen das Urteil des LG Darmstadt ab (vgl. BGH bestätigt Urteil zur Löschung von IP-Adressen). Seitdem sind gut zwei Monate vergangen, in denen die deutschen Flatrate-Anbieter Zeit hatten, sich auf die Rechtslage einzustellen.

Telepolis befragte 60 Flatrate-Anbieter aus den Bereichen DSL, Kabel, Powerline und WiMAX nach ihrer Praxis zur IP-Nummernspeicherung. 18 Anbieter antworteten eindeutig, dass Sie bei ihren Flatrate-Angeboten keine IP-Nummern speichern. Vor allem kleine Unternehmen wie BetaPower erwiesen sich nicht nur als die besseren Datenschützer, sondern antworteten auch erheblich schneller als etwa T-Online, AOL und freenet. Aber auch einige große Unternehmen wie Strato und Versatel verneinten die Speicherung von IP-Nummern.

Drei der Anbieter - 1&1, GMX und Gelsen-Net - verwiesen auf den Backbonebetreiber, der die IP-Nummern vergibt und sie ebenfalls speichern kann. 1&1 und GMX nutzen als Backbone die eher speicherungsfreudige Telekom, GelsenNet dagegen Versatel - ein Unternehmen, das selbst nicht speichert. Wenn GMX und 1&1 also die Wahrheit sagen und tatsächlich keine Daten vorhalten, dann kann eine beim Backbonebetreiber gespeicherte IP-Nummer nicht mit Namen und Adresse des Kunden in Verbindung gebracht werden.

12 Anbieter gaben offen zu, dass sie die IP-Nummern auch bei Flatrate-Angeboten speichern, darunter immer noch T-Online, die aber Verbindungsdaten teilweise auf Anfrage löschen. Dabei reichen die Fristen von 7 Tagen bei M-net und KielNet bis zu einem sehr unbestimmten "solange erforderlich" beim Kabelanbieter PrimaCom. In Sachen Datenschutz relativ schlecht fährt man auch mit AOL: Dort werden die IP-Nummern und andere Kundendaten nach eigenen Angaben bis zu sechs Monate nach Ende des Vertrages gespeichert.

Bei den Begründungen erwiesen sich manche Anbieter als erfinderisch: das MCI WorldCom Unternehmen 1click2 etwa argumentierte mit "zusätzlichen Leistungsfeatures wie den jederzeit online über den Kundenbereich einsehbaren Trafficverbrauch", den alle ihre Flatrates enthielten. M-net verwies auf "Erfahrungen", die gezeigt hätten, "dass viele Kunden sehr dankbar sind, wenn wir sie auf diese Weise darauf hinweisen konnten, dass ihr Computer (z.B. durch einen Trojaner) für rechtswidrige Zwecke missbraucht wird". Kabel Deutschland berief sich auf eine angebliche "gesetzliche Verpflichtung", ohne allerdings die genaue Rechtsgrundlage nennen zu können. Congster versuchte - etwas präziser - seine Praxis mit einen Verweis auf die geplante Vorratsdatenspeicherung zu rechtfertigen. Diese aber ist noch längst nicht in Kraft und verfassungsrechtlich höchst umstritten - im Gegensatz zu den Datenschutzbestimmungen, gegen die der Provider verstößt.

Die größte Gruppe aber - 30 - versteckten sich auch nach mehreren Anfragen hinter einer Mauer des Schweigens. Eine Praxis die von manchem Unternehmen auch bei Anfragen und Beschwerden von Kunden ausgiebig erprobt ist.