Malikis letztes Gefecht

Security-Crackdown in Bagdad

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Mit vier unterschiedlichen Kriegen sieht sich der amerikanische Verteidigungsminister Gates im Irak konfrontiert: einen würden die Schiiten gegeneinander hauptsächlich im Süden führen, der zweite sei ein „sectarian conflict“, hauptsächlich in Bagdad, „aber nicht nur dort“, der dritte sei der Krieg gegen den Widerstand und der vierte der Krieg gegen al-Qaida, wozu er anmerkt, dass al-Qaida zu gegebenen Zeiten überall angreife. Seit Mitte der Woche läuft nun die von Präsident Bush initiierte große Offensive in Bagdad mit dem Ziel, die vom Bürgerkrieg heimgesuchte Hauptstadt wieder sicher zu machen: die erste, wichtigste Front für den Sieg im Krieg Nummer 2.

Es ist der dritte Versuch dieser Art, nach Operation Forward Together I (vgl. Mit dem falschen Pass am falschen Ort) und deren Fortsetzung (vgl. Die sterbende Stadt) im Sommer letzten Jahres. Die Einsatzkräfte wurden noch einmal verstärkt: 90. 000 Soldaten , irakische Sicherheitskräfte und US-Truppen sollen die Stadt endlich unter Kontrolle bringen gegen die berüchtigten Milizen der Mahdi-Armee, der Badr-Organisation, gegen die sunnitischen Baathisten-Guerillas und die Terroristen von al-Qaida.

Wieder einmal steht viel auf dem Spiel

Wieder einmal steht viel auf dem Spiel, die Sicherheit der Bewohner, die von allen Kampfparteien bedroht wird, das politische Überleben des Premiers Al-Maliki und die Antwort auf die Frage, was amerikanische Truppen im vierten Jahr nach der Invasion überhaupt noch zum Besseren bewegen können.

So einfach das Kalkül ist - mehr Personal für Checkpoints und Patrouillen, verstärkte Razzien, strategische Zentralen („joint security sites“) in neun Bezirken, die von Irakern wie von Amerikanern dauerhaft besetzt werden sollen -, so groß sind die Hindernisse, welche die irakische Realität stellt: Die Bevölkerung präsentiert sich den Soldaten gegenüber als mißtrauisch und wenig kooperationsfreudig, die irakischen Truppen treten bei weitem nicht in der versprochenen Anzahl ihren Dienst in Bagdad an, ihre Kommandeure haben andere Viertel und Gegner im Visier als die amerikanischen Planer und einer der ausgemachten Gegner, die al-Mahdi-Armee, verschwindet von der Bühne. Der groß angekündigte Security-Crack-Down verspätet sich um einige Tage, schiitische Bewohner beschweren sich über die noch viel schlechtere Sicherheitslage als zuvor, weil die Checkpoints, die von Milizen besetzt waren, tagelang frei blieben.

Dass Premierminister Maliki die Sicherheitsoffensive so prononciert als seine Initiative ausgibt, ist schon das erste schiefe Manöver in der Operation, die unter Umständen das Gegenteil von dem hervorbringt, was beabsichtigt wird, nämlich die Stärkung der Milizen. Die Bevölkerung läßt sich wahrscheinlich genausowenig darüber hinweg täuschen, dass der Impuls und essentielle strategische Vorgaben für die Offensive von der amerikanischen Regierung kommen, wie von dem bitteren Fakt, dass im jeweiligen Stadtviertel niemand kompetenter für ihre Sicherheit sorgen kann als die ortsansässigen Milizen.

Bauernopfer und Täuschungsmanöver?

Auch die große Erfolgsmeldung der letzten Woche, die Festnahme des Vizegesundheitsministers und al-Mahdi-Mitglieds Hakim al-Zamili, wird von manchen als Bauernopfer und Täuschungsmanöver seitens des Premierministers bewertet, der den Amerikanern gegenüber eine Stärke im Kampf gegen die Sadristen verspricht, die er nicht halten kann. Malikis politisches Schicksal hängt im Inneren von der Unterstützung der Partei von Muktada as-Sadr und SCIRI ab. Wie sollte er da entschieden gegen deren Milizen vorgehen können? Der Großteil der irakischen Sicherheitskräfte, welche die Operationen nach offiziellem Bild anführen sollen, besteht aus Schiiten, angeblich einige auch mit engeren Beziehungen zu den genannten Parteien. Kein Wunder also, dass sich die Verspätung der Operation, nach Angaben von amerikanischen Militärs dadurch erklären lässt, dass irakische Kommandeure zuerst in sunnitischen Viertel „aufräumen“ wollten, bevor man sich um Viertel, die von schiitischen Milizen kontrolliert werden, kümmern sollte.

Muktada as-Sadr zeigt sich wieder einmal als gewiefter Taktiker. Er zieht seine Mahdi-Armee einfach von der Bildfläche ab. Die Entwaffnung seiner Soldaten wird auch diesmal nicht glücken, und an der Bedeutung der Mahdi-Armee für Sadr-City wird sich durch den Sicherheits-Crackdown auch nichts ändern. Wenn sich zudem zeigt, dass die Mahdi-Armee sich diszipliniert an die Vorgaben hält, woran allerdings viele zweifeln, dürfte die Macht von Sadr auch nach dieser amerikanischen Großoffensive nicht nur unbeschädigt bleiben, sondern weiter wachsen.

Für die politische Zukunft von al-Maliki als Premierminister sieht es dagegen nicht gut aus. Den Amerikanern dürfte dies nicht ungelegen sein; neue politische Lager sollen sich formieren und man darf gespannt sein, mit welchem Geschick sich die USA aus einer Position manövrieren können, die bislang danach aussieht, dass sie - obwohl sie die stärkste Kraft im Irak sind - , doch für Interessen eingespannt werden können (vgl. Bequemer Vorwand für ein "Massaker"), die ihren Zielen eigentlich entgegenlaufen: die Stärkung der Milizen und die Stärkung der schiitischen Partei (SCIRI) mit den besten Verbindungen zu Iran.