Künstliches Genom eines Bakteriums geschaffen

Das Institut von Craig Venter, Star und Vorreiter der Synthetischen Biologie, meldet den nächsten erfolgreichen Schritt auf dem Weg zum künstlichen Leben

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Das Craig Venter Institute berichtet von einem neuen Durchbruch auf dem Weg zum künstlichen Leben oder zur synthetischen Biologie (Leben 2.0 oder die Herstellung von "Einzellerfabriken"). Die Wissenschaftszeitschrift Science veröffentlichte den Artikel in ScienceExpress, schließlich kommt es nicht nur den Wissenschaftlern auf die Aufmerksamkeit an, erste zu sein, sondern auch den Zeitschriften, die in Konkurrenz mit den anderen um Aufmerksamkeit buhlen. Zeit ist in der Aufmerksamkeitsökonomie ein entscheidender Faktor, was Craig Venter auch schon berühmt machte und Geld einbrachte, als er mit einer schnelleren Sequenzierungsmethode das gemächliche, mit öffentlichen Geldern finanzierte Humangenomprojekt mit der Parole Speed Matters unter Druck setzte und überholte.

Jetzt also haben die Wissenschaftler des von ihm gegründeten Instituts erneut eine Pioniertat vollbracht, wenn man ihrer Darstellung und dem Peer Review von Science Glauben schenkt. 2003 wurde bereits im Rahmen des Minimalgenomprojekts der erste künstliche Virus zusammengebaut (Virus aus 5.000 künstlichen Basenpaaren in nur 14 Tagen hergestellt). 2007 reichte Venter den ersten Patentantrag für ein künstliches Bakterium ein. Darauf folgte die erfolgreiche Übertragung des vollständigen Genoms eines Bakteriums in ein anderes eingebaut (Leben 2.0: Durchbruch bei der Synthetischen Genomik). Das wäre ein wichtiger Schritt, um ein künstliches Genom in eine Zelle einzubauen und so ingenieursmäßig ein künstliches Lebewesen mit bestimmten Eigenschaften schaffen zu können, worauf Venter spekuliert.

Lineare Darstellung der Gensequenz von M. genitalium JCVI-1.0. Bild: JCV-Institut

In der Nachahmungs- oder Rekonstruktionsphase scheint man nun im Venter Institute erreicht zu haben, das vollständige Genom eines Bakteriums künstlich herzustellen. Dabei handelt es sich um die 580.076 Basenpaare des Bakteriums Mycoplasma genitalium, das das kleinste bislang bekannte Genom eines Bakteriums besitzt. Die Wissenschaftler nennen die künstliche Version M. genitalium JCVI-1.0 und verewigen damit ihren Boss, dessen Initialen das neue Genom trägt, während sie gleichzeitig darauf hinweisen, dass es sich nur um eine verbesserungsfähige Grundversion handelt.

Damit habe man den zweiten Schritt auf dem Weg zur Herstellung eines künstlichen Lebewesens gemacht. Der dritte und abschließende bestehe nun darin, das künstliche Genom in eine Bakterienzelle einzubauen und so ein lebendiges Bakterium zu schaffen. Das aber dürfte vorerst der wirklich entscheidende Schritt sein, weswegen Kritiker Venters und der Synthetischen Biologie wie die ETC Group noch spöttisch anmerken: "Venters Institut hat die längste, von Menschen gemachte Sequenz einer künstlichen DNA hergestellt (die nicht funktioniert)."

Die Länge sei nicht wichtig, meinen sie, sondern es komme darauf an, wie klug die DNA ist. Allerdings würde dann, wenn es gelänge, ein künstliches Genom in eine Zelle zu packen, die durch die Gene gesteuert wird, noch immer nicht wirklich Leben geschaffen, sondern letztlich nur umprogrammiert oder verändert.

Das künstliche Genom von M. genitalium JCVI-1.0 aufgenommen in einer Zeit von 0,6 Sekunden. Bild: JCV-Institut

Allerdings ist es schon wichtig, lange Sequenzen aus DNA herstellen zu können, die nicht brechen. Das ist eine notwendige Bedingung, um aus einem möglichen Lebewesen mit einem Minimalgenom, das gewissermaßen als Karosserie dient, unterschiedliche Bakterienmaschinen oder noch komplexere Lebewesen bauen zu können. Nach der Herstellung der künstlichen, durch Sequenzierung als "fehlerfrei" bestimmten genetischen Codes haben die Wissenschaftler das Bakteriengenom auf 101 Abschnitte heruntergebrochen, die jeweils zwischen 5.000 und 7.000 Basenpaare lang waren. Eingebaut in diese Pakete wurden "Wasserzeichen", kurze, nicht im Bakterium vorkommende Sequenzen, um für die Analyse das künstliche und das natürliche Genom unterscheiden zu können. Überdies wurde ein Gen durch einen antibiotischen Marker gestört, um die Infektionsfähigkeit des künstlichen Genoms abzuschalten und so weiteres Identifizierungsmerkmal zu haben. Insgesamt wurde das künstliche Genom mit 582.970 daher etwas länger als das natürliche.

Aus den kleineren Paketen mit der künstlichen Gensequenz wurden durch Überlappung und Verschmelzung der identischen Endstücke Schritt für Schritt größere Sequenzen hergestellt und mit der Hilfe des Bakteriums E. coli geklont. E. coli scheiterte aber daran, den vorletzten Schritt machen zu können und aus den Paketen mit 144.000 Basenpaaren (1/4-Genom) Pakete mit dem halben Genom zu klonen. Endgültig zusammengebaut wurden die vier letzten Pakete deshalb schließlich mit der Hilfe von Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae), wobei deren Reparaturmechanismus der homologen Rekombination genutzt wurde. Das aus künstlich erzeugten Gensequenzen zusammengebaute Genom wurde schließlich sequenziert, um zu bestätigen, dass es - abgesehen von den eingebauten Wasserzeichen - dieselbe Struktur wie das natürliche Genom aufweist.

Warum die Wissenschaftler dann nicht auch gleich versucht haben, das künstliche Genom in eine Zelle zu implantieren, um tatsächlich das erste Lebewesen mit künstlich hergestellten Genen zu schaffen, wäre spannend zu erfahren. Wollten sie nur schnell an die Öffentlichkeit, um neue Aufmerksamkeit und damit auch neue Forschungsgelder auf sich zu lenken? Oder ist der Weg von der zweiten Stufe zur dritten doch wesentlich schwieriger, das nachgebaute künstliche Genom also noch nicht geeignet, tatsächlich in eine Zelle eingebaut zu werden und dort die Steuerung übernehmen zu können?