Das Schwafeln der Lämmer

Gerade wurde das Bad-Bank-Gesetz verabschiedet, da gehen die Macher schon wieder auf Distanz dazu

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Die Banken werden auf Kosten der Steuerzahler saniert, doch das angeblich angestrebte Ziel, dass sie die Unternehmen und Verbraucher mit Krediten versorgen, stellt sich nicht ein. Inzwischen sehen sich unzählige Firmen in einer Kreditklemme und deshalb poltern Politiker aller Couleur los, sie wollten energisch mit Maßnahmen eingreifen, "die es noch nicht gegeben hat". Allerdings erst nach den Wahlen, falls sie erneut gewählt werden. Derweil wurde mit dem Bad-Bank-Gesetz eine Möglichkeit zum Gegensteuern versäumt.

In der großen Koalition hat sich eine merkwürdige Regierungsform eingebürgert. Zunächst werden Gesetze beschlossen, die sofort nach der Verabschiedung von denen kritisiert werden, die sie beschlossen haben. Wortgewaltig wird dann ein schärferes Vorgehen angekündigt. Wenn es um "Toxisches" geht, sei es strahlender Atommüll oder "toxische Wertpapiere", drängen sich die Parallelen geradezu auf. Auch die Begünstigten sind ähnlich oder gleich. So wurden mit der Novelle des Atomgesetzes die "Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung" des absaufenden und einstürzenden "Versuchsendlagers" in der Asse genauso voll auf den Bund und damit auf den Steuerzahler abgewälzt, wie es jetzt mit dem am Freitag verabschiedeten Bad-Bank-Gesetz passieren soll.

Ähnlich auch die Vorgehensweise. Nach der Reform des Atomgesetzes etwa polterte der zuständige Umweltminister Sigmar Gabriel wahlkampfwirksam los und forderte plötzlich eine Steuer, um die Betreiber der Atomkraftwerke, die ihren Müll billig in der Asse versenken durften (Wer zahlt für Sanierung von Asse II?), doch noch an den Kosten zu beteiligen. Da fragte man sich, warum gerade ein Gesetz gemacht wurde, das genau das Gegenteil vorsieht.

Noch krasser, weil die Wahlen nun direkt vor der Tür stehen, stellt sich die Lage beim Bad-Bank-Gesetz dar. In der letzten regulären Sitzungswoche des Bundestages in dieser Wahlperiode hat das Parlament am Freitag noch zahlreiche Beschlüsse gefasst und Gesetze verabschiedet. Darunter befand sich auch das Gesetz von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) über die Einrichtung von Bad-Banks, die es, hätte man seinen früheren Aussagen geglaubt, nie hätte geben dürfen. Nun werden "Zweckgesellschaften" gebildet, die Banken die wertlosen Wertpapiere abnehmen sollen, damit deren Bilanzen wieder Gewinne ausweisen.

Wenn am kommenden Freitag erwartungsgemäß auch der Bundesrat zustimmt, dann werden die Banken über das Gesetz eine weitere Stütze erhalten. Schon im vergangenen Herbst, nach dem Zusammenbruch der großen US-Investmentbank Lehman Brothers, hatte die Große Koalition eilig ein Hilfspaket geschnürt. Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz wurde der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) geschaffen, der 480 Milliarden Euro an Krediten und Staatsgarantien bereithält. Nun sollen den Banken Unwertpapiere für fast 250 Milliarden Euro abgenommen werden. Die Landesbanken, bei denen noch viel mehr Altpapier lagert, sind dabei nicht einmal eingerechnet.

Diese Zweckgesellschaften werden mit dem Begriff "Konsolidierungsbank" aufgehübscht. Die nimmt einer Bank die Risiken in Form von ausfallgefährdeten Wertpapieren oder Krediten ab, für die keine Zinsen und Tilgungen mehr geleistet werden. Eine Bad Bank ist mit hohen Risiken für die Steuerzahler verbunden, weil es zum Totalausfall der angeblichen Werte kommen kann, wofür dann der Staat einstehen muss.

Voraussetzung für die Gründung einer Bad Bank ist ein so genannter Stress-Test) nach US-Vorbild, der, wie wir heute längst wissen, kein stressiger Test war. Obwohl ein Worst-Case-Szenario ganz fehlte, mussten angesichts der desaströsen Lage der Institute die Ergebnisse allen Erkenntnissen nach trotzdem noch frisiert werden. Ob die Soffin ihrer Aufgabe gerecht wird, den realen Rekapitalisierungsbedarf der deutschen Institute zu bestimmen und ob sie prüfen kann, wie tragfähig ihre Geschäftsmodelle sind, darf bezweifelt werden. Ein Problem ist ohnehin, dass viele Banken gar nicht mitmachen werden, weil die Managergehälter auf 500.000 Euro im Jahr und die Bonuszahlungen bei einer Teilnahme begrenzt werden. Und alle erinnern sich doch an das Versprechen der Bundeskanzlerin, dass "systemische Banken" im Notfall gerettet werden. In dieses weiche Netz kann man sich notfalls immer noch fallen lassen.

Die Bad Banks ist nur für Banken, die selbst schon Bad Banks sind

Nach dem neuen Gesetz können Privatbanken strukturierte Papiere an die Zweckgesellschaft abgeben und die Landesbanken können sogar ganze Geschäftsbereiche auslagern. Insgesamt wird ein Wertabschlag von 10 % auf den Buchwert abgezogen und dafür erhält die Bank gegen eine Gebühr staatlich gesicherte Anleihen. Als Stichtag wird nicht wie geplant der 31. März 2009 angesetzt, sondern der 30. Juni 2008. Die Vorverlegung nutzt den Banken, da der Termin nun vor der Lehman-Brothers-Pleite liegt, als die Papiere noch etwas mehr wert waren. So können deren Bilanzen noch stärker entlastet werden. Nach der Auslagerung sollen die Unwertpapiere von Experten "realistisch" bewertet werden und die Differenz zwischen den um 10 % gesenkten Buchwert und einem neu ermittelten "Fundamentalwert" darf die Bank über 20 Jahre abstottern. Dass muss sie aber nur, wenn sie Gewinne macht und Dividenden ausschütten will.

Geht eine Bank Pleite, haftet der Steuerzahler voll. Die Gefahren dafür sind aus vielen Gründen groß. Ein Problem liegt darin, dass die Banken, die sich darauf einlassen müssen, 20 Jahre als Zombies dahinvegetieren dürften. Niemand wird wohl in eine Bank investieren wollen, die erst 20 Jahre Schulden abstottern muss, bevor wieder so richtig die Dividenden fließen können. Welcher Banker gibt sich zudem mit einem "lächerlichen" Gehalt von nur einer halben Million Euro und gedeckelten Bonuszahlungen ab. So darf vermutet werden, dass das Modell schon deshalb scheitert. Es werden wohl nur die Banken das Modell wählen, die, ähnlich der Hypo Real Estate (HRE), längst eine Bad Bank sind (Leichen pflastern ihren Weg ...).

Dazu gehören wohl auch einige Landesbanken und bei denen ist die Lage ohnehin noch diffuser. Die Länder entscheiden, ob versucht wird, über die Soffin oder über eine eigene Anstalt des Landes zu sanieren. Die "Anstalten in der Anstalt" (Aida) sind keine Kreditinstitute im klassischen Sinn mehr und sie unterliegen damit nicht den strengeren Eigenkapitalvorschriften. Das Aida-Modell wurde von den unionsregierten Länder Bayern und Baden-Württemberg durchgesetzt. Dass die Zahl der Landesbanken deutlich reduziert wird, wie es der Bund vorhatte, steht damit in den Sternen. Die Länder, also letztlich auch die Steuerzahler, tragen gemäß ihren Anteilen die Verluste unbegrenzt. Die Sparkassen haben bis zuletzt scharfe Kritik an dem Modell geäußert, weshalb deren Haftung ebenfalls eingeschränkt wurde. Die Lobbyarbeit der Sparkassen und der Länder hat sich ausgezahlt.

Dass die Banken bald wieder ihren Aufgaben nachkommen und die Wirtschaft und die Verbraucher mit Krediten versorgen, das zweifelten schon am Tag nach der Verabschiedung des Gesetzes dessen Urheber an. Noch am Freitag sprach Bundesfinanzminister Peer Steinbrück davon, es habe sich um einen "schwierigen Prozess" gehandelt, bei dem beide Seiten einige Überzeugungen über Bord werfen mussten. Doch die Arbeit sei sehr angenehm gewesen.

Doch inzwischen ist wohl auch ihm gedämmert, dass die Union sich weitgehend durchgesetzt hat. Deshalb geht er nun auf deutliche Distanz zu seinem Gesetz und zweifelt an der Wirksamkeit: "Die Banken bekommen derzeit von der Bundesbank sehr viel Geld für den extrem niedrigen Zinssatz von 1 %." Doch sie steckten es viel lieber in den Handel mit Devisen, Rentenpapieren und Aktien statt es als Kredite weiterzugeben, kritisiert er. "Wenn es im zweiten Halbjahr zu einer echten Kreditklemme kommen sollte, wird sich die Bundesregierung mit der Bundesbank zusammensetzen und nach Lösungen suchen müssen. Dabei müsste man dann über Maßnahmen nachdenken, die es noch nicht gegeben hat", drohte er zahnlos, denn er wird wohl kaum im Herbst noch Finanzminister sein.

Mit Zangskrediten aus der Kreditklemme?

Ob es auch Zwangskredite geben soll, darüber wollte Steinbrück "nicht spekulieren". In jedem Fall müssten alle Anstrengungen unternommen werden, um die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten sicherzustellen. Doch warum das nicht im Bad-Bank-Gesetz verankert wurde, sagte er auch nicht. Er sagte auch nicht, ob die Bundesbank notfalls direkte Kredite an Firmen geben soll, wie es Bundesbank-Präsident Axel Weber kürzlich in die Diskussion geworfen hat, als die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldmarkt mit 422 Milliarden Euro geflutet hat. Denn auch diese Unsummen benutzen die Banken zumeist nicht, um billige Kredite zu vergeben, sondern um sich über den enorm günstigen Refinanzierungszins von 1 % zu sanieren.

Fast wortgleich wie Steinbrück äußerte sich auch der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Der fügte zudem an: "Ich will nicht, dass gesunde Unternehmen und mit ihnen Arbeitsplätze verschwinden, nur weil Banken ihr Geld horten."

Sogar der Bundeswirtschaftsminister wollte nicht nachstehen. Auch Karl-Theodor zu Guttenberg beschwerte sich über die zögerliche Kreditvergabe der Banken. Der CSU-Politiker erklärte: "Das halte ich für unzumutbar." Zu Guttenberg mahnte am Samstag auf einem Wirtschaftskongress der Jungen Union und der CDU-Mittelstandsvereinigung: "Die niedrigen Zinsen der Zentralbank dürfen nicht zur Sanierung der Bankbilanzen führen". Das erstaunt, weil doch das gesamte Bad-Bank-Gesetz genau dazu dient. Erstaunlich war auch, dass er sogar darauf hingewiesen hat, dass es die Banken waren, die für die Krise zentral mitverantwortlich sind: "Die Institute sind in den vergangenen Jahren überhöhte Risiken eingegangen. Einige Institute statten sich bei niedrigen Zinsen mit Kapital aus und sind nicht bereit das Geld in Form von Krediten weiter zu geben." Allerdings fügte er sogleich hinzu, dass es rechtlich schwierig sei, die Banken zur Erfüllung ihres Kreditauftrags zu verpflichten, um sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Warum es so schwierig sein soll, Banken, denen mit Milliarden unter die Arme gegriffen wird, auch entsprechende Auflagen zu machen, das bleibt sein Geheimnis. Dabei könnte angesichts der Koalition, die sich an der Frage hier scheinbar gebildet hat, sogar locker eine Grundgesetzänderung durchgesetzt werden. Der Absatz 2 von Artikel 14 könnte deutlicher ausformuliert werden: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Schließlich hatte nun auch Bundespräsident Horst Köhler die Banken kritisiert und im Wahlkampf drohte der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder ihnen sogar damit, dass die Bundesbank den Firmen Direktkredite an den Banken vorbei vergeben könnte: "Das war die letzte Warnung." Wenn sich nicht bald etwas tue, müsse die Politik handeln.

Wieder einmal wollen die Regierenden, ob von CDU/CSU oder von der SPD, die Realität nicht wahrnehmen, wie sie schon den Beginn der tiefsten Krise seit der Großen Depression verschliefen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr ebenso hilfloser Finanzminister hatten noch vor 15 Monaten erklärt, eine Krise und Rezession stünden in Deutschland gar nicht an (Börsen in Panik). So wie sie die tiefe Rezession nicht sehen wollten, nehmen sie jetzt nicht wahr, dass eine Kreditklemme längst vorliegt. Weil Wahlen anstehen, scheut man sich vor unpopulären Schritten und verspricht stattdessen völlig realitätsfremd auch noch Steuersenkungen, wobei man an Steuererhöhungen und Leistungskürzungen bastelt.

Der WirtschaftsWoche liegt eine Umfrage des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) unter ihren 1600 Mitgliedsunternehmen vor. Demnach sagten im Juni 57 %, dass sie schon die Kreditklemme zu spüren bekommen. Noch im März waren es nur 5 % gewesen. Den Unternehmen machen der wachsende Aufwand genauso zu schaffen wie die Tatsache, dass sich die Kreditversicherer zunehmend zurückhaltend zeigen. So sagten 66 % der Unternehmen, dass sich ihr Zugang zu Kreditversicherungen erschwert habe. "Wenn sich das nicht schnell bessert, ist mit einer Insolvenzwelle zu rechnen“, warnt ZVEI-Präsident Friedhelm Loh und fordert, "dass die Kreditversicherer unter den staatlichen Bankenrettungsschirm gehen.“

Es könne nicht angehen, dass der Bund die Banken rette, die Banken das Geld aber nur zur eigenen Sanierung nutzten, kritisierte auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Gegenüber WiWo erklärte Hans Heinrich Driftmann: "Wir werden in den nächsten Monaten noch viel stärker als bisher mit Schwierigkeiten bei der Kreditversorgung zu kämpfen haben." Die Anträge und Kreditbegründungen müssten immer detaillierter ausfallen. "Die Banken verlangen von uns statt einer Quartalsvorschau nun eine Drei-Jahres-Prognose." Er forderte, es müsse offen gelegt werden, "wie die Banken die staatlichen Gelder einsetzen". Nur dann ließen sich die Steuermittel zur Stabilisierung des Finanzmarktes rechtfertigen.