In Deutschlands Moscheen wird für Erdogan spioniert

Şehitlik-Moschee. Foto: Lienhard Schulz / CC BY 2.5

Ditib-Imamen wird vorgeworfen, dass sie in ihren Moscheen Listen von angeblichen Gülen-Unterstützern angefertigt und an die Generalkonsulate weitergegeben haben

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Volker Beck von Grünen wirft Ditib-Imamen vor, dass sie in mehreren Städten der Bundesrepublik in ihren Moscheen Listen von angeblichen Gülen-Unterstützern angefertigt und an die Generalkonsulate weitergegeben haben. Daher stellte er Strafanzeige wegen des Verdachts nachrichtendienstlicher Tätigkeiten.

Er legte der Bundesanwaltschaft umfangreiches Material vor, aus dem hervorgehen soll, dass Ditib und der türkische Geheimdienst in großem Umfang die türkische und kurdische Community ausspionieren.

Die ausspionierten Moscheen gehören dem Dachverband Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.) an, der in Deutschland als verlängerter Arm der türkischen Religionsbehörde fungiert. In mehreren Bundesländern bieten Vereine des Dachverbandes Ditib Islamunterricht an deutschen Schulen an und erhalten staatliche Zuwendungen für Dienstleistungen wie Sprachunterricht oder Integrationskurse.

Ditib gehört auch der vom Bundesinnenministerium initiierten Deutschen Islamkonferenz an. Langsam werden die deutschen Behörden wach, denn unter dem Dachverband tummeln sich auch Vereine, die angeblich Propaganda für den IS machen sollen. Es gibt auch Erkenntnisse darüber, dass Ditib-Vereine offen den AKP-Wahlkampf in Deutschland unterstützten.

Berichte mit Aktivitäten der Gülenbewegung

Auf den angefertigten Listen, in denen akribisch auch die Namen vermeintlicher Gülen-Anhänger in den deutschen Moscheen aufgelistet werden, sollen sich auch deutsche Journalisten und Journalistinnen, Prominente wie Sabine Christiansen, sowie "verdächtige" Bundestags- und Landtagsabgeordnete befinden.

Das türkische Generalkonsulat München etwa sandte einen Bericht über eine Veranstaltung im Jahr 2014, die "Türkisch-Olympiade", an der auch die ehemalige ARD-Moderatorin Sabine Christiansen, die Bundestagsabgeordneten Doris Wagner (Grüne) und Florian Post (SPD) sowie der bayerische Landtagsabgeordnete Günther Knoblauch (SPD) teilnahmen. Dass ein Jahr zuvor Erdogan persönlich dort als Festredner auftrat spielt heute anscheinend keine Rolle mehr.

50 Berichte aus 38 Ländern wurden einer Kommission des türkischen Parlaments vorgelegt. Der Zeitung Die Welt liegt ein vom 20. September datiertes Schreiben der Religionsbehörde in Ankara an sämtliche türkischen Auslandsvertretungen vor, in denen diese dazu aufgefordert werden, Aktivitäten der Gülen-Bewegung zu melden.

Der Zeitung sollen drei aus Deutschland stammende Berichte vorliegen - von den Generalkonsulaten aus Köln, Düsseldorf und München. Die Informationen stammten von Imamen der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). Es ist anzunehmen, dass auch die restlichen Ditib-Vertretungen in Deutschland Berichte dieser Art an die türkische Regierung sandten.

"Durchaus politisch"

Ditib ist der größte islamische Dachverband in Deutschland. Er betreibt 970 Moscheen. Die Imame werden direkt vom Amt für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) in Ankara entsandt und bezahlt. Diese Behörde ist direkt dem türkischen Ministerpräsident unterstellt.

Die Vorstandsmitglieder der Ditib werden von einem Beirat vorgeschlagen, dem der Präsident der Diyanet in Ankara vorsitzt. Man kann also davon sprechen, dass der Dachverband in Deutschland direkt von der türkischen Regierung gesteuert wird. Denn auch der Wortlaut der Freitagsgebete kommt aus Ankara.

Und der ist durchaus politisch, wie eine Veröffentlichung auf der Homepage des Verbandes kurz nach dem missglückten Putsch im Juli 2016 zeigt: "Wir sind Zeuge davon geworden, dass durch die Hand von internen und externen Bösen sowie einer unseligen Struktur ein Putschversuch gegen die Unabhängigkeit unseres Volkes und der Demokratie unseres Landes unternommen wurde."

In Berlin wurde Mitte Dezember überraschend auf Weisung des türkischen Generalkonsulats der siebenköpfige Vorstand der Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln ausgetauscht. Der Tagesspiegel berichtete, dass der türkische Religionsattaché Ahmet Fuat Candir direkt auf die Kandidatenaufstellung Einfluss genommen habe, indem er zur Vorstandswahl eine geschlossene Liste von Kandidaten vorlegte, die zur Abstimmung gestellt werden durften.

Der bisherige Vorstand war nicht dabei. Dessen Vorsitzender Ender Cetin hatte die Moschee für Besucher geöffnet und sich um Offenheit und Integration bemüht: "Viele hochrangige deutsche Politiker waren zu Gast, ebenso jüdische Rabbiner und der evangelische Bischof Markus Dröge. Allerdings wurde Bundespräsident Joachim Gauck nach der Armenien-Resolution des Bundestags wieder ausgeladen", berichtet der Tagesspiegel.

Die Frage der Abhängigkeit von Ankara

Auf den Bau der Kölner Ditib-Großmoschee im Stadtteil Ehrenfeld hat die türkische Behörde Diyanet ebenfalls Einfluss. Die an den Planungen beteiligten, aber mittlerweile ausgestiegenen deutschen Architekten und Innendesigner berichteten, dass Vorschläge, z.B. für die Ausgestaltung des Gebetsraums, nicht vom Bauherrn Ditib, sondern von der Regierung in Ankara abgesegnet werden mussten.

Eigentlich sollte die Moschee ein Symbol für Offenheit, Miteinander und städtebaulichen Fortschritt sein. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz wurde von Ditib vom gemeinsamen Fastenbrechen ausgeladen, weil sie sich dafür aussprach, den Völkermord an den Armeniern durch die Türkei anzuerkennen.

Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland Konsequenzen gezogen und kündigte die Kooperation mit Ditib auf. Das SPD-geführte Innenministerium in Düsseldorf erklärte seine Kooperation mit dem Islamverband in Köln beendet. In Rheinland-Pfalz steht Ditib ebenfalls auf dem Prüfstand. In Niedersachsen stoppte die CDU wegen ihrer Bedenken gegenüber Ditib die Gespräche über einen Staatsvertrag zwischen dem Bundesland und den dortigen Islamverbänden.

Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sagte im Bundestag

Wer mit Ditib kooperiert, kooperiert mit Ankara und nicht mit einer Religionsgemeinschaft in Deutschland.

Volker Beck

Die kurdische Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen meinte dazu:

Wer Ditib in deutsche Klassenzimmer lässt, lässt quasi Erdogan ins Klassenzimmer.

Sevim Dagdelen

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer fordert von DITIB Beweise für ihre Unabhängigkeit von Ankara. Es sei "nicht hinnehmbar", dass der islamische Religionsunterricht in Deutschland "von einer Organisation vorgenommen würde, die sich als Interessenvertretung des türkischen Staates verstünde".

Lehrer: Lange ignoriertes Problem

Allerdings stellt sich die Frage, wer künftig islamischen Religionsunterricht an unseren Schulen oder als Imam Moscheen leiten darf. Viel zu lange hat sich die Bundesregierung diesem Problem verweigert. Seit den 1960er Jahren gibt es eine wachsende muslimische Bevölkerung in unserem Land. Nun rächt sich, was linke und liberale Kreise immer angemahnt hatten, aber von der Regierung ignoriert wurde.

Statt für Strukturen zu sorgen, dass in Deutschland muslimische Lehrer und Lehrerinnen ausgebildet werden, die den Islam auf der Grundlage demokratischer Werte lehren, hat man sich auf die türkischen Institutionen verlassen. Viel früher schon hätte man dafür sorgen müssen, dass Islamische Theologie als Lehrfach an Universitäten unterrichtet wird, um Imame und islamische Religionslehrer unter deutschen Bedingungen auszubilden.

Mouhanad Khorchide, ein liberaler Islam-Theologe an der Uni Münster berichtet, dass die Imam-Ausbildung in Deutschland auf Unmut bei den islamischen Verbänden stößt und als Konkurrenz gesehen wird. Die Studenten würden sich allerdings weniger für den Imam-Beruf als für die Ausbildung zum staatlichen Religionslehrer interessieren. Zumal Frauen als Imame nicht zugelassen seien.