Mosul: Amnesty kritisiert US-Koalition und irakische Regierung scharf

Der Islamische Staat baut den Luftangriff auf das Haus in Mosul, in dem 150 Menschen getötet wurden, in seine Propaganda ein.

Die Offensive habe zu Hunderten von getöteten Zivilisten geführt, der kürzliche Angriff auf ein Haus sei "eine flagrante Verletzung des internationalen humanitären Rechts"

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Nach vielen Berichten lokaler Medien, wie üblich ausweichend antwortendem Pentagon und alles abstreitenden irakischen Militärs weist nun auch Amnesty International auf die wachsende Zahl von zivilen Opfern durch die Offensive auf die bevölkerte Altstadt von West-Mosul hin. Hunderte von Zivilisten seien bereits durch Luftschläge in Häusern oder an Orten getötet worden, in denen sie Schutz gesucht hatten.

Verantwortlich dafür ist die US-Koalition und das irakische Militär, aber auch die irakische Regierung, die die Menschen aufgefordert hat, während der Offensive in der Stadt zu bleiben und nicht zu fliehen. Zeugen und Überlebende aus Ost-Mosul hätten der Menschenrechtsorganisation berichtet, sie wären in der Stadt geblieben, weil sie wiederholt von der Regierung dazu aufgefordert wurden. Schon im Vorfeld war diese Anweisung kritisiert worden, weil sie die Bewohner, noch immer sollen sich im westlichen Teil der Stadt Hunderttausende aufhalten, unabwägbaren Risiken aussetzt. Im Unterschied zu anderen Offensiven auf kleinere Städte wie Falludscha oder Ramadi, wo vor dem Angriff die Menschen zur Evakuation aufgefordert wurden, hatte man wohl Sorge, die vielen Flüchtlinge nicht versorgen zu können. Vielleicht lagen aber auch andere politische Überlegungen zugrunde, zumal die Regierung die schiitischen Milizen, obgleich diese offiziell in die Armee integriert wurden, nicht wirklich kontrollieren kann.

Amnesty sagt, der "schockierende Anstieg der zivilen Opfer durch die Luftschläge der US-geführten Koalition und den Kampf am Boden hätten ernsthafte Frage über die Rechtmäßigkeit der Angriffe entstehen lassen. Hingewiesen wird vor allem auf den tödlichsten Angriff am 17. März, durch den angeblich bis zu 150 Menschen getötet wurden, über den die Medien aber zunächst nur zögerlich berichteten (Fake oder News: Über 200 Tote durch Bombardierung von Häusern in Mosul?). Amnesty vermutet, dass es sich um einen Luftschlag der US-Koalition handelt, kann aber wohl dies auch nicht belegen. Die Koalition und die irakische Regierung werden aufgefordert, eine unabhängige Untersuchung über den Vorfall einzuleiten.

Überdies heißt es, man habe Belege bereits in Ost-Mosul über "alarmierende Muster von Angriffen der US-geführten Koalition" gesammelt, "die ganze Häuser mit ganzen Familien im Inneren zerstört haben". Der Koalition wird vorgeworfen, so Donatella Rovera, die für Amnesty die Untersuchung vor Ort geleitet hat, nicht ausreichend Vorkehrungen zum Schutz von Zivilisten getroffen zu haben, das sei "eine flagrante Verletzung des internationalen humanitären Rechts". Ähnliche Vorwürfe werden bei der Offensive auf Raqqa geäußert: US-unterstützte Offensive auf Raqqa riskiert humanitäre Katastrophe.

Der irakische Ministerpräsident Abadi versucht indes, alles abzustreiten. Niemand dürfe den Schutz von Zivilisten durch die irakischen Truppen infragestellen. Die "zunehmenden Behauptungen, dass Zivilisten angegriffen werden, zielen darauf, den IS in seinen letzten Momenten zu retten und die internationale Unterstützung für den Irak in seinem Krieg gegen den Terrorismus zu stoppen".