AKW Fukushima: Betreiber will mit Tritium belastetes Wasser ins Meer ablassen

Wassertanks im AKW Fukushima. Bild: Tepco

In Fukushima 1 haben sich hunderttausende Tonnen an weitgehend gereinigten, aber weiterhin kontaminierten Wasser in Tanks angesammelt

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Vor mehr als 6 Jahren wurde das japanische AKW Fukushima 1 durch ein von einem Erdbeben ausgelösten Tsunami überflutet, der die Stromversorgung und die Generatoren zum Ausfall brachte. In drei der Reaktoren kam es zu einer Kernschmelze. Um die Reaktoren und die Brennstäbe in den Abklingbecken zu kühlen, wurden sie mit Wasser geflutet, was aber schnell zum Problem wurde, weil das hochkontaminierte Wasser teils ins Meer und ins Grundwasser floss und dann, wo weit es ging, in Tanks gepumpt wurde, um es dann zu dekontaminieren.

In den drei Reaktoren sollen sich um die 1500 Gebinde mit jeweils 60 Brennelementen befunden haben, in Reaktor 3 auch MOX-Brennelemente, die mehr Plutonium als die normalen enthalten. Tepco kann nur schätzen, wie es im Inneren der Sicherheitsbehälter aussieht. Bislang sind Erkundungsversuche mit Robotern wegen der hohen Strahlenbelastung und Problemen mit Hindernissen gescheitert.

Das Problem ist, dass die Kapazitäten bald erschöpft sind, mehr Wasser in den 1000-Tonnen-Tanks zwischenspeichern zu können und täglich 700 Tonnen kontaminiertes Grund- und Kühlwasser anfallen, vor allem aber, dass es zwar von Cäsium und Strontium sowie 60 weiteren radioaktiven Substanzen gereinigt werden kann, aber weiterhin mit Tritium belastet ist. Schon lange bestand die Hoffnung, das teilweise gereinigte Wasser ins Meer zu entsorgen, um nicht an Kapazitätsgrenzen zu stoßen. Sehr viel mehr als die 580 Tanks, die im Juli fast 780.000 Tonnen Wasser enthielten, können auf dem Gelände nicht sicher aufgebaut werden. Es wurden schon Tonnen des kontaminierten Wassers ins Meer abgelassen, aber die große Entsorgung hatten noch vor allem die Fischer verhindert, die um ihre Existenz bangen.

Jetzt wurde bekannt, dass Tepco das gereinigte, aber noch mit Tritium kontaminierte Wasser, das sich in den Tanks befindet, ins Meer entsorgen will. Der Tepco-Vorsitzende Takashi Kawamura sagte in einem Interview, dass die Entscheidung bereits getroffen worden sei. Eine von der Regierung eingesetzte Expertengruppe, die sich mit dem Tritium-Problem beschäftigt, ist noch zu keinem Ergebnis gekommen.

Kawamura erklärte, man werde noch auf das Ergebnis der Expertengruppe und die Entscheidung der Regierung warten. Ohne Unterstützung durch die Regierung Abe, die wieder auf Atomenergie setzt und die Wiederinbetriebnahme der nach Fukushima abgeschalteten AKW voranzutreiben sucht, könne man fortfahren. Allerdings hatte bereits Shunichi Tanaka, der Chef der Atomaufsichtsbehörde, die Freilassung des mit Tritium belasteten Wassers befürwortet, weswegen Tepco wohl davon ausgeht, auch den Segen der Regierung zu erhalten, was dem Konzern Ausgaben zur Speicherung ersparen würde. Seiner Meinung nach ist Atomenergie trotz der hohen Kosten von Fukushima für Japan alternativlos.

Tritium gilt als deutlich weniger gesundheitsgefährdend als andere radioaktive Substanzen, wenn es sich nicht in hohen Mengen im Körper ansammelt. Es sei, so japanische Medien, Routine, dass mit Tritium kontaminiertes Wasser von Atomkraftwerken, durch deren Betrieb es entsteht, ins Meer abgelassen wird. Nach Studien kann der weiche Betastrahler allerdings auch das Erbgut verändern oder wird das mit ihm einhergehende Risiko unterschätzt. Die Fischer der Region sind nicht amused, sie gehen wohl zu Recht davon aus, dass mit der Freisetzung von Hunderttausenden von Tonnen kontaminierten Wassers die Abneigung der Menschen steigen wird, Fische aus der Gegend zu kaufen - selbst wenn das gesundheitliche Risiko vernachlässigbar ist.

Es mutet paradox an, dass der Tepco-Chef ausgerechnet Sicherheitsgründe für das Ablassen des kontaminierten Wassers in das Meer anführt. In den Tanks bestünden Risiken durch Erdbeben und Tsunamis. Warum die Folgen gefährlicher wären als die Freisetzung ins Meer ist nicht recht nachvollziehbar. Er machte aber auch klar, dass Tepco profitabler arbeiten müsse, um die Folgen von Fukushima bewältigen zu können. Man geht von Kosten von 190 Milliarden US-Dollar aus, um das AKW zu entsorgen und die Geschädigten zu kompensieren.

Kawamura scheint Tepco als Avantgarde-Konzern für den Rückbau und die Entsorgung von AKW institutionalisieren zu wollen. Das sei nicht nur für havarierte AKW notwendig, sondern für alle. In Japan gibt es allerdings auch kein Endlager.

Auf die Artikel reagierteTepco und erklärte, man sei zwar derselben Meinung wie die Atomaufsichtsbehörde, da dies in Übereinstimmung mit dem Gesetz und mit wissenschaftlichen und technischen Begründungen. Eine Gefährdung könne durch das Ablassen des Wassers nicht eintreten. Der Tepco-Chef habe nicht gesagt, dass dies entschieden sei, wie dies Medien berichtet hätten. Man richte sich nach der lokalen Bevölkerung und den Sicherheitsmaßstäben und prüfe die Unternehmenspolitik mit dem Blick auf die Regierung und die lokale Bevölkerung.