Historisches SETI-Signal ohne Kosmogramm

Bild: ESO

Heute vor 40 Jahren traf das mysteriöse "Wow!-Signal", das manche für den Fetzen einer intelligenten Funknachricht aus dem All halten, auf eine der Antennen des "Großen Ohrs" in Ohio

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Das Signal kam völlig überraschend und überlagerte mit unerwarteter Dynamik das natürliche kosmische und stellare Hintergrundrauschen. Am 15. August 1977 registrierte das 'Big Ear'-Radioteleskop der Ohio State University in Columbus (US-Bundesstaat Ohio) um 23.16 Uhr Lokal- und Sommerzeit in der Nähe der berühmten 21-Zentimeter-Wasserstofflinie eine ungewöhnlich starke Radioemission.

Als diese sich zu erkennen gab, war kein Astronom im Kontrollraum zugegen, kein Zeitzeuge wohnte dem legendären Ereignis unmittelbar bei. Nur ein IBM-Computer mit einem Arbeitsspeicher von 64 Kilobyte, sekundiert von einem speziellen Computerprogramm namens N50CH, sammelte die eingehenden Daten, die das "Große Ohr" aufgefangen hatte und der institutseigene Drucker auf Papier verewigen sollte.

Eine kleine Geschichte des "Großen Ohrs"

Dass die Projektwissenschaftler an diesem historischen Tag mit Abwesenheit glänzten, war eigentlich nichts Ungewöhnliches. Denn bei den seit 1973 kontinuierlich durchgeführten SETI-Observationen mit den 'Big Ear'-Antennen war es gang und gäbe, die Instrumente nur jeden dritten Tag vor Ort zu überprüfen, die Hard- und Softwaresysteme zu kontrollieren und bei Bedarf zu justieren und zu kalibrieren. Für dieses scheinbar geringe Engagement gab es einen triftigen Grund. Denn Ehman und seine Kollegen arbeiteten rein ehrenamtlich für das Projekt. Sie opferten ihre Freizeit als Überzeugungstäter in der Hoffnung, eine endgültige Antwort auf eine der spannendsten Fragen der Philosophie zu erhalten, die gerade nach dem Ende des Apollo-Programms der NASA bei so vielen Naturwissenschaftlern aufkeimte: Wie viele andere intelligente Lebensformen existieren neben dem Homo sapiens im All?

Um dieser Frage professionell nachzugehen, schien das 'Big Ear'-Teleskop aufgrund seiner Historie als Arbeitsinstrument geradezu prädestiniert. Konzipiert und errichtet von dem damaligen Direktor des Radioobservatoriums der Ohio State University, John Kraus, ging die 110 Meter lange und 24 Meter breite Anlage 1963 erstmals in Betrieb. An beiden Enden des von einer Aluminiumschicht überspannten Feldes, das einem Fußballplatz ähnelte, ragten jeweils zwei gigantische Reflektoren empor: der eine flach mit einer kippbaren 30 Meter großen Sammelfläche, der andere 21 Meter hoch und parabolisch geformt. Im Verbund tasteten beide denselben Himmelsabschnitt nacheinander ab und erreichten gemeinsam die Empfindlichkeit einer 60-Meter-Schüssel.

Der installierte sensible 21-Zentimeter-Empfänger deckte dabei einen Frequenzbereich von 250 Megahertz ab. Die eingehenden Radiopulse, die das erste Strahlenbündel einfing, registrierte im Normalfall kurze Zeit später der zweite Reflektor. Durch einen Vergleich der Daten konnten die Radioastronomen irdische Störfeuer schnell aussieben. Auf diese Weise detektierten und katalogisierten John Kraus und der junge Elektroingenieur Robert S. Dixon binnen neun Jahre sage und schreibe rund 20.000 neue Radioquellen.

Das 'Big Ear'-Teleskop konnte jeden Punkt am Firmament infolge der Erdrotation jeweils nur 72 Sekunden lang im Fokus halten. Danach verschwand jedwedes Signal. 1997 wurde das Grundstück der Anlage verkauft und in einen Golfplatz umgewandelt. Bild: Coseti

Doch 1972 beendete die National Science Fundation (NSF) die finanzielle Unterstützung für das ambitionierte Kartierungsprojekt. Für Robert Dixon Anlass genug, seinen damaligen Chef davon zu überzeugen, die brachliegende Anlage für die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz zu nutzen. "Bob musste sich nicht wirklich anstrengen, um mich zu überreden, mit dieser Idee konform zu gehen", erinnert sich Kraus an den geschichtsträchtigen Moment.

Dank Dixons Vorschlag begann eine neue Ära in der noch vergleichsweise jungen SETI-Forschung: Zum ersten Mal starteten Wissenschaftler einen Vollzeitversuch und horchten den ganzen Nordhimmel auf der 21-Zentimeter-Zauberlinie ab - 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. "Damit war die Ohio-State-Einrichtung die erste, deren Teleskop ausschließlich für die Suche nach außerirdischer Intelligenz zur Verfügung gestellt wurde", verdeutlicht der Pionier und weise Nestor der SETI-Unternehmungen, Frank Drake. Ohio-SETI avancierte mit einer Observationsdauer von insgesamt 22 Jahren sogar zum zeitlich längsten Suchprogramm in der SETI-Geschichte, ein Rekord, der auch im aktuellen Guinness-Buch-der-Rekorde Würdigung erfährt.

Da im Jahr 1972 jedoch jegliche Bezuschussung wegfiel, war das Projekt auf die Mitarbeit von Freiwilligen angewiesen, von denen Jerry R. Ehman und Richard Arnold nicht nur fachlich herausragten. Mit Ehmans Hilfe, einem Professor für Radioastronomie der Franklin University in Columbus und der Unterstützung von Dr. Arnold, der als Elektrotechniker für die Bell Telephone Laboratories ebenfalls in Columbus arbeitete, konstruierten Kraus und Dixon einen neuen leistungsfähigen 50-Kanal-Empfänger, der für die Analyse des Wasserlochs angedacht war.

Zauberlinie 21,106 Zentimeter und Wasserloch: 1,420405751786 GHz - das entspricht einer Wellenlänge von 21,106 Zentimeter. Auf dieser Frequenz strahlt das neutrale Wasserstoffatom, das häufigste Atom im Universum. Die 21-Zentimeter-Strahlung gilt als magisch, weil ihr Wert universell ist. Kommunikationswillige Aliens würden den Wert dieses Wertes erkennen und die magische Frequenz im Mikrowellenbereich frequentieren. Abseits des langwelligen Bereichs der Wasserstofflinie (H) existiert eine andere interessante Frequenz: die Linie des Hydroxyl-Radikals, ein Sauerstoff-Wasserstoff-Molekül (OH). Diese liegt bei 1,662 GHz und bietet sich aufgrund der Bedeutung des Sauerstoffs für die Entstehung biologischen Lebens als Alternativfrequenz zur 21-Zentimeter-Linie an. Da H plus OH die chemische Formel für das Lebenselixier Wasser (H2O) ergeben, ist der Gedanke naheliegend, den Frequenzbereich zwischen 1420 bis 1660 MHz, das "Wasserloch", näher ins Visier zu nehmen.

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