Waffentransporte vom Balkan über Saudi-Arabien nach Syrien

AKS-74U-Gewehre werden in Bulgarien hergestellt. Bild: Stepanov/CC BY-SA-3.0

Die aserbaidschanische Fluggesellschaft Silk Way Airlines Flüge soll unter diplomatischem Status osteuropäische Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien geflogen haben

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Gerade hatte das syrische Assad-Regime im Dezember 2016 nach fünf Jahren die Altstadt von Aleppo von Aufständischen zurückerobert, da stieg die Journalistin Dilyana Gaytandzhieva in den Keller eines Trümmerhauses. Ihr zufolge diente er der islamistischen Al-Nusra-Front als Waffendepot. Sie fand in ihm tausende Grad-Raketen und Sprengköpfe, hergestellt von der Vasovschen Maschinenfabrik (VZM) aus der Balkanstadt Sopot in ihrem Heimatland Bulgarien.

"Ich war als Korrespondentin in Aleppo nach dem Abzug der Rebellen. Jemand fragte mich, woher ich sei, und als ich antwortete, aus Bulgarien, führte er mich in den Keller und zeigte mir die Waffen", schildert sie im Telefongespräch die Umstände, wie sie auf das Waffenlager gestoßen ist.

Heimgekehrt vollzog Gaytandzhieva den Weg der Waffen nach und stieß dabei auf eine regelmäßige Schiffslinie vom bulgarischen Schwarzmeerhafen Burgas ins saudi-arabische Dschidda, bedient von Frachtschiffen unter dänischer Flagge mit den Namen Marianne Danica, Hanne Danica und Karina Danica. Die türkischen Blogger Yörük Isik und Alper Böler fotografierten sie bei ihrer Fahrt durch den Bosporus in Istanbul. Auf einer Aufnahme der Hanne Danica glaubt Böler, einen in Tschechien produzierten Panzerwagen identifizieren zu können.

Anfang Juli 2017 stellte Gaytandzieva in einem Artikel für die bulgarische Tageszeitung Trud eine weitere Transportvariante dar; eine Art Luftbrücke für Waffen und Munition vom Balkan auf die arabische Halbinsel. Anonymous Bulgaria (AB) hatte ihr Ende Juni 2017 aus der Botschaft von Aserbaidschan in Sofia geleakte Dokumente zugespielt. Diese scheinen zu belegen, dass die staatlich aserbaidschanische Fluggesellschaft Silk Way Airlines in den vergangenen drei Jahren rund dreihundertfünfzig Flüge unter diplomatischem Status zum Transport osteuropäischer Rüstungsgüter auf die arabische Halbinsel durchgeführt hat.

Zweifel an der Authentizität der Dokumente hat Gaytandzhieva keine. "Die Botschaft von Aserbaidschan hat ihre Echtheit bestätigt und auch das Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) hat sie in ihrem Bericht für authentisch erklärt", sagt sie.

Am Tag des Erscheinens des Artikels von Gaytandzhievas Trud erklärte Anonymous Bulgaria dem Onlineportal Viaranews.com, es sei der Organisation gelungen, die Computer des aserbaidschanischen Botschafters und seiner Diplomaten zu hacken und ihnen hunderte Dokumente zu entnehmen, einige mit dem Vermerk "streng geheim". "Aus ihnen geht hervor, dass die staatlich aserbaidschanische Fluggesellschaft Silk Way hunderte Tonnen Waffen für die Terroristen in Syrien, Jemen, Afghanistan, Irak, Afrika transportiert hat, mit Diplomatenflügen, für die sie von Bulgarien und anderen europäischen Staaten Genehmigungen erhalten hat", so AB zu Viaranews.com.

Wer ermöglicht, Waffen an Terroristen zu verkaufen, ist selbst Terrorist

Die Botschaft von Aserbaidschan habe den bulgarischen Staat um die Erteilung von Genehmigungen für diplomatische Flüge der Silk Way gebeten. Obwohl der Transport von Gefahrgütern an Bord von Passagierflugzeugen verboten sei, habe das Konsulat des bulgarischen Außenministeriums die Genehmigungen erteilt. "Die bulgarischen Waffenfabriken VMZ, Arsenal und Dunarit konnten ihre Waren ausführen, da bei diplomatischen Flügen keine Kontrollen durchgeführt werden. Sie haben so die Möglichkeit gehabt, solide Lieferungen illegal zu tätigen, und selbstverständlich werden die Gewinne nicht deklariert", behauptet Anonymous Bulgaria.

Man könne nicht "schweigen und tatenlos bleiben, wenn Terroristen, die Köpfe abschneiden, vergewaltigen und auch Zivilisten in Europa bombardieren, mit Waffen aus bulgarischer Produktion ausgestattet werden", begründet AB die Hack- und Leak-Aktion. In Syrien würden jeden Tag zig Kinder von bulgarischen Raketen verletzt und getötet, der bulgarische Staat mache Geschäfte mit ihrem Tod. "Diejenigen, die Waffen an Terroristen verkaufen, sind selber welche", erklärt Anonymous Bulgaria und behauptet, die die Exporte ermöglichenden bulgarischen Minister und Geheimdienste nähmen "solide Kommissionen für sich selber".

Die Stellungnahme für Viaranews.bg deklarierte AB als eine Art offenen Brief an die Mitarbeiter der Rüstungsfirmen VMZ-Sopot, Arsenal-Kasanlak und Dunarit-Russe. In ihm fragen die bulgarischen Anonymen: "Wisst Ihr, wo die Gewinne all der Waffen, die Ihr produziert, hingehen? Kennt Ihr die Offshore-Konten Eurer Vorgesetzten? Eure Vorgesetzten sagen Euch, dass wir keine Waffen an Terroristen verkaufen. Wir verkaufen Waffen nur an die guten Terroristen."

AB zufolge belegen die publizierten Dokumente, "dass wir alle zumindest drei Jahre lang angelogen wurden, dass Bulgarien keine Waffen zu Terroristen ausführt". Die Korrespondenz zwischen Bulgarien und Aserbaidschan zeige, das "unsere Waffen unter diplomatischer Deckung frei nach Saudi Arabien, in den Irak, nach Afghanistan und in den Kongo fliegen".