Landwirtschaft oder KSK-Trainingsgelände?

Foto: Hadhuey aus der deutschsprachigen Wikipedia. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Bundeswehr plant im Nordschwarzwald ein Fallschirmspringerübungsgelände für das Kommando Spezialkräfte - Landwirte werden notfalls enteignet und Bürger fürchten Hubschrauberlärm rund um die Uhr auch am Wochenende

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Am Rande von Haiterbach einer Stadt im Nordschwarzwald im Dreieck zwischen Nagold Altensteig und Waldachtal plant das in Calw angesiedelte Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr ein Absetzgelände für Fallschirmspringer. Der neue Übungsplatz wird benötigt, weil das KSK sein bisheriges Übungsgelände in Renningen-Malmsheim im Landkreis Böblingen verlassen muss.

Der im Stuttgarter Raum überaus einflussreiche Bosch-Konzern hat sich das dortige Gelände für einen Forschungscampus einverleibt. Er drohte vor einigen Jahren damit, nach Singapur abzuwandern, wenn er das Gelände nicht bekomme. Und der damalige Ministerpräsident Oettinger setzte sich für Bosch ein. Sein Nachfolger Mappus unterschrieb die Verträge. Über die vertraglichen Konditionen ist damals nur wenig nach außen gedrungen. So wird ein Teil des von der Bundeswehr erworbenen Areals fürs Erste beim Land geparkt und dann bis 2029 an Bosch weiterverkauft.

Als Ersatz für die Bundeswehr und die US-amerikanischen Kräfte, welche den Übungsplatz ebenfalls nutzten, soll jetzt das Segelfluggelände Haiterbach-Nagold am Dürrenhardter Hof von den deutschen und amerikanischen Streitkräften als Übungsgelände genutzt werden. Hatte man im Rathaus von Haiterbach ursprünglich auf einen einträglichen Deal mit der Bundeswehr gehofft, so musste man inzwischen erkennen, dass man die Mehrheit der Bürgerschaft nicht für diese Idee gewinnen kann.

Dieses Ergebnis brachte der Bürgerentscheid am 24. September, an dem sich über 70 Prozent der Bürger beteiligten. Die Verwaltung ist jetzt für drei Jahre an das Ergebnis des Bürgerentscheids gebunden, der sie verpflichtet, alles rechtlich Mögliche gegen die Einrichtung des Übungsplatzes zu unternehmen. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen steht die Stadt jetzt vor dem Dilemma, dass das Ergebnis des Bürgerentscheids ihr kein Mandat lässt, um irgendwelche Gegenleistungen wie eine Autobahnanbindung oder sonstige Vergünstigungen auszuhandeln.

Entschieden wird in dieser Sache nicht vor Ort und auch nicht in der Landeshauptstadt, wo man bei diesem Projekt nur eine vermittelnde Rolle einnehmen will, sondern im Bundesministerium der Verteidigung in Berlin. Und das ist an den Bürgerentscheid in Haiterbach nicht gebunden. Somit scheint dieses Großprojekt nur schwer zu stoppen zu sein. Inzwischen wird auch mit einer Enteignung gedroht, wenn die betroffenen Landwirte nicht klein beigeben.

Für drei Betroffene steht offensichtlich die Existenz ihrer Betriebe auf dem Spiel. So werden für betroffene Pachtflächen keine Entschädigungen an die Pächter bezahlt und dem Betreiber einer Biolandwirtschaft kann man in erreichbarer Nähe kein entsprechendes Land anbieten, auf welchem ohne Unterbrechung Biolandwirtschaft betrieben werden könnte. Der Biobetrieb müsste ein Fünftel seiner Fläche abgeben. Schon bei einem Verlust von 15 Prozent der Betriebsfläche gilt ein Betrieb als gefährdet.

Die Landesregierung äußerte sich im Beteiligungsportal Baden-Württemberg wie folgt:

Von dem geplanten Projekt betroffene Landwirte werden in keinem Fall in ihrer Existenz bedroht. Berechtigte Belange werden bei der Entwicklung von Ersatzmaßnahmen und Entschädigungsmöglichkeiten selbstverständlich einbezogen. Dies würde auch im Falle von Enteignungen gelten entsprechend den diesbezüglichen Anforderungen im Grundgesetz.

(Landesregierung von Baden-Württemberg)

Dort steht zwar nichts zur Bewertung von Biolandwirtschaft, aber immerhin, dass wegen der Höhe der Entschädigung im Streifalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen stehe (GG Artikel 14 Abs.3 Satz 4).

Mit den Haiterbacher Bürgern ist nicht zu spaßen

Dass mit den Haiterbacher Bürgern nicht zu spaßen ist, wenn es sich um die Ansiedlung militärischer Einrichtungen geht, hätte man mit einem Blick in die Ortschronik leicht erkennen können. So sollte im Jahre 1963 Atomsprengköpfe am Ortsrand von Haiterbach stationiert werden. Die Bürger marschierten damals vor das Rathaus. Die Nato-Raketenbasis wurde nie gebaut. Und auch der 1978 geplante Truppenübungsplatz wurde nie realisiert, nachdem sich eine Bürgerinitiative gegen ihn stark gemacht hatte.

Beide Vorhaben wurden von den Bürgern in Haiterbach verhindert. Und so äußert sich auch bei dem erneuten Versuch einer militärischen Ansiedlung wieder deutlicher Widerspruch. Dies geht soweit, dass man mehr oder weniger ernst den Vorschlag ins Spiel bringt, dass das KSK ja aus Calw abgezogen werden und auf einen nicht mehr benötigten Standort in den Neuen Bundesländern umgesiedelt werden könnte.

Dieser Vorschlag scheitert jedoch nicht nur daran, dass der finanziell knappen Stadt Calw bei einer solchen Bewegung Einiges an Wirtschaftskraft verloren ginge, sondern auch daran, dass ein Absetzplatz in den östlichen Bundesländern von den US-amerikanischen Truppen möglicherweise gar nicht dauerhaft genutzt werden dürfte.