EuGH entscheidet über Genschere

Mit der Crispr/Cas9-Genschere verbesserte Champignons bleiben so weiß, wie die auf diesem Symbolbild von Friedrich Böhringer. Lizenz

Generalanwalt plädiert für Crispr/Cas9

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Der Europäischen Gerichtshof in Luxemburg prüft derzeit unter dem Aktenzeichen C528/16, ob mit der Crispr/Cas9-Genschere verbesserte Pflanzen unter die GVO-Richtlinie 2001/18EG fallen oder nicht. Folgt er der Stellungnahme seines Generalanwalts Michal Bobek, zählt für die Einstufung nicht die Methode, sondern das Ergebnis, weil sich bei Punktmutationen ohnehin nicht nachweisen lässt, ob sie (wie etwa die rosa Grapefruit) durch (natürliche oder künstliche) chemische Einwirkung beziehungsweise Strahlung oder durch eine Genschere entstanden sind.

Die 2012 entdeckte Methode eignet sich nämlich nicht nur dazu, Erbkrankheiten auszuschalten (vgl. China auf der Überholspur bei klinischen Versuchen mit neuer Gentherapie?) - sie kann auch das Herauszüchten von unerwünschten und das Heranzüchten von erwünschten Eigenschaften bei Pflanzen erheblich beschleunigen. Aktuell forschen Wissenschaftler mit ihr unter anderem an Maispflanzen, die Trockenperioden besser überstehen, an Bananenpflanzen, die sich nicht von Raupen fressen lassen, und an ertragreicherem Weizen.

"Natürlich" ist kein "Synonym" für "sicher"

Unvorhergesehene Mit-Mutationen, die auch bei einer eigentlich punktgenauen Behandlung mit der Genschere vorkommen können (vgl. CRISPR-Genom-Editierung mit unerwünschten Nebenwirkungen), sind genau so bei natürlichen Mutationen möglich, weshalb sogar das Bundesamt für Naturschutz darauf aufmerksam macht, dass "der Vergleich mit der Natürlichkeit […] irreführend [ist], da eine höhere Naturnähe nicht per se ein geringeres Risiko darstellt". "Natürlich" ist kein "Synonym für "sicher", auch wenn es in Deutschland häufig so verwendet wird.

In den USA sind bereits mit Crispr/Cas9 verbesserte Champignons auf dem Markt, die sich nicht mehr so schnell verfärben. Dadurch müssen problemlos verzehrbare Pilze nicht mehr alleine deshalb weggeworfen werden, weil sie farblich nicht den Erwartungen der Durchschnittskäufer entsprechen.

Zwei Blöcke, die beide in der aktuellen Regierungskoalition vertreten sind

Ob man solche Pflanzen bald auch in Europa ohne größere Probleme anbauen und kaufen kann, hängt nicht nur vom EuGH, sondern auch von der Politik ab. In der haben sich in Deutschland zwei Blöcke gebildet, die beide in der aktuellen Regierungskoalition vertreten sind: Während die SPD dem (auch von der Linkspartei vertretenen) Dogma der Grünen folgt, dass Crispr/Cas9-verbesserte Pflanzen trotz der oben geschilderten fehlenden Nachweisbarkeit wie solche behandelt werden sollen, denen man Erbgut anderer Lebewesen zusetzte, plädieren Vertreter von Union und FDP für eine Neubewertung, weil sich - so die Liberalen - "die neuen Verfahren grundlegend von denen der klassischen Grünen Gentechnik unterscheiden".

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer plädiert dabei für eine gleichzeitige Berücksichtigung von Sicherheit, Transparenz und einer "Offenheit gegenüber Zukunftstechnologien und Innovationen". "Pauschalisierende Verbote" lehnt sie ab und fordert stattdessen "eine faktenbasierte, ergebnisoffene Bewertung neuer Technologien und deren Anwendung." Ihr CDU-Kollege Kees de Vries betont vor allem das "große Potenzial", das die "neuen Züchtungsmethoden" für die "Lösung von zukünftigen Herausforderungen" wie der "Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung vor dem Hintergrund des Klimawandels" haben.

Bayer, Monsanto und Trump

Das sieht man - wenig überraschend - auch bei Konzernen wie Bayer so, wo man zusätzlich auf eine möglichst umfassende Patentierbarkeit hofft, die Profite sichern soll. Die 62,5 Milliarden US-Dollar teure Übernahme des US-amerikanischen Agrarkonzerns Monsanto durch den deutschen Pharma- und Chemiegiganten wurde heute von der EU-Kommission in Brüssel genehmigt. Eine Entscheidung der US-Kartellbehörden in Washington steht noch aus und ist den Informationen der Tageszeitung Die Welt nach nicht sicher, weil US-Präsident Donald Trump "versuchen könnte, die wichtige Wählergruppe der Farmer zu beeinflussen, indem er die Fusion doch noch unterbindet". In diesem Fall, so die Philosophin Susanne Günther auf Twitter, "müssen die Weltbilder bestimmter Kreise aber ganz neu kalibriert werden".