Schweiz: Volksabstimmung über Vollgeld

Grafik: TP

Herz-OP ohne Narkose?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der Schweiz ist eine Kampagne für eine Volksabstimmung über ein "Vollgeld" angelaufen. Ziel der Kampagne ist, dass nur noch die Nationalbank Geld schöpft.

Anders als gemeinhin vermutet, verleihen die Geschäftsbanken nicht nur das Geld, das ihre Kunden auf ihr Sparbuch eingezahlt haben. Die Geschäftsbanken schöpfen selbst Geld, sogenanntes Giralgeld, das sie verleihen, indem sie es dem Konto des Kunden gutschreiben. Sie können das selbst geschöpfte Geld jedoch auch selbst investieren und damit beispielsweise Immobilien erwerben. Die Schweizer Geschäftskapital- und Liquiditätsvorgaben fordern nur eine gesetzliche Mindestreserve von 2,5 Prozent an Nationalbankengeld.

Da diese Vorschriften erst zum jeweils 20. eines jeden Monats erfüllt sein müssen, kann der Nachweis in der Realität sogar zumeist im Nachhinein erfolgen. Dass sich Schweizer daran stören, dass private Geschäftsbanken so einfach aus dem Nichts Geldschöpfen können, mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass sich die beiden größten privaten Geschäftsbanken UBS Group AG und Credit Suisse Group AG (CS) mehrheitlich in der Hand von ausländischen Aktionären befinden.

Betrieben wird die Initiative vom Verein "Monetäre Modernisierung" (MoMo), der seinen Sitz in Wettingen im Kanton Aargau hat. Er hat für seine Initiative das Motto "Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank!" ausgegeben und schlägt die in seinem Initiativpapier die Änderung des Artikels 99 der Geld- und Finanzmarktordnung der Schweizerischen Bundesverfassung vor.

Die Schweizer Vollgeld-Initiative will im Rahmen einer Volksabstimmung am 10. Juni dafür sorgen, dass die Schweizer Bankenwelt statt Giralgeld nur noch sogenanntes Vollgeld nutzt, das nur von der Nationalbank, bzw. dem Bund herausgegeben werden darf. Das Vollgeld soll dann in der Form von Münzen und Banknoten sowie als elektronisches Geld exklusiv von der Schweizer Nationalbank herausgegeben werden.

Blockchainbasiertes Kryptogeld ist bislang im Zusammenhang mit der Schweizer Vollgeld-Initiative kein Thema. Auf Nachfrage teilte man mit, dass auch für eine Kryptowährung nur die Nationalbank als Herausgeber angedacht ist. Die Geschäftsbanken müssen sich künftig das Geld von der Nationalbank ausleihen. Die Idee dahinter ist, dass im Falle einer Bankenpleite das Geld nicht verloren gehen kann. Die Vollgeld-Initiative beruft sich bei ihrem Vorhaben auf eine Volksabstimmung aus dem Jahre 1891, die genau diese Vorgehensweise vorgesehen habe.

Die Vollgeld-Initiative fordert somit eine Trennung zwischen der Nationalbank und den Geschäftsbanken. Für die Geldherstellung soll nur noch der Staat in Form der Schweizerischen Nationalbank zuständig sein. Die Kreditvergabe soll durch die privaten Geschäftsbanken erfolgen. Diese sollen auch weiterhin für Zahlungsverkehr und Vermögensverwaltung zuständig und verantwortlich bleiben.

Das Geld selbst soll, so die Initiative, zum öffentlichen Gut werden, von dessen Herstellung die Allgemeinheit profitiert solle und nicht wie derzeit die Aktionäre über Dividenden und Manager der Großbanken über ihre Boni. Um sicherzustellen, dass die Zentralbank ihrer Aufgabe der Geldmengensteuerung seriös und verantwortungsbewusst nachkommt, würde sie in den Rang einer unabhängigen vierten Staatsgewalt erhoben.

Die Ursprünge der Vollgeld-Idee liegen in Deutschland

Die Idee einer Vollgeldreform geht auf den 1948 in Mannheim geborenen Joseph Huber zurück. Huber ist ein deutscher Ökonom und Sozialwissenschaftler, der über viele Jahre an der Universität Halle lehrte. Bislang existiert das Modell Vollgeld nur in der Theorie. In der Schweiz soll jetzt der erste Praxistest gewissermaßen am offenen Herzen und ohne Narkose durchgeführt werden. Kritiker klagen, das sei ein einmaliges Experiment mit ungewissem Ausgang. Die Tatsache, dass die Vollgeld-Initiative auf deutsche Wurzeln zurückgeht, erscheint für einen Erfolg der Initiative in der Schweiz eher hinderlich.

Hätte die Vollgeld-Initiative Erfolg, wären die Geschäftsbanken künftig nicht mehr in der kommoden Situation, das benötigte Geld auf dem Weg der Buchgeldschöpfung selbst bereit stellen zu können, sondern wären gezwungen, das benötigte Investitionskapital von anderen Wirtschaftsteilnehmern einzusammeln. Dies ist jedoch auch heute schon möglich, lohnt sich jedoch nur, wenn es sich um größere Summen handelt oder man entsprechende Pakete schnüren kann. Für Privatkunden oder Mittelständler ist der dafür benötigte Aufwand zu groß und der für die Banken mögliche Gewinn zu gering.

Bei einer Umstellung auf Vollgeld würden die bisherigen Girokonten in Geldkonten umdeklariert und die Geschäftsbanken dürften dann diese Geldkonten nicht mehr in ihrer Bilanz führen, sondern würden sie lediglich verwalten, ähnlich den heutigen Wertpapierdepots. Die Tilgung noch laufender Buchgeldkredite würde nicht mehr zu einer Bilanzverkürzung der Geschäftsbanken führen und somit Buchgeld vernichten, sondern würde in Vollgeld umdeklariert und über die Zentralbank an die öffentliche Hand weitergeleitet. In einem Vollgeldsystem würde neues Geld dadurch geschöpft, dass die Zentralbank unbefristeten und unverzinsten Kredit ausschließlich an die Regierung vergibt. Über die Verwendung dieser Kredite würde ausschließlich die Regierung entscheiden.

Was sagt die Schweizer Nationalbank zur Vollgeldinitiative?

In der Schweiz lehnen sowohl der Bundesrat als auch das Parlament die Initiative ab. Auch die Schweizer Nationalbank (SNB) ist von den Zielen der Vollgeld-Initiative nicht angetan. Sie argumentiert, dass das Finanzsystem der Schweiz sich bewährt habe und eine radikale Umgestaltung des schweizerischen Finanzsystems große Risiken mit sich bringen würde. Durch das Vollgeld würde die Umsetzung der Geldpolitik würde erschwert und "verpolitisiert".