Hinter den Kulissen des politisch instrumentalisierten Falls Magnitsky

Das Magnitsky-Narrativ und das Bild vom Putin-Russland. Was ist so brisant an dem Dokumentarfilm des putinkritischen Filmemachers Andrei Nekrasov?

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Wir laden ein zum nächsten Telepolis-Salon "Hinter den Kulissen des Falles Magnitsky", wo wir den Dokumentarfilm "The Magnitsky Act - Behind the Scenes" (engl. Original mit deutschen Untertiteln) zeigen. Als Gäste erwarten wir den Regisseur Andrei Nekrasov und seine Mitarbeiterin Vetta Kirillova. Die Veranstaltung findet in der House-Top-Bar im Münchener Lovelace in der Kardinal-Faulhaber-Str. 1 am 13. Juni um 18:30 statt. Eintritt: 5 EUR, ermäßigt 3 EUR

Regisseur Andrei Nekrasov am Set des Films "The Magnitsky Act - Behind the Scenes". © Piraya Film AS. Photo: Anna Marchuk

Vor WM-Beginn am 14. Juni häufen sich die Anschuldigungen gegen Russland: Zuletzt war es der vorgetäuschte Tod des Kreml-Kritikers Babchenko, der Machenschaften des russischen Geheimdienstes entlarven sollte.

Davor kamen erneute Beschuldigungen über die russische Mitwirkung am Abschuss der Passagiermaschine MH17 an eine Öffentlichkeit, die noch ganz unter dem Eindruck des Nowitschok-Giftanschlags auf den russischen Doppelagenten Skripal und seine Tochter in Großbritannien stand. Und nicht zu vergessen: das Dauerfeuer der Anschuldigungen gegen Putin, der den "Giftgas-Schurken" Assad in Syrien stützt.

Auch vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi, 2014, also noch vor der Ukraine- und Krimkrise, gab es eine Welle von Berichten über Russland, die es als Heimatland krimineller Aktivitäten außerhalb der westlichen Werte-Gemeinschaft porträtierten.

Die russische Regierung nimmt keine Rücksicht auf Menschenrechte und Menschenleben, sie agiert brutal, mörderisch und heimtückisch - so lautet das Wesen, das die Serie der Vorwürfe der Führung in Moskau, wo ein ehemaliger Geheimdienst-Offizier Präsident ist, zuschreibt.

Der große Fall in dieser Reihe ist die Geschichte des Buchhalters Sergei Magnitski, der im November 2009 in einem russischen Gefängnis nach Wochen entsetzlicher Qual unter nicht genau geklärten Umständen umkam. Die offizielle Todesursache lautet "Herzversagen". Internationale Schlagzeilen machte der Vorwurf, dass Magnitski im Gefängnis von Schergen der Regierung zu Tode geprügelt wurde.

Bild: © Piraya Film AS. Photo: Anna Marchuk

Magnitskis Auftraggeber, der US-Investor und Hedgefondsmanager Bill Browder, machte ihn als investigativen Anwalt zum Helden der Aufklärung eines 230 Millionen Dollar schweren Diebstahls von Beamten der russischen Polizei und des Innenministeriums, das dabei mit der Mafia zusammengearbeitet haben soll. Da Magnitski diesen Steuergelder-Diebstahl aufgedeckt habe, musste er sterben, lautet Browders Geschichte. Sie ist die exemplarische Grundform für spätere westliche Krimis über den Kreml.

Browder hatte großen Einfluss, gerierte sich zum Anwalt der Menschenrechte in Russland, schrieb ein Buch über den Fall und ist überall mit der Geschichte präsent und in der Öffentlichkeit. Auf seine Anklage geht das US-Gesetz "The Magnitsky Act" unter Präsident Obama zurück, das Sanktionen gegen Russen auf der "Magnitsky"-Liste verhängte. Russland antwortete mit Gegenmaßnahmen, wie dem Verbot von Adoptionen russischer Kinder durch US-amerikanische Adoptiveltern.

Die russische Regierung hatte eine andere Version zu den Hintergründen von Sergei Magnitskis Tod. Sie wurde aber in der westlichen Öffentlichkeit kaum oder gar nicht wahrgenommen. Vorgeformte Erzählungen, journalistische Arbeitsmethoden, das Spiel mit Verzerrungen und Empörung spielen eine zentrale Rolle im "Fall Magnitsky", der von Beobachtern als Auftakt des neuen Kalten Krieges zwischen den USA und Russland gesehen wurde. Dabei geht es um eine Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit zwischen "Demokratien der freien Welt" und Russland. Zerrbilder spielen eine wichtige Rolle.

Auch der Regisseur des mitreißenden Dokumentarfilms "The Magnitsky Act - Behind the Scenes", Andrei Nekrasov, sieht in dem Fall ein Musterbeispiel dafür, wie "gefälschte Narration die Politik beeinflusst, wie sie medial getragen wird, wie ein so einflussreiches Narrativ überhaupt entstehen kann, dem sich US-Präsident (Obama), europäische Parlamentarier und Journalisten ohne jegliches Hinterfragen oder Prüfen fügen".

The Magnitsky Act (8 Bilder)

Film-Still. Bill Browder. Bild: © Piraya Film AS / Tore Vollan

Nekrasov war zu Anfang der Dreharbeiten von der Version des amerikanischen Investors Bill Browder überzeugt, dann kommen Ungereimtheiten auf und dazu Fragen, auf die es plötzlich nicht mehr die passende Antwort gibt und die Erzählung gerät ins Kippen.

Der Film, der mit einer Rekonstruktion der heroischen Geschichte von Gut und Böse, wie sie Browder erzählt, beginnt, nimmt den Zuschauer auf eine investigative Reise mit, in der das politisch sehr erfolgreiche Narrativ des Westens nach und nach zerfällt.

Finanziert wurde der Film "The Magnitsky Act - Behind the Scenes" von namhaften Kulturfonds und öffentlich-rechtlichen Sendern, aber dann entwickelte er sich zum politischen Skandal und Förderer kneifen. Im Europaparlament wurde die Vorführung nicht gestattet, wie Piraya Film mitteilt.

"Die erste Filmvorführung sollte am 27. April 2016 im Europäischen Parlament in Brüssel stattfinden. ARTE/ZDF hat die Veranstaltung mitorganisiert, aber kurz vor dem Beginn wurde die Filmvorführung auf Grund der rechtlichen Intervention von Bill Browder und der Grünen-Abgeordnete Marieluise Beck abgesagt. Alle saßen im Plenarsaal und diskutierten über den Film, den sie nicht sehen durften." Dazu siehe auch: Arte stoppt Dokumentation zum Fall Sergej Magnitzki.

Für ein Eintrittsgeld von 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, können Sie am 13. Juni im Lovelace den überaus spannenden Film sehen, der Zug um Zug eine politische Geschichte aufdeckt, in die sowohl das große Geld als auch das europäische und US-amerikanische politische Establishment involviert ist.

Regisseur Andrei Nekrasov wird anwesend sein und sich Fragen der Telepolis-Redakteure und des Publikums stellen.

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