Droht eine Revolution von rechts?

Die festgenommene, Gottlob dilettantische Bande wollte am 3. Oktober ein Anschlagsfanal starten, aber Chemnitz und Köthen haben mit Rückendeckung durch AfD, Maaßen oder Seehofer endgültig die Schleusen geöffnet

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Gestern wurden in Sachsen und Bayern sieben 20-30-jährige Männer nach § 129a festgenommen. Nach der Bundesanwaltschaft stehen sie unter Verdacht, zusammen mit dem 31-jährigen Christian K., der als Rädelsführer gilt und bereits in Untersuchungshaft saß, die rechtsterroristische Vereinigung "Revolution Chemnitz" gegründet zu haben. Sollten die Vorwürfe zutreffen, bildete der "spontane" Protestzug durch Chemnitz tatsächlich einen Auftakt nicht nur zu offenen Menschenjagden, Bedrohungen von Ausländern und antisemitischen Übergriffen, sondern auch zur Bestärkung, rechtsterroristische Taten zu begehen.

Im Nachhinein werden die Versuche des Bundesinnenministers Seehofer und vor allem des abgesetzten, aber nur ins Bundesinnenministerium versetzten Chefs des Verfassungsschutzes Maaßen noch übler. Dass die AfD sich mit den rechtsextremen Gruppen verband und noch einmal zur Verstärkung von diesen den scheinheiligen "Trauerzug" durch Chemnitz veranstaltete, macht nur deutlich, dass die rechten Gewaltbereiten genau aus diesem Sumpf der scheinbar besorgten Bürger und ihrer politischen Fürsprecher ihre Bestätigung ziehen.

In Köthen konnte Thügida-Chef völlig ungehindert, in Präsenz der Polizei, von "Rassenkrieg" sprechen und zur Gewalt aufrufen: "Wollen wir weiter Schafe bleiben, oder wollen wir zu Wölfen werden und sie zerfetzen?" Journalisten drohte er an, sie einzusperren, wenn "wir an die Macht kommen", und sie zu bestrafen: "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Ebenso ungehindert konnten dann rechte Gruppen durch die Stadt ziehen und brüllen: "Nationalsozialismus jetzt".

Die jetzt Festgenommen sollen sich als Avantgarde der rechtsextremen Szene Sachsens verstanden haben und aus der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene kommen. Zusammengeschlossen haben sie sich um den 11. September, also nach Chemnitz und Köthen, zur Gruppe "Revolution Chemnitz" und sollen den Umsturz des Systems geplant haben. Offenbar war man eher kurzfristig und wenig geplant angetreten, um schon am 3. Oktober Großes auszuführen und ein Fanal zu setzen. Das scheint aber von den spontanen Terrorismusadepten noch nicht richtig ausgedacht worden sein. Aber es sollte auch gegen "die Mediendiktatur und deren Sklaven" gehen.

Sie wollten groß rauskommen, den mordenden NSU hatten sie als "Kindergarten-Vorschulgruppe" bezeichnet. Das zeugt weder von großer Planungsfähigkeit noch von großer Intelligenz. Dass nach dem NSU im rechtsextremen Untergrund keine Ruhe einkehrte, zeigt auch etwa die Niederschlagung der Gruppe "Freital". Der NSU hat die Schleusen geöffnet, der Prozess gegen Zschäpe und Co. hat nicht nur die Verwicklung des Verfassungsschutzes beiseitegelassen, sondern auch nichts getan, um das Umfeld zu eruieren, das nun weitere Terrorgruppen gebiert.

Wahrscheinlich ist der Massenmörder Breivik mit seinen Taten und seiner Ideologie für viele noch Vorbild. Einer der Festgenommenen, der 30-jährige Tom W., gehörte einst der der NPD nahestehenden Kameradschaft "Sturm 34" an, die 2006 verboten wurde, weil sie Überfälle ausgeführt und ihre Gewaltbereitschaft damit auch schon vor mehr als 10 Jahren demonstriert hatte.

Geplant waren nach der Bundesanwaltschaft Anschläge auf Ausländer und politisch Andersdenkende: "Zu den politisch Andersdenkenden zählen die Beschuldigten den Erkenntnissen zufolge auch Vertreter des politischen Parteienspektrums und Angehörige des gesellschaftlichen Establishments." Die Mitglieder der terroristischen Bande sollen versucht haben, an halbautomatische Schusswaffen zu gelangen. In den Wohnungen wurden allerdings keine Schusswaffen gefunden.

Einen Probelauf hatten die Beschuldigten mit anderen Rechtsextremen am 14. September im Kontext einer Kundgebung der rechten Bewegung "Pro Chemnitz" durchgeführt. Ausgerüstet mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroimpulsgerät hatten sie als eine Art Bürgerwehr, die Terror ausüben und Angst verbreiten wollte, vermeintliche Ausländer angegriffen und verletzt. Ob die Festgenommenen auch an den Ausschreitungen in Chemnitz beteiligt gewesen waren, wird noch untersucht.

Pro Chemnitz erklärte gestern scheinheilig: "Bezüglich der sogenannten Chemnitzer 'Terrorgruppe', deren 'Mitglieder' heute verhaftet worden sind, teilen wir mit, daß wir keinerlei Kenntnis von den Hintergründen haben und auch keine Kontakte bestehen. Unabhängig davon, was genau hinter diesen Vermutungen steckt: PRO CHEMNITZ demonstriert friedlich und dabei wird es auch bleiben." Für den 5. Oktober wird zur Veranstaltung: "Heimat ist nicht verhandelbar" aufgerufen.

Droht eine Revolution von rechts? Noch ist das keine Gefahr. Aber rechte Radikalität wird chic und Rechtsnationalismus gilt als Avantgarde gegenüber dem "System", das die alten konservativen und linken Positionen einschließt. Wo die Mitte angeblich alternativenlos wird, wächst der Wille zum Aufstand, der jetzt das rechtsextreme Abenteuertum interessant macht. Werden wir mit Gewalt und Terrorismus von rechts zu rechnen haben? Ziemlich sicher. Und wehe, die Wirtschaft bricht ein ...