Mazedonischem Ministerpräsidenten gelingt Zweidrittelmehrheit für Namensänderung

Das Parlamentsgebäude in der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Foto: Dvacet. Lizenz: Public Domain.

Opposition will Zustimmer ausschließen

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Ein Antrag auf Verfassungsänderungen, die eine Umbenennung in "Republik Nordmazedonien" möglich machen, erreichte gestern im Parlament von Skopje mit 80 von 120 Stimmen knapp die nötige Zweidrittelmehrheit, weil mehrere Abgeordnete der Oppositionspartei VMRO-DPMNE dafür stimmten. Einer von ihnen, Zekir Ramcilovic, rechtfertigte die seinen Worten nach "schwere, aber verantwortungsvolle Entscheidung" gegenüber der Abendzeitung Večer mit der Abwendung von Schaden für sein Land. Kritiker der Entscheidung glauben dagegen, dass es Deals gab, in denen möglicherweise Geld floss. Hristijan Mickoski, der Vorsitzende der VMRO-DPMNE, will Ramcilovic und die anderen Abweichler nun aus der Partei ausschließen.

Regierungschef Zoran Zaev hatte die Parlamentsabstimmung angesetzt, obwohl eine vorher abgehaltene Volksabstimmung über eine "Mitgliedschaft in der EU und der NATO unter Annahme der Vereinbarung zwischen der Republik Mazedonien und der Republik Griechenland" mit einer Beteiligung von lediglich 33,4 Prozent der Wahlberechtigten das für eine Gültigkeit gesetzte Quorum von 50 Prozent klar verfehlte, weil unter anderem der parteilose (aber der Oppositionspartei VMRO-DPMNE nahe stehende) Staatspräsident Gjorge Ivanov zum Boykott des Referendums aufgerufen hatte.

Zaev begründete seine Entscheidung damit, dass das Referendum nur beratenden Charakter gehabt hätte und dass sich unter der teilnehmenden Minderheit eine "riesige Mehrheit" von 91 Prozent für sein Vorhaben ausgesprochen habe, weshalb er deren "Wunsch" in eine "politische Aktivität des Parlaments umsetzen" werde. Verweigere die Opposition dort die Genehmigung, werde er Neuwahlen ausrufen (vgl. Mazedonische Regierung will Staatsnamensänderung trotz Quorumsverfehlung).

Athen zufrieden, Brüssel begeistert

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras twitterte nach der gestrigen Entscheidung des mazedonischen Parlaments, diese sei ein "wichtiger Schritt für eine friedliche und prosperierende Zukunft für unsere Völker". In Griechenland ist seine Vereinbarung mit Mazedonien, die eine Aufnahme Mazedoniens in die EU und die NATO in Aussicht stellt, wenn das Land den auch von einer griechischen Region beanspruchten Namen ändert, nicht unumstritten. Der griechische Außenminister Nikos Kotzias trat deshalb diese Woche zurück (vgl. Außenminister Nikos Kotzias tritt zurück - Tsipras übernimmt).

Geradezu euphorisch reagierte man in Brüssel: EU-Ratschef Donald Tusk twitterte auf Mazedonisch von einem einem "großen Schritt in Richtung des Platzes, der Ihnen in unser transatlantischen Gemeinschaft zusteht", und Erweiterungskommissar Johannes Hahn sprach in einer gemeinsamen Erklärung mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini von einer "wahrlich einzigartigen Gelegenheit, das Land auf seinem europäischen Weg entscheidend voranzubringen".

Vorher zum Bulgarischen gerechneter Dialekt wurde erst 1944 zu einer eigenen Sprache erklärt

Das heutige Land Mazedonien gehörte früher zum Vielvölkerstaat Jugoslawien, wo man den vorher zum Bulgarischen gerechneten Dialekt der Bewohnermehrheit im Osten und Süden des Gebiets 1944 aus politischen Gründen zu einer eigenen Sprache erklären ließ und versuchte, im Schulunterricht eine eigene mazedonische Identität zu etablieren. Das, was dabei herauskam, trieb teilweise bizarre Blüten, weshalb es heute Mazedonier gibt, die glauben, ihre Sprache sei bereits von Alexander dem Großen gesprochen worden.

Beim Zerfall Jugoslawiens erklärte sich die Teilrepublik im September 1991 für unabhängig. Acht Jahre darauf versuchte eine albanische UÇK in Mazedonien den Norden und Westen des Landes, wo mehrheitlich Albanischsprecher leben, mit Terror und Gewalt an den Kosovo anzuschließen. Diese Versuche endeten 2001 mit dem Abkommen von Ohrid, durch das albanische Parteien im Parlament ein Vetorecht zugesprochen bekamen.

Euro-atlantisch orientierte Sozialdemokraten

Nach 14 Jahren relativer Ruhe brachen 2015 wieder Kämpfe aus (vgl. Mindestens 22 Tote bei Polizeieinsatz in Mazedonien), was zu einer Regierungskrise und 2016 zu vorgezogene Neuwahlen führte. Nach diesen erklärten sich sowohl die seit 2006 regierende und im Europaparlament mit der christdemokratischen EVP assoziierte VMRO-DPNE mit 51 als auch die sozialdemokratische SDSM mit 49 von insgesamt 120 Sitzen im Parlament zum Sieger.

Nachdem die Sozialdemokraten den Albaner Talat Xhaferi, einen durch das Ohrid-Abkommen amnestierten ehemaligen UÇK-Terroristen, zum neuen Parlamentspräsidenten wählten, gingen die BDI und mehrere andere Albanerparteien ein Regierungsbündnis mit der SDSM ein und machten am im Mai 2017 den euro-atlantisch orientierten Zoran Zaev zum Regierungschef. Vorher war es zu großen Demonstrationen gegen dieses Bündnis und zu Schlägereien im Parlament gekommen (vgl. Mazedonien: Regime Change oder Regierungswechselblockade?).

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