Die Automatisierung der Inhalte-Erstellung

KI als Autor von Content

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Als ich das zum ersten Mal sah, dachte ich: Was zur Hölle ist das?

( Ein Nutzer berichtet in der Dokumentation "Inside Google" über seine Reaktion auf das für ihn erste automatisch generierte Fotoalbum von Google Photos)

"Kopieren, Programmieren, Automatisieren sind die neuen […] Werkzeuge.

( Kenneth Goldsmith, Klappentext zu "Uncreative Writing")

Weshalb staunte der versierte App-Nutzer? Die Google Photos-App hat automatisch eine Bildergalerie von Fotos seines jüngsten Urlaubs produziert. Wie aus dem Nichts war sie da, ungefragt: Ein- und auszoomende Urlaubsbilder, die Übergänge zum Teil mit Effekten, wie wir sie von PowerPoint kennen. Die Google-App hat alle Bilder geolokalisiert, die Reiseroute rekonstruiert und Datumsangaben ergänzt. Schließlich unterlegte sie das Ganze mit der üblichen Einheitsmusik, die wir von Abertausenden anderen Videos im Netz kennen.

Teil 1: Eine Million Bücher mit automatisch erzeugten Texten

Zwangsbeglückung mit "kuratierten Sammlungen"

Mein iPhone hat mich im vergangenen Jahr ähnlich überrascht: Die Funktion heißt "Andenken".

'Andenken' legt automatisch kuratierte Sammlungen Ihrer wichtigsten Fotos und Videos an. Die Fotos-App durchsucht automatisch Ihre Mediathek nach bedeutenden Personen, Orten, Urlauben usw., und präsentiert diese dann in kuratierten Sammlungen, die als ‚Andenken‘ bezeichnet werden.

(Apple-Support)

Urplötzlich schenkte mir mein iPhone einen "Film" über den Sommerurlaub mit meiner Tochter.

Nicht nur Google und Apple, auch Facebook beglückt seine NutzerInnen mittlerweile mit solchen "Diashows". Unter dem Titel "Zusammenhalt ist alles" und mit dem Zwischentitel "Zusammensein macht glücklich" erhielt ich unlängst ein 43 Sekunden dauerndes, automatisch generiertes Video, in dem meine Aufnahmen mit einem Fotopool von Facebook scheinbar recht beliebig durchmischt wurden.

Der Inhalt des Facebook-Fotovideos ist gleichermaßen unangreifbar, d.h. politisch korrekt wie stupide. Der Themenkomplex Zusammensein/Zusammenhalt hat weltweite Gültigkeit. Das Template gilt für jede/n Facebook-NutzerIn, der oder die eine Anzahl von FreundInnen hat. Funktion ist wohl nur die eigene Viralität: das Teilen des Videos mit anderen. Der Inhalt selbst ist so sinnbefreit wie viele Social Cards oder Social Clips, die derzeit mit Tools der Semi-Automatisierung von Inhalten1 für Facebook und andere soziale Medien erstellt werden.

Quelle: Eigener Screenshot von Facebook

Automatisch generierte Multimedia

Imageclips gelten bei vielen Unternehmen immer noch als sehr kostspielige Projekte. Weniger bekannt ist, dass es mittlerweile auch Angebote gibt, mit denen man gratis oder zu sehr niedrigen Kosten automatisch Videos generieren kann, wie etwa MySimpleShow. Der Berliner Pionier in Sachen automatischer Textgenerierung und Textanalyse, Retresco, hat mit MySimpleShow, ebenfalls aus Berlin, ein solches automatisches Imagevideo produziert. Auch die Stimme kommt hier natürlich von der Maschine.

Anbieter zur Erstellung von Erklärvideos arbeiten ebenfalls mit Templates, hier Storylines genannt. Das Tool eignet sich nicht nur für Unternehmensvideos, sondern auch für Kochrezepte, Einladungen und Buchzusammenfassungen. Auch hier ist der ästhetische Preis zu zahlen: "Originalität" wird zur massenhaften Replikation.

Noch fertigen Studierende ihre Präsentationen mit PowerPoint (oder seltener: Prezi) selbst an, und die Inhalte sind noch sehr textlastig. Nur selten stellen StudentInnen ihr Thema mit einem Explainer Video dar. Doch das könnte sich ändern, wenn wir uns weiter weg von der typografischen und hin zur "posttypografischen Kultur" (Michael Giesecke2, Frank Hartmann) bewegen, in der multimediale Skills den rein textlichen überlegen sein sollen.

Diese Beispiele zeigen, dass die vielgepriesene Multimedia-Kompetenz für die Erstellung von Multimedia-Inhalten dieser Art kaum mehr notwendig ist, da solche Contents (zumindest semi-)automatisch erstellt werden können. Google und Facebook beglücken NutzerInnen bereits mit Ready-Mades: Der/die NutzerIn muss gar nichts mehr auswählen bzw. in Auftrag geben, sondern der Push-Mechanismus der Medien selbst liefert die konfektionierten Inhalte frei Haus. Die eigene Kreativität, das eigene Arrangement, das eigene Storyboard sind hier nicht mehr vonnöten. Anbieter zur Produktion von Explainer Videos, von Social Cards oder Social Clips verlangen zumindest eine Auswahl aus einer endlichen Serie von Templates und auch noch das eigene Texten, wobei auch hier deutliche Limitierungen bestehen.