Neues von der britischen Beeinflussungskampagne des ominösen Institute of Statecraft

Neue Dokumente zeigen, wie der Skripal-Fall ausgeschlachtet wurde und welche Strategien und Narrative unterstützt werden

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Über die bis zum ersten Leak im Verborgenen agierende britische Beeinflussungskampagne gegen Russland hatte Telepolis schon Ende November 2018 berichtet (Integrity Initiative: Britische Beeinflussungskampagne gegen Russland?). Das britische Außenministerium finanziert mit anderen Geldgebern wie der Nato, dem US-Außenministerium oder dem litauischen Verteidigungsministerium über das Institute of Statecraft die 2015 gegründete Integrity Initiative, um die Demokratie gegen russische Desinformation zu verteidigen. Sie versucht nach geleakten Dokumenten, die bislang in ihrer Authentizität nicht bestritten wurden, in vielen Ländern "Zellen" mit einflussreichen Personen aufzubauen, um eine transatlantische, anti-russische Agenda in Medien und Öffentlichkeit durchzusetzen. Ansonsten werden Veranstaltungen durchgeführt, Artikel verbreitet und auf Twitter Stimmung gemacht.

Dazu wurde auch in den sozialen Netzwerken versucht, Jeremy Corbyn und seine Anhänger in einer Desinformationskampagne als Handlager Russlands zu bezeichnen, was zumindest in Großbritannien auch im Parlament für Ärger gesorgt hat (Infowar oder Absurdistan: Britisches Außenministerium im Strudel der Desinformation). Deutlich wurde auch, dass letztes Jahr eine Kampagne gegen den nicht ganz Nato-linientreuen Militär Pedro Banos durchgeführt wurde, um zu verhindern, dass dieser zum Chef der Dirección de Seguridad Nacional de España ernannt wird. Das war von Erfolg gekrönt. Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez setzte stattdessen den General Miguel Ángel Ballesteros auf den Posten.

Der Labour-Abgeordnete Chris Williamson bemüht sich um Aufklärung. Er sieht die Integrity Initiative als Wiederholung der CIA-Operation Mockingbird in den frühen 1950er Jahren in der Hochzeit des Kalten Kriegs, als u.a. versucht wurde, Journalisten zu gewinnen, um die Öffentlichkeit durch die Berichterstattung in Mainstreammedien zu beeinflussen.

Schon das 2006 von Christopher Donnelly (ehemals Geheimdienstoffizier) und Daniel Lafayeedney, ehemals SAS, jetzt für den militärischen Geheimdienst tätig, gegründete Institute of Statecraft (IfS) ist eine seltsame Organisation. Es ist als Stiftung in Schottland registriert, wo sich auch das offizielle Hauptquartier in Fife befindet. Es handelt sich, wie u.a. Chris Williamson eruierte, um ein abgelegenes, verfallendes und leer stehendes Gebäude. Der wirkliche Sitz befindet sich in 2 Temple Place, London, WC2R 3BD, einer exklusiven und teuren Lage. Unklar ist, wer für die Miete aufkommt.

Die sich als Anonymous ausgebenden Leaker haben nun weitere Dokumente veröffentlicht, was staatliche russischen Medien gerne aufgegriffen haben. Der Verdacht liegt nahe, dass hier eine Kooperation stattfinden könnte, nach der antirussischen Agenda wird sicher wie während des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2016 wieder behauptet werden, dass russische Geheimdienste die Dokumente gehackt und veröffentlicht haben.

Experten, die dem Institute of Statecraft nahestehen oder von ihm finanziert werden, machen das natürlich auch prompt wie beispielsweise Denys Kolesnyk: "Ah, that's another great example of #Russia #informationwarfare #IW. From the very beginning Moscow has been communicating the message of a Western "plot" against #Russia and these 'leaks' should make us believe the 'Skripal case' has been faked to accuse Russia." Interessant ist, dass das Geschäft mit der Aufdeckung und Bekämpfung der russischen Desinformation auch eine amerikanische Firma ereilt hat, die für den US-Senat einen Bericht erstellt hat, aber im Dienste von Demokraten eine Beeinflussungskampagne gegen einen republikanischen Politiker geführt hat (Aufdecker von russischer Desinformation führten Wahlbeeinflussungskampagne durch).

Die Leaker bemerken, dass bereits von manchen ein Zusammenhang mit dem Skripal-Fall vermutet wurde, weswegen sie auf einige Dokumente hinweisen, die das bestätigen könnten. So hatte bereits Craig Murray darauf aufmerksam gemacht, dass an der Integrity Initiative Pablo Miller beteiligt ist, der in Salisbury wohnt, Sergei Skripal betreut und ihm dort auch das Haus beschafft hat. Zudem stieß Murray in der geleakten Liste von Mitarbeitern auf Howard Body, stellvertretender Leiter für "Science Support" des Militärlabors Porton Down, das beim Skripal-Fall eine wichtige Rolle spielte.

"Normale Russen zum Ziel westlicher Medien machen"

Die Leaker weisen auf einen Bericht (Anfang 2015), der von Victor Madeira vom Institute for Statecraft stammen soll und möglicherweise im Hintergrund der Gründung der Initiative stand. Dort werden die Möglichkeiten aufgelistet, wie man gegen Russland vorgehen könnte, wobei die Ziele völlig unbestimmt zu sein scheinen: "Behaviour change? Peace with Ukraine (UKR), Return Crimea? Regime change? Other?" Als mögliche Unterstützer werden beispielsweise das mit westlichen Geldern betriebene Ukraine Crisis Media Center und das Projekt "Mirotvorets" genannt. Dabei handelt es sich um eine Website, die angebliche Staatsfeinde mit persönlichen Daten auflistet und vermutlich in Kooperation mit dem Geheimdienst SBU betrieben wird (Skandal ohne Konsequenzen seitens der Bundesregierung.

Ansonsten wird vorgeschlagen, Russland aus G8 oder der WTO auszuschließen, Sanktionen auszuweiten, kulturelle Beziehungen zu stoppen, die wirtschaftlichen Möglichkeiten einzuschränken und auch "normale Russen zum direkten Ziel westlicher Medien zu machen", was jetzt immer Russland vorgeworfen wird. So könne man doch der BBC mehr Geld, um russisch zu berichten, oder Medien wie der Kyiv Post, der britischen Times oder der New York Times Geld anbieten, um ihre Bezahlschranken abzubauen, während der West RT sanktionieren sollte, weil der russische Auslandssender nicht den Vorschriften der Regulierungsbehörden gehorche (letzteres wurde in GB begonnen). Überdies sollten Bürgerjournalisten in der Ukraine und in Russland finanziert und Informationsoperationen" aufgedeckt werden.

Vorgeschlagen wird auch mit Verweis auf die Operation FOOT, möglichst jeden russischen Geheimdienstmitarbeiter und Militärattache aus möglichst vielen Ländern auszuweisen. 1971 hatte Großbritannien bereits 105 sowjetische Botschaftsangehörige des Landes verwiesen. Das Rezept wurde jedenfalls nach dem Skripal-Anschlag tatsächlich von vielen Staaten umgesetzt. Und es sollten neben Geheimdienstarbeitern auch "Beeinflussungsagenten" des Landes verwiesen oder verhaftet werden.