Keine Lust auf Heiraten, nicht einmal auf Dating

Der Grund für die wachsende Asexualität inmitten allgegenwärtiger Pornografie ist offen

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Japan und Südkorea scheinen Pioniere in der Veränderung der Lebensweise zu sein, was Sexualität und Partnerschaft angeht. Die Menschen werden asexuell und haben keine Lust mehr auf Partnerschaften (Sex ist Mühsal). Ein Trend der schon längere Zeit anhält. Japans Nationales Institut für Bevölkerungswissenschaft und Soziale Sicherheit sprach 2016 schon von endemischer Sexlosigkeit, betroffen ist vor allem die jüngere Generation, die körperlichen Sex und körperliche Nähe oder zumindest den Paarungsmarkt mit seinen Anforderungen mehr zu scheuen scheint und vielleicht auf der Suche nach etwas anderem ist. Ob dazu auch Warnungen von Wissenschaftlern passen, dass die Zahl und Qualität der Spermien zunehmend abnimmt?

In beiden Ländern wird allerdings nur, beängstigt durch den Rückgang der Geburtenrate (Südkorea: 0,95) und die daraus folgende Vergreisung, seit Jahren regelmäßig die Bevölkerung gefragt, wie es mit ihrem Sexualleben aussieht. Das könnte in anderen Ländern vielleicht nicht so viel anders aussehen, auch wenn in verschiedenen Kulturen die Antworten anders ausfallen mögen, als es in der Realität der Fall ist. Was die Lage in den USA betrifft, hatte der Atlantic im Dezember 2018 von einer zunehmenden "Sex Recession" gesprochen. Es scheint jedenfalls diesen Trend auch anderswo zu geben, Single bleiben und sich nicht binden zu wollen, auch der Anteil der Asexuellen steigt, während oder weil die Sex-Roboter auf den Markt kommen und den menschlichen Partner verdrängen und Porno weiter boomt, der möglicherweise auch weniger anregend ist, sondern zunehmend als Ersatz für zwischenmenschliche Sexualität dient.

Ein Evolutionspsychologe sieht vor allem einen Mangel bei den jungen Männern (Warum Männer Singles sind). Viele könnten nicht flirten oder hätten dies nicht gelernt (Online-Pornos bieten in der Tat dazu kein Vorbild und ließen sich schon als Ausdruck der Beziehungslosigkeit verstehen).

Wie auch immer, ein kürzlich vom Korea Institute for Health and Social Affairs (KIHASA) veröffentlichter Bericht bestätigt zumindest für Südkorea erneut den Trend. Die vorhandenen Daten sind allerdings nicht ganz frisch und behandeln zunächst einmal den weiteren Gang ins Single-Dasein und damit die Unlust oder Unfähigkeit zu den Verbindlichkeit einer Zwangsgemeinschaft wie der Ehe, für die für die Nicht-Heterosexuellen gekämpft wird.

2015, danach liegen die Daten noch nicht vor, waren 90 Prozent der 25-29-Jährigen südkoreanischen Männer unverheiratet, 1995 waren es noch 64 Prozent. Der Anteil der unverheirateten Männer ist in allen Altersgruppen angestiegen. Analog ist dies der Fall bei den Frauen, bei denen 2015 77 Prozent der 25-29-Jährigen nicht verheiratet sind. In Japan setzte dieser Trend schon früher ein, jetzt hat Südkorea Japan überholt. Berücksichtigt wurden nur heterosexuelle Beziehungen.

Nun könnte man sagen, es wollen halt nicht mehr so viele Menschen heiraten, zumal die Akademiker haben es damit nicht eilig. Aber die Zahl der Unverheirateten ist auch bei den Älteren angestiegen, obgleich nicht so steil. Ein Grund könnten auch die prekären Verhältnisse sein und der Umstand, dass in den Städten die Lebenshaltungskosten über die Einkommen stark gestiegen sind. Ein banaler Grund könnte darin liegen, dass in den Hightech-Ländern, die beide auch auf Automatisierung und Roboter setzen, die Arbeitsbelastung weiter extrem angestiegen ist, weswegen man keine Zeit mehr für Sex und Partner hat.

Aber es geht nicht nur um Heiraten, da auch nur 33 Prozent der unverheirateten Männer und 37 Prozent der unverheirateten Frauen im Alter zwischen 20 und 44 Jahren im Jahr 2012 eine feste Beziehung hatten. Bei den 30-35-Jährigen waren es damals fast 0 Prozent. KIHASA ist der Meinung, dass Koreaner in ihren 30er Jahren eher auf ihre weitere Karriere achten und keine Beziehungen mehr beginnen, um nicht in die Gefahr zu kommen, heiraten zu müssen. Tatsächlich machen nur noch 31 Prozent der 30-34-jährigen Männer überhaupt Dates, die zwischen 35 und 39 haben das mit 14 Prozent schon weitgehend eingestellt. Bei den Frauen sieht es ähnlich aus, auch wenn sie mit 21 Prozent noch eher Männer treffen. Dabei fahren Männer mit hoher Bildung besser als Frauen mit hoher Bildung. Einkommen spielt auch eine erheblich Rolle, vor allem bei den Männern.

Nach OECD-Daten haben Südkoreaner durchschnittlich 250 Stunden mehr als Amerikaner und sogar 424 Stunden mehr als Deutsche im Jahr 2017 gearbeitet. Da kann es dann tatsächlich eng werden. Frauen, so wird auch berichtet, hätten zunehmend keine Lust mehr, sich in einer männerdominierten und sexistischen Gesellschaft und Wirtschaft unterzuordnen und auf Karriere und Freiheit zu verzichten.