Genfer Konvention für Umweltschutz bei kriegerischen Konflikten wird gefordert

Von irakischen Truppen während des Golfkriegs 1991 auf dem Rückzug angezündete Ölquellen. Bild: DoD

Die Vereinten Nationen arbeiten Prinzipien für den Umweltschutz bei bewaffneten Konflikten aus, Wissenschaftler fordern, dass militärische Konflikte nicht mehr die Umwelt demolieren dürfen

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Kriegen fallen nicht nur Menschen zu Opfer, sondern es werden auch Ökosysteme vernichtet oder anhaltend beschädigt, Tiere und Pflanzen ausgelöscht, das Wasser vergiftet. Siehe zum Beispiel "Living under a black sky. Conflict pollution and environmental health concerns in Iraq" von Pax for Peace. 22 internationale Wissenschaftler - ein Deutscher ist nicht dabei! - haben nun in einem offenen Brief mit dem Titel: "Stop military conflicts from trashing environment", der in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde, die Vereinten Nationen aufgefordert, durch eine Fünfte Genfer Konvention zur Aufrechterhaltung des Umweltschutzes in kriegerischen Konflikten zu sorgen.

2013 hatte bereits die Kommission für Internationales Recht der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen, das Thema "Umweltschutz bei bewaffneten Konflikten" in ihr Programm aufzunehmen. Es gibt zwar bereits mit der 1978 in Kraft getretenen ENMOD-Konvention (Convention on the Prohibition of Military or Any Other Hostile Use of Environmental Modification Techniques) ein Umweltkriegsübereinkommen.

Vor und nach dem Einsatz von Agent Orange über einem Mangrovenwald im Vietnamkrieg. Bild: public domain

Angesichts der amerikanischen Praxis im Vietnam-Krieg, wo großflächig dioxinhaltige Herbizide wie Agent Orange eingesetzt wurden, um Wälder zu entlauben und Ernten zu vernichten, hatte die Sowjetunion ein solches Abkommen vorgeschlagen. Es verpflichtet, "umweltverändernde Techniken, die weiträumige, lange andauernde oder schwerwiegende Auswirkungen haben, nicht zu militärischen Zwecken oder in sonstiger feindlicher Absicht als Mittel zur Zerstörung, Schädigung oder Verletzung eines anderen Vertragsstaats zu nutzen".

Abkommen zum Schutz der Umwelt in bewaffneten KOnflikte bislang wirkungslos

Zuvor wurde bereits 1977 im 1. Zusatzprotokoll der Genfer Abkommen, das Bestimmungen in diesen ergänzt, im Teil III zu Methoden und Mittel der Kriegführung in Artikel 35 ein allgemeinerer Umweltschutz festgelegt: "Es ist verboten Methoden oder Mittel der Kriegführung zu verwenden, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie ausgedehnte, lang anhaltende und schwere Schäden der natürlichen Umwelt verursachen." Damit wären nur Methoden und Mittel verpönt, die direkt Umweltschäden verursachen sollen, nicht aber solche, deren Einsatz zu schweren Schäden führt.

Dass beide Abkommen zahnlose Tiger sind, kann man schon daran erkennen, dass die USA, die dem ENMOD-Abkommen 1980 beigetreten sind, in ihren Kriegen (Serbien, Irak, Afghanistan, Syrien) Munition mit abgereichertem Uran (DU) in großen Mengen verwendet haben, das die Umwelt und die Menschen auf lange Zeit gefährdet und belastet (Massenvernichtungswaffe Uranmunition?). Selbst eine UN-Resolution, die Staaten verpflichten würde, wenn sie DU-Munition in einem Land eingesetzt haben, diesem zu helfen, sie zu identifizieren zu beseitigen, wurde von Frankreich, Israel, Großbritannien und den USA abgelehnt.

Beim Aufprall eines DU-Projektils entzündet sich der Uran-Kern. Dabei verdampft ein Teil des DU zu Aerosol, also zu feinem Staub, der vom Wind größere Strecken befördert und durch die Atmung mit aufgenommen werden kann. Der Rest verteilt sich in der unmittelbaren Umgebung, wo Menschen in Kontakt mit ihm geraten können. Uranoxidstaub gelangt ins Grundwasser, auch die Korrosion von DU-Munition gibt den Stoff ab.

Staaten sollen für Umeltschäden haftbar gemacht werden.

2015 wurden erstmals 5 Prinzipien für das mögliche Abkommen vorgeschlagen. Nach Prinzip 1 ist die natürliche Umwelt ziviler Natur und darf nicht angegriffen werde, sofern es nicht zu einem militärischen Ziel wurde. Nach Prinzip 2 müssen die Regeln der humanitären Gesetze auch hier zum größtmöglichen Schutz angewendet werden, also Vorsichtsmaßnahmen beim Angriff, Unterscheidung, Angemessenheit und militärische Notwendigkeit. Nach Prinzip 3 müssen die Folgen für die Umwelt berücksichtigt werden, wenn militärische Ziele nach Notwendigkeit und Angemessenheit beurteilt werden. Angriffe auf die natürliche Umwelt als Vergeltungsmaßnahmen sind nach Prinzip 4 verboten. Vor einem bewaffneten Konflikt, so Prinzip 5, sollen Staaten Gebiete von großer ökologischer Bedeutung entmilitarisieren.

Nach und nach wurden weitere Prinzipien für den Naturschutz bei bewaffneten Konflikten erarbeitet, in der letzten Fassung vom Juni 2019 sind es bereits 28 Prinzipien geworden. So sollen beispielsweise besonders von Indigenen bewohnte Gebiete verschont werden, auch bei Friedensmissionen soll es einen angemessenen Naturschutz geben, Staaten sind auch für in den Kriegsgebieten operierenden Unternehmen und Organisationen verantwortlich. Das Abkommen gilt ebenfalls für Besatzungsmächte. Nach einem bewaffneten Konflikt müssen Staaten notwendige Informationen zur Behebung der Schäden weitergeben und mithelfen, von Gifte und gefährliche Materialen zu entfernen oder unschädlich zu machen. Staaten und internationale Organisationen sollen kooperieren, damit Hinterlassenschaften des Krieges nicht die Meere gefährden. Zur staatlichen Verantwortung heißt es, dass ein "international verpönter Akt eines Staates in Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt, der Umweltschäden verursacht", diesen verpflichtet, "einen solchen Schaden wieder vollständig gutzumachen".

Vor der nächsten Sitzung der UN-Kommission für Internationales Recht fordern die Wissenschaftler jetzt ein neues Abkommen zum Schutz der Natur im Rahmen des Kriegsrechts mit den erarbeiteten Prinzipien. Man habe zwar schon vor 20 Jahren ein 5. Genfer Abkommen gefordert, aber militärische Konflikte würden weiter "die Megafauna zerstören, Arten auslöschen und Wasserressourcen vergiften". Zudem würde eine unkontrollierte Zirkulation von Waffen die Situation verschlimmern, weil dies etwa zu einem nicht-nachhaltigen Jagen von Wildtieren führe.

Ein internationales Abkommen würde rechtliche Mittel zum Schutz natürlicher Ressourcen beinhalten, was allerdings noch lange nicht heißt, dass diese auch beachtet werden, was sich auch beim bestehenden Kriegsrecht feststellen lässt. Kriegführende Staate werden vermutlich ein solches Abkommen ablehnen, das militärische Interventionen noch teurer machen würde, wenn Umweltschäden kompensiert werden müssen. Die Wissenschaftler hoffen auch, dass Staaten und Unternehmen kooperieren, um den Waffenhandel zu regulieren, und dass die "Militärindustrie" stärker für die Folgen ihrer Aktivitäten zur Rechenschaft gezogen werden.

Selbst wenn ein solches Abkommen mit einer hinreichenden Menge an Staaten, die ihm beitreten, zustande käme, wird dies zunächst kaum Folgen haben, wenn Staaten nicht zur Verantwortung gezogen werden (können). Angesichts der Machtlosigkeit der Vereinten Nationen, blockiert vor allem durch die Atom- und Vetomächte aus dem Kalten Krieg, sind die Chancen aussichtslos. Aber es wäre ein weiterer moralischer Appell, der helfen könnte, dass Umwelt- und Klimaschutz auch bei bewaffneten Konflikten und der Entwicklung von Waffen und Methoden ein wenig mehr beachtet werden. So lange es freilich Atomwaffen gibt, die das Überleben der Menschheit und vieler Ökosysteme bedrohen, wäre auch eine 5. Genfer Konvention vom Ansatz nur ein höchst bescheidener Beitrag.

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