Ein verlorenes Jahr für den Klimaschutz

Aufnahme des Satelliten Copernicus Sentinel vom 12. November. Bild: ESA/CC BY-SA-4.0

Jahresrückblick: Brennende Wälder auf allen Kontinenten, rasante Erwärmung in der Arktis und das Scheitern der Klimadiplomatie

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ich wünschte, die Bilanz auf die Klimaentwicklung und -politik dieses Jahres würde hoffnungsvoller ausfallen. Aber die Klimakrise entlässt niemanden in friedliche Feiertage (sei es nun zu Weihnachten oder zu jeglichen anderen Festen). Für die Menschen in manchen Regionen ist sie sogar in diesem Moment existenziell.

Wir blicken zurück auf ein Jahr großflächiger Brände und einer rasant auftauenden Arktis, und zwar in einem Tempo, das bislang niemand vorausgesehen hat. Gleichzeitig blicken wir zurück auf das Nichthandeln einer Weltgemeinschaft, die sich eben klimapolitisch kaum noch als Gemeinschaft verhalten will. Nationale und Kapitalinteressen werden ganz offensichtlich über die kleinsten Bemühungen um Klimaschutz gestellt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die immer deutlichere Warnungen aussprechen, was dem Planeten Erde, aber vor allem den ihn bewohnenden Menschen droht, werden nicht gehört. Aber wir können den Kopf nicht in den Sand stecken, denn auch der Sand wird eines Tages zu heiß dafür sein.

Die Klimakonferenz von Madrid ist gescheitert und ein Kontinent steht in Flammen

Symbolischer könnte das klimapolitische Jahr kaum zu Ende gehen. Für die Menschen, Tiere und Pflanzen in Australien ist das, was gerade geschieht, aber nicht symbolisch, sondern äußerst real. Buschbrände wüten in vier von acht Bundesstaaten, bislang ist eine Fläche von der ungefähren Größe Belgiens abgebrannt. Ärzte warnen vor einer unabschätzbaren Gesundheitsbelastung durch den Rauch, dem die Menschen nicht entgehen können. Landesweit wurde eine Durchschnittstemperatur von 41,9 Grad gemessen.

All dies findet in einer Welt statt, die sich seit Beginn der Industrialisierung durchschnittlich um etwa um ein Grad erwärmt hat - nicht um die 2,3 bis 3,5 Grad bei Einhaltung der nationalen Klimaziele oder die bis zu 4,1 Grad, die laut ClimateActionTracker bei Fortsetzung jetziger Politik zum Ende des Jahrhunderts herrschen würden.

Großflächig gebrannt hat es im Jahr 2019 auf allen Kontinenten, außer in der Antarktis. In Sibirien brannte der Wald über mehrere Monate, was zum einen auf hohe Temperaturen, zum anderen auch auf die Weigerung der russischen Institutionen, die Feuer zu bekämpfen, zurückzuführen war. Rund vier Millionen Hektar Wald fielen den Bränden zum Opfer. Auch in Kanada und Alaska gab es zahlreiche Brände.

Zwar haben Feuer in den arktischen Wäldern mit Blitzeinschlägen meist eine natürliche Ursache, Klimaerwärmung und zunehmende Trockenheit führen aber dazu, dass sich die Feuer heute weiter ausbreiten können und länger anhalten als früher. Die Feuer setzen nicht nur erhebliche Mengen an Kohlendioxid frei, sie tragen auch dazu bei, dass sich die Permafrostböden schneller erwärmen und in größere Tiefen tauen können - was wiederum darin gebundenen Kohlenstoff freisetzt.

Für weltweites Entsetzen sorgten die Brände im Amazonasgebiet, zum großen Teil in Brasilien, aber auch in Bolivien, die es im August in die Schlagzeilen schafften. Sowohl die brasilianische als auch die bolivianische Regierung zeigten sich dabei zunächst wenig ambitioniert bei der Brandbekämpfung. Die Brände waren zum Teil auf Brandrodung zurückzuführen, bzw. Feuer, die nach dem Abbrennen von Feldern außer Kontrolle geraten waren. Die brasilianische Regierung steht an der Seite der Großgrundbesitzer, die immer neue Flächen für den Anbau von Soja und für Viehweiden erschließen.

Eine größere Anzahl von Feuern als in Brasilien und Russland brannte 2019 in der Demokratischen Republik Kongo. Allerdings geht aus dieser Statistik nicht hervor, ob es sich um Wälder oder Grasland handelt und welche Flächen davon betroffen waren. Auch in Indonesien brannten nach Angaben des NABU bis Mitte September mehr als 300.000 Hektar Wald.

Bild: NOAA

Folgen des Klimawandels nicht mehr aufzuhalten

2019 wird aller Voraussicht nach das zweit- oder drittwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden, so die Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Wichtiger als der individuelle Rang des Jahres sei aber der allgemeine Erwärmungstrend der letzten fünf bzw. der letzten zehn Jahre. Seit den 1980er Jahren war jede Dekade wärmer als die vorangegangene. Dies werde sich, aufgrund der hohen Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre voraussichtlich so fortsetzen.

Wie WMO-Generalsekretär Petteri Taalas bereits auf der Weltklimakonferenz erklärte: "Die globale Durchschnittstemperatur ist seit der vorindustriellen Zeit um 1,1 Grad und die Meerestemperatur um ein halbes Grad Celsius gestiegen." Besonders vom Klimawandel gezeichnet sind die Polarregionen. So war 2019 auch das Jahr mit der zweitgeringsten Meereisbedeckung im November sowohl in der Arktis als auch in der Antarktis.

Berichte über einen deutlich beschleunigten Klimawandel häufen sich, ein Klimawandel, der sogar schneller voranschreitet, als Wissenschaftler es bislang in Modellen berechnet hatten. Da ist zum einen der abschmelzende Eispanzer über Grönland. Nach Angaben der Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten NOAA verliert der Eisschild 267 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr und trägt damit mit 0,7 mm pro Jahr zum Anstieg des Meeresspiegels bei.

Das Alfred-Wegner-Institut schreibt zum Eisverlust in Grönland: "Heute verliert Grönland durchschnittlich sieben Mal mehr Eis als noch zu Beginn der 1990er Jahre. Damit erreicht der Schwund ungefähr den Wert, den der Weltklimarat IPCC in seinem Worst Case-Szenario ermittelt, in dem weltweit nur sehr wenig gegen den Klimawandel unternommen wird."

Gemessen an der Lufttemperatur erlebte die Arktis nach NOAA-Daten wohl ihr zweitwärmstes Jahr seit 1900, die durchschnittlichen Wassertemperaturen im August waren an den Messstellen ein bis sieben Grad Celsius höher als in der Periode 1982 bis 2010. Die Erwärmung führt außerdem zum Auftauen der Permafrostböden. Dadurch könnten 300 bis 600 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr freigesetzt werden. Wir hatten darüber berichtet, dass die Böden teilweise schon heute so weit aufgetaut sind, wie es die Klimawissenschaftler des IPCC erst für das Jahr 2090 projiziert haben.

Der Arktis und ihren Gletschern widmete sich unter anderem auch der im September erschienene "IPCC-Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima". Obwohl dieser Bericht durchaus brisanten Inhalt birgt, fand er nur begrenzt mediale Beachtung.

Immer rasanter abschmelzende Gletscher und Eisschilde wären mittlerweile die Hauptursache für den Anstieg des Meeresspiegels und dieser wiederum würde die Existenz von 680 Millionen Menschen in Küstenregionen bedrohen. Aber auch Hochgebirgsgletscher drohten zu verschwinden. Durch das Auftauen von Permafrostböden drohten große Mengen der Treibhausgase Methan und Kohlendioxid freigesetzt zu werden. Die jetzt in Gang gesetzte Entwicklung ließe sich auch nicht einfach stoppen, sondern würde weit in die Zukunft wirken. Trotzdem könnten durch sofortige und deutliche Minderung des Treibhausgasausstoßes vielleicht die schlimmsten Auswirkungen verhindert werden.

Hoffnungsträgerin EU?

Die Hoffnung auf sofortige und drastische CO2-Reduktion zerschlug sich aber spätestens beim ergebnislosen 25. Weltklimagipfel (COP25) in Madrid Anfang Dezember. Zwar sollen die Regierungen erst bis zum nächsten Gipfel in Glasgow neue und ambitioniertere nationale Klimaziele (NDC) vorlegen, aber selbst diese Aufforderung wurde beim COP25 noch aufgeweicht, bzw. nicht in deutlichere und verbindliche Worte gefasst. So müssen die meisten Länder ihre Ziele theoretisch nicht verschärfen; es könnte auch reichen, bis 2020 ihre Ziele erneut mitzuteilen.

Bei den Hauptthemen der COP25, globale Regeln für den Emissionshandel sowie für den Ausgleich von Schäden und Verlusten durch den Klimawandel zu erstellen, konnten die Verhandelnden keine Einigkeit erzielen. Dass keine Einigung in Bezug auf den Emissionshandel besser sein könnte als eine schlechte Einigung, wurde an dieser Stelle dargelegt.

Die Welt verharrt also in einer klimapolitischen Patt-Situation. Die wenigen Staaten, die eine ambitionierte Klimapolitik betreiben, haben einen so geringen Anteil am weltweiten Treibhausgasausstoß, dass dies kaum einen Unterschied macht. Neue Hoffnungen mag man zum Ende des Jahres auf die EU setzen. Immerhin rief das Europäische Parlament Ende November den Klimanotstand aus und verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den "European Green Deal", wonach die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Das Klimaziel für 2030 soll außerdem auf mindestens 50 und idealerweise 55 Prozent CO2-Minderung verschärft werden. Der Deal soll alle Wirtschaftssektoren betreffen und innerhalb von 100 Tagen soll ein Europäisches Klimagesetz vorgelegt werden.

Allerdings setzt von der Leyen auf den Green Deal als "neue Wachstumsstrategie - für ein Wachstum, das mehr zurückgibt, als dass es nimmt". Ob dies möglich ist, mag nach den Gesetzen der Physik wie nach den Gesetzen des Kapitalismus bezweifelt werden.