Irans unterirdische "Raketenstädte"

Foto aus einer "Raketenstadt". Bild: Tasnim

Tief unter Bergen hat der Iran seit 30 Jahren Tunnels gegraben, um dort, geschützt vor Angriffen mit bunkerbrechenden (Atom)Waffen, einsatzbereite Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen zu lagern

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Das Atomabkommen mit dem Iran sollte das iranische Atomwaffenprogramm zumindest für einige Jahre einhegen. Nach dem durch Donald Trump beschlossenen Ausstieg der USA und der Verschärfung der Sanktionen fährt der Iran die Anreicherung von Uran wieder hoch. In Israel wird schon gewarnt, dass der Iran bis Jahresende genügend Uran angereichert haben könnte, um eine Atombombe zu bauen. Dass dies eine Lebensversicherung sein kann, hatte Nordkorea weltweit deutlich gemacht. Der amerikanische Anschlag auf den Kommandanten Soleimani dürfte weltweit dafür sorgen, dass Luft- und Raketenabwehrsysteme hochgerüstet werden und Staaten wie der Iran sich vor militärischen Angriffen durch Atomwaffen absichern wollen.

Aus der iranischen Geschichte heraus ist das im Atomabkommen nicht behandelte Thema des iranischen Raketenprogramms aus der Geschichte des Irak-Iran-Kriegs (1980-1988) verständlich. Der Erste Golfkrieg war vor allem für den Iran sehr verlustreich. Saddam Hussein hatte den Luftkrieg gegen den Iran mit den überlegenen französischen und sowjetischen Flugzeugen und ballistischen Scud-Kurzstreckenraketen begonnen, die Iraner verloren über Jahre mit ihren amerikanischen Flugzeugen, für die sie wegen des Embargos keine Ersatzteile mehr hatten. Mit Flugzeugen führte Hussein auch die Chemiewaffeneinsätze gegen iranische Stellungen und die kurdische Bevölkerung durch. Trotz irakischer Luftüberlegenheit konnten die iranischen Streitkräfte aber mit den noch ungenauen Scud-Raketen irakische Städte bombardieren und zumindest Angst verbreiten, auch wenn sie militärisch selbst ziemlich bedeutungslos waren.

Luft- und Raketenabwehrsysteme und Raketen sind seitdem für den Iran eine Garantie. Und wie die letzten Präzisionsangriffe mit Drohnen und Raketen auf die saudischen Ölanlagen von Aramco und den US-Stützpunkten im Irak demonstriert haben, hat der Iran hier enorme Fortschritte gemacht, was Präzision, Reichweite und Umgehung der amerikanischen Patriot-Raketenabwehrsysteme betrifft. Die gegen den Stützpunkt al-Assad eingesetzten Fateh-Raketen mit einer Reichweite von 300 km scheinen alle ihr Ziel genau getroffen zu haben, während 4 von 5 auf den Stützpunkt in Erbil abgefeuerte Qiam-Raketen mit einer Reichweite von 800 km ihr Ziel nicht erreicht hatten. Vermutet wird allerdings, dass einige der Raketen, die al-Asad getroffen haben, optimierte Qiam-2s-Raketen gewesen sein könnten.

Dass die Revolutionsgarden den - wahrscheinlich direkt oder auf Umwegen mit dem Pentagon abgesprochenen - Angriff auf al-Asad (Showdown Iran-USA: Ein Theaterzauber?) als Demonstration verstanden, die Raketen einzusetzen und damit auch US-Stützpunkte in der Region treffen zu können - man habe 104 Ziele anvisiert -, hatte eine Warnung von Amir Ali Hajizadeh, dem Luftwaffenkommandeur der Revolutionsgarden, am nächsten Tag deutlich gemacht. "Wir schossen 13 Raketen auf die US-Stützpunkte im Irak", sagte er, "aber wir haben hunderte Raketen zum Abschuss vorbereitet." Man habe niemanden töten wollen, auch wenn Dutzende von Menschen getötet oder verwundet worden seien. Man hätte durchaus so angreifen können, dass 500 Soldaten getötet würden, und wenn die USA zurückgeschlagen hätten, hätte die iranische Antwort in Tausenden von toten Amerikanern bestanden.

500 Meter im Untergrund

Bislang hatte weder das Pentagon noch Donald Trump nichts von Toten und Verletzten berichtet, Trump sagte vielmehr, es sei niemand zu Schaden gekommen ("no Americans were harmed"), im Pentagon wollte man allerdings nicht sagen, dass der Iran absichtlich niemanden töten wollten. Der Sprecher des CentCom, Captain Bill Urban, räumte am Freitag aber ein, dass doch "mindestens 11 Soldaten" verletzt worden seien, u.a. wegen Gehirnerschütterungen durch die Explosionen.

Tasnim veröffentlicht immer mal wieder Bilder von iranischen "Raketenstädten" im Untergrund, wo Hunderte von Raketen einsatzbereit gelagert seien. Erste Bilder wurden bereits 2015 von einer "Raketenstadt" veröffentlicht, die 500 Meter unter der Erdoberfläche liegen soll. Damals erklärte der Luftwaffenkommandeur der Revolutionsbrigaden bereits, es gebe davon mehrere über das ganze Land verteilt. 2016 wurden neue Bilder veröffentlicht, inklusive der kurz zuvor erstmal getesteten iranischen Langstreckenrakete Emad mit den Abschussfahrzeugen.

Im Oktober nach dem Angriff auf Aramco, zu dem sich aber Iran nicht bekannt hat, hatte Amir Ali Hajizadeh, der Luftwaffenkommandeur der Revolutionsgarden, ebenfalls auf das Netz von unterirdischen "Raketenstädten" hingewiesen. Man habe diese seit 1984 während des Ersten Golfkriegs geplant. Seitdem habe man rund um die Uhr unterirdische Tunnels gebaut: "Sehr komplexe Tunnels wurden unter der Erde und unter Bergen gegraben, um Munition, Raketen, Ausrüstung zu lagern und das Personal zu schützen." Iran sei überdies eines der wenigen Ländern, die Präzisionsraketen herstellen könnten: "Wir sind die stärkste Raketenmacht in der Region." Man entwickle auch Radarsysteme, die im Unterschied zu den stationären Systemen auch in Bewegung Ziele verfolgen und zerstören sollen.

Am 14. Januar hat nun Tarsim erneut Bilder von den unterirdischen "Raketenstädten" veröffentlicht, was wieder als Warnung verstanden werden soll. Offenbar wurden die Bilder aber wieder gelöscht, jedoch von anderen Medien aufgegriffen. Danach habe Hajizadeh erklärt, es gebe drei von diesen "Raketenstädten".

Ob der erneute Hinweis, wie von Medien suggeriert wird, mit der Anrufung des Schlichtungsmechanismus zu tun hat, ist fraglich. Wahrscheinlich soll nur erneut demonstriert werden, dass der Iran zurückschlagen kann, wenn er angegriffen wird, weil die Raketen auch vor bunkerbrechenden Bomben und, sollten sie wirklich 500 Meter unter der Erdoberfläche sein, auch vor taktischen Atombomben geschützt wären.

Israel hatte immer wieder gedroht, Atomanlagen im Iran zu bombardieren (Psychologische Kriegsführung), George W. Bush hatte 2002 im Vorfeld des Irak-Kriegs in dem damaligen Nuclear Posture Report darauf gedrungen, Mini-Atombomben zu entwickeln, die vor allem gegen die unterirdischen Anlagen des Iran und Nordkoreas sowie Iraks gedacht waren (Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten). Allerdings begann man bereits 1995 mit der Entwicklung einer kleineren B61-11-Atombombe zur Zerstörung unterirdischer Anlagen, die man aber als nicht wirklich neu deklarierte. Unter Barack Obama wurde erneut die "Modernisierung" der Atomwaffen in die Wege geleitet (USA haben neue Atombombe B61-12 getestet), Anfang 2019 wurde mit der umstrittenen Produktion der neuen Sprengköpfe W76-2 begonnen, im letzten Verteidigungshaushalts wurde auch der Einsatz der Mini-Nukes bewilligt.

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