Automatische Gesichtserkennung in Zeiten der Mund-Nase-Masken

Bild: Pille-Riin Priske/unsplash.com

Die staatlich verordnete Teilmaskierung macht manchen Hoffnung, dass sie künftig im öffentlichen Raum weitestgehend anonym auftreten können - das könnte sich als Fehlschluss herausstellen

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Die Identifikation von Personen anhand des Gesichts erfolgt in den meisten westlichen Industriestaaten anhand der Mund-/Nasen-Partie. Dass man vorab noch nach Haut- und Haarfarbe sowie Kopfform unterscheidet, und nur bei den am jeweiligen Standort üblichen Kriterien näher differenziert, bringt die Ermittler der Polizei gerne zum Verzweifeln, wenn die Beschreibung sich auf Afrikaner oder einen südländischen Typ beschränkt.

Während die Gesichter in Fernost nach der Augenpartie identifiziert werden und es daher in manchen Ländern als besonders unfreundlich gilt, die Augen hinter einer dunklen oder gar verspiegelten Sonnenbrille zu verbergen, kann die Mund-/Nasenpartie jedoch bei Feinstaub- oder Infektionsgefahr hinter einer meist industriell produzierten Maske versteckt werden. Thailändische Bauern tragen bei der Feldarbeit zum Schutz vor der Sonne vielfach eine gestrickte Haube, ähnlich einer Sturmhaube, wie sie Ski- oder Motorradfahrer als Kälteschutz tragen.

In Deutschland waren derartige Masken bislang überall dort, wo Kassen mit Bargeld vermutet wurden, meist verboten. Im Vorfeld der Corona-induzierten Maskenpflicht haben viele Ladengeschäfte darum gebeten, auf die Bezahlung mit Bargeld zu verzichten und bargeldlose Zahlungen zu wählen, die inzwischen bis zum Betrag von 50 Euro zumeist auch vollständig berührungslos ablaufen können, da man keinen Pin eingeben muss.

Digitale Gesichtserkennung funktioniert auch mit teilmaskiertem Gesicht

Da die Maskenpflicht kurz vor dem 1. Mai eingeführt wurde, kam so mancher 1.Mai-"Aktivist" ins Schwärmen, dass der Staat nun die Vermummung fordere. Dabei handelt es sich beim Mund-/Nasenschutz bestenfalls um eine Teilvermummung, welche die Augenpartie bewusst freilässt. Die veröffentlichten Vorschriften beschränkten sich allerdings auf das Minimum, dass Mund und Nase bedeckt sein müssen.

Da die automatisierte Gesichtserkennung in China schon deutlich stärker verbreitet ist als in Europa und gleichzeitig das Tragen von Mund-Nasen-Masken in Fernost weit häufiger vorkommt, kann man davon ausgehen, dass es in China Algorithmen gibt, welche anhand der Augenpartie eine sichere Identifizierung einer Person vornehmen kann. Die Sendung SWR2 Impuls am 12. März 2020 erläuterte in diesem Zusammenhang: "Mithilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) haben Wissenschaftler die Gesichtserkennung so weit perfektioniert, dass diese nicht mehr ausgetrickst werden kann. Während z.B. China die Gesichtserkennung massiv einsetzt, ist Deutschland zurückhaltender. " Entsprechend zurückhaltend sind bei diesem Thema vor allem die deutschen Software-Anbieter.

In Deutschland wird noch gern die Gefahr beschworen, dass der Staat angeblich allen Einwohnern einen RFID-Chip einpflanzen will, der eine Identifizierung von Menschen in der Art ermöglichen soll, die aus dem Umfeld der Haus- und Nutztierregistrierung bekannt ist, obwohl eine RFID-Erkennung nur auf kurze Distanz möglich ist, weil die vom Chip benötigte Energie diesem von außen zur Verfügung gestellt werden muss. China hat den Weg der Gesichtserkennung gewählt und nutzt diese nicht nur auf größere Distanz im öffentlichen Raum. Wer einen Smartphonevertrag abschließen will, muss inzwischen ein aktuelles Portraitfoto abliefern, wodurch der Bilderdatenbestand mehr oder weniger automatisch kontinuierlich aktualisiert wird.

Die Zukunft der Gesichtserkennung in Deutschland

Eines der ersten Projekte zur Gesichtserkennung im öffentlichen Raum fand im Bahnhof von Mainz statt und erzielte einen durchschlagenden Misserfolg bei der Erkennung, die schon mit einer Sonnenbrille fehlgeleitet werden konnte. Der nächste Versuch startete dann im Berliner Bahnhof Südkreuz. Hier war man stolz auf eine Trefferrate von mehr als 80 Prozent beim besten getesteten System.

Ob die automatische Gesichtserkennung den deutschen und vor allem auch den EU-Datenschutzbestimmungen entspricht, wenn die Bilddaten nach der Zuordnung in Datenbanken gespeichert werden, wird noch für lange Zeit ein durchaus gewichtiges Diskussionsthema darstellen. Dennoch entwickelt sich in Deutschland, wo man das chinesische Social-Scoring-System eher kritisch beobachtet, seit geraumer Zeit der Wunsch, anhand von Videoaufnahmen bestimmter Hot Spots Abweichungen von der Normalität und möglicherweise gefährlich erscheinende Entwicklungen beispielsweise in Bahnhöfen automatisiert erkennen zu können.

Die Mehrzahl der heute im öffentlichen Raum installierten Überwachungskameras nutzt jedoch im Interesse der Datensparsamkeit ein Komprimierungsverfahren, wie es bei MP4-Files angewandt wird, bei welchen nur die Änderungen gegenüber dem vorausgehenden Bild gespeichert wird, was die automatisierte Auswertung nicht gerade erleichtert.

Im Zusammenhang mit dem Tracking und Tracing von Corona-Infizierten, die sich nicht an Quarantäne-Vorschriften halten wollen, könnte das Thema der Identifizierung teilmaskierter Personen spätestens dann unversehens auf der Tagesordnung stehen, wenn in Deutschland sich eine zweite oder gar dritte Welle ausbreiten sollte. In diesem Zusammenhang wird sich die Politik auch schwer gegen einen Wunsch wehren können, die dafür benötigten Algorithmen in Fernost zuzukaufen. Dort ist die Auswertung der nicht von einer Atemmaske abgedeckten Gesichtsausschnitte inzwischen zumindest bei der Zutrittskontrolle schon Stand der Technik.

Somit verblüfft es nur wenig, wenn chinesische Unternehmen sich jetzt bei der Entwicklung der einschlägigen Normen für die Gesichtserkennung engagieren. Man hat in China inzwischen den Vorteil von Normen erkannt und ergreift dabei jede Möglichkeit, diese zu gestalten.