"Section 230 war nicht dazu gedacht, eine Handvoll Unternehmen zu Titanen wachsen zu lassen"

Donald Trump bei der Vorstellung seines neuen Dekrets. Bild: C-SPAN. Screenshot: TP

Trump lässt Plattform-Privilegien für Twitter und Facebook konkretisieren

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US-Präsident Donald Trump hat heute Nacht ein Dekret unterzeichnet, das er ankündigte, nachdem der Social-Media-Dienst Twitter einen seiner Tweets mit einem "Faktencheck" versehen hatte. Kern des Dekrets ist eine Aufforderung an den amerikanischen Handelsminister, die amerikanische Medienregulierungsbehörde FCC über die National Telecommunications and Information Administration dazu aufzufordern, sich um eine "Klarstellung" der Sektion 230 des Communications Decency Acts (CDA) zu kümmern.

Diese 1996 verabschiedete Regelung schützt Unternehmen wie Twitter, Facebook und YouTube bislang davor, für Äußerungen ihrer Nutzer haftbar gemacht zu werden. Ob ihnen dieses Haftungsprivileg damit tatsächlich entzogen wird, wie unter anderem die Washington Post vorher berichtet hatte, ist unklar. Dazu würde ein Dekret womöglich nicht ausreichen und es wäre eine Änderung des CDA über den Kongress nötig. Stattdessen scheint die "Executive Order" eher darauf abzuzielen, Klagen von Nutzern gegen Eingriffe der Plattformen in Meinungsäußerungen zu erleichtern.

"Täuschung", "Vorwand", "den eigenen Nutzungsregeln widersprechend"

Vor solchen Klagen brauchen sich die Unternehmen bislang nicht zu fürchten, wenn sie "in gutem Glauben" Anstrengungen unternehmen, "öbszönes, unzüchtiges, laszives, schmutziges, exzessiv gewalttätiges, belästigendes oder in anderer Weise anstößiges" Material zu zensieren. Nun soll die FCC Regeln dafür aufstellen, wann Handlungen von Plattformen als "Täuschung", als "Vorwand" oder als "den eigenen Nutzungsregeln widersprechend" gelten. Weiterhin konkret definiert werden soll, ab wann "nicht ausreichende Benachrichtigungen, unschlüssige Erklärungen und mangelnde Anhörungen" einem "guten Glauben" entgegenstehen.

Darüber hinaus wird der amerikanische Justizminister William Barr einen Gesetzentwurf gegen den Missbrauch von Monopolmacht zur Meinungsformung vorlegen und eine Arbeitsgruppe zusammenstellen, die sich mit der Anwendung von Gesetzen der einzelnen Bundesstaaten gegen "unfaire und täuschende Handlungen und Praktiken" befasst. Und Bundesbehörden müssen künftig prüfen, ob Social-Media-Unternehmen das Prinzip der Redefreiheit verletzen. Kommen sie zum Ergebnis, dass das der Fall ist, dürfen sie dort keine Werbung mehr schalten.

Bei der Vorstellung dieses Dekrets meinte Trump, damit werde die Redefreiheit vor großen Unternehmen beschützt. Diese Unternehmen hätten bislang eine "unkontrollierte Macht, praktisch jede Form von Kommunikation zwischen Privatleuten oder mit der Öffentlichkeit zu zensieren, einzuschränken, zu redigieren, zu formen, zu verstecken und zu ändern". Das nutzen sie Trumps Ansicht nach auch aus und greifen so stark in seine und andere Nutzeräußerungen ein, dass sie keine reinen Mittler mehr sind.

Section 230 des CDA war seinen Worten nach "nicht dazu gedacht, eine Handvoll Unternehmen zu Titanen wachsen zu lassen, die vitale Wege für unseren nationalen Diskurs unter dem Mantel der Förderung offener Diskussionsforen kontrollieren, um dann diesen Ungetümen unbeschränkte Immunität zu gewähren, wenn sie ihre Macht zur Zensur von Inhalten und der Unterdrückung ihnen unliebsamer Ansichten einsetzen". Deshalb bräuchten die Herren über die öffentlichen Plätze der Gegenwart mehr Regulierung. Unterstützung dafür gebe es nicht nur bei den Republikanern, sondern auch von demokratischen Politikern.

Twitter: "Versuche, die Vorschrift unilateral zu erodieren"

Twitter reagierte auf die Maßnahme heute Nacht mit einem Tweet, in dem es heißt, das Dekret sei "ein reaktionäres und politisiertes Herangehen an ein grundlegendes Gesetz". Sektion 230 beschütze "amerikanische Innovation und die Freiheit des Ausdrucks" und sei "untermauert von demokratischen Werten". "Versuche, die Vorschrift unilateral zu erodieren", würden "die Zukunft von Freiheiten im Internet und der Online-Rede gefährden".

Der texanische Senator Ted Cruz reagierte darauf mit der Aufforderung: "Dann hört mit euren Versuchen auf, den Ersten Verfassungszusatz 'unilateral zu erodieren' und benehmt euch nicht wie reiche, herablassende Schläger in Springerstiefeln." Cruz hatte bereits vor zwei Jahren gefordert, dass Facebook und anderen Social-Media-Unternehmen das Sektion-230-Privileg entzogen wird, weil solche Unternehmen seinem Eindruck nach heute sehr viel mehr Macht haben als vor 120 Jahren der Zeitungsoligarch William Randolph Hearst, der die USA in den Spanisch-Amerikanischen Krieg stürzte. Deshalb hält er auch einen Einsatz der Kartellgesetze für angebracht, mit denen damals die Macht von Konzernen wie Standard Oil begrenzt wurde. Sonst, so Cruz, könnten solche Unternehmen "demokratische Prozesse untergraben" (vgl. Facebook, Google und Twitter verweigern Erscheinen vor Zensurausschuss).

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