Die CORONA-Panik - Ein Irrtum?

Bild: NIAID/CC BY-2.0

Irren ist menschlich. Zeigt sich diese Menschlichkeit vielleicht auch in unserem Umgang mit CORONA?

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Wieder mal eine paar ganz simple Fragen. Die erste: Was wäre, wenn von der WHO (World Health Organization) - das ist diejenige an die Vereinten Nationen angeschlossene Gesundheitsorganisation, nach deren Seuchen-Klassifikationen sich alle Länder dieser Erde richten müssen - die bis dahin geläufige Definition dessen, was eine Pandemie ausmacht, 2009 nicht geändert worden wäre?1

Dann hätte, so meine Vermutung, der Ausbruch von CORONA (dem von den Medien verwendeten Namen für den mit der COVID-19-Atemwegserkrankung verbundenen SARS-CoV-2-Virus) im März 2020 von dieser Organisation und somit weltweit mit Sicherheit nicht so leicht als eine Pandemie ausgerufen werden können.2

Was heißen würde, dass … und jetzt dürfen Sie hier fast alles einfügen, was Sie über die CORONA-Pandemie bislang wissen bzw. zu wissen glauben. Ziemlich viel davon wäre heute sicher nicht der Fall.

Für die Beurteilung all dieser resultierenden irrealen "würde-heißen, dass…"- Konditionalsätze bin ich kein Experte. Ich bin weder Virologe noch Epidemiologe weder Ökonom noch Sozialpsychologe weder Jurist noch Statistiker weder Massenwahntheoretiker noch ein Vertreter aus den Dutzenden der weiteren Fächer, die hier zu Rate zu ziehen (gewesen) wären.

Als Analytischer Philosoph bin ich allenfalls Experte für jene kleine Änderung in der Pandemie-Begriffs-Software, die all diese wahnsinnig großen "…"-Folgen letztlich erst ermöglicht hat. Und so spreche ich jetzt auch nur über diesen winzigen "Mini"-Aspekt von CORONA. Aber wie jede Software-Expertin mir zugeben wird: Ein einziges Komma an der falschen Stelle kann ganze Welten zum Einsturz bringen. Und auf exakt einen solchen möglichen Fehler in unserem CORONA-Programm will ich jetzt aufmerksam machen.

Bis 2009 besagte "Influenza-Pandemie" laut der damaligen WHO-Website dieses (die Fett-Hervorhebung ist meine):

P1 An influenza pandemic occurs when [i] a new influenza virus appears against which the human population has no immunity, [ii] resulting in several simultaneous epidemics worldwide [iii] with enormous numbers of deaths and illness.

2009, einen Monat vor dem Ausbruch der "Schweinegrippe" (H1N1 influenza), wurde diese Begriffserläuterung in diese geändert:

P2 P1 minus [iii].3

Dass durch Streichung der bis dahin als notwendig angesehenen Bedingung [iii] die Definition P2 um Dimensionen weiter (umfassender) ist als P1, ist evident. Im Prinzip kann nach P2 jede jährliche Grippewelle, egal wie viel oder auch wie wenig Tote diese Welle kostet, von der WHO zu einer Pandemie erklärt werden. Ohne diese Erweiterung hätte die Schweinegrippe von der WHO 2009 nicht als eine "Pandemie" bezeichnet werden können; und so auch nicht - am 11. März 2020 - unsere derzeitige CORONA-Influenza.

David Ozonoff, ein Professor für Umweltgesundheit an der Boston University, hatte schon am Tag dieser Begriffsänderung (04. Mai 2009) diese exakt auf den Punkt gebracht. "Definition of the word 'pandemic' is not set in stone. Pandemic (im neuen Sinne von P2) "refers to how widely dispersed a disease is, not (wie bei P1) how severe."

Auch der Titel des ersten Berichts (von CNN-Atlanta), der diese Änderung gemeldet hatte, traf diese Begriffsverschiebung perfekt: When a pandemic isn't a pandemic. Richtig: Eine Pandemie nach P2 ist nicht notwendigerweise auch eine nach P1. Nochmal Ozonoff: "The word 'pandemic' (=P2) isn't quite as scary as it sounds (=P1). Die der Definition P1 entsprechende Spanische Grippe im Jahr 1918 "was a real horror show", die von 2009 war auch für Ozonoff keine derartige "show". (Alle Hervorhebungen in den Zitaten dieses Absatzes sind meine.)

Sogar der Europäische Rat hatte gegen diese "kleine" Sprachänderung, deren gigantische Auswirkungen uns und der ganzen restlichen Welt dank der CORONA-Pandemie-Panik noch lange um die Ohren fliegen werden, erstaunlich schnell Bedenken geäußert. Ohne Erfolg. Die WHO bestritt einfach, dass überhaupt eine Änderung stattgefunden habe.4

Ich maße mir nicht an, entscheiden zu können, welche dieser beiden verschiedenen Pandemie-Definitionen die adäquate ist. Und als nicht-Mediziner stünde mir eine solche Entscheidung über einen medizinischen bzw. epidemiologischen Fachterminus auch gar nicht zu.

Aber ich tue auch hier das, was auch jeder andere halbwegs versierte Begriffsexperte in so einem Fall sofort täte: Ich schlage vor, dass man der Klarheit wegen ab sofort zwischen mindestens zwei verschiedenen Arten von Pandemien unterscheiden sollte: Zwischen einer Starken Pandemie (= P1) einerseits und einer Schwachen (= nicht-starken) Pandemie (= P2 und nicht zugleich P1) andererseits.

Eine Starke Pandemie ist wegen den "enormous numbers of deaths" ganz klar eine Katastrophe; eine Schwache Pandemie im Vergleich dazu ebenso klar keine. Das Musterbeispiel für erstere wäre mit geschätzten 20 bis 100 Millionen Toten die Spanische Grippe von 1918; ein Musterbeispiel für letztere die besagte Schweinegrippe von 2009, eine der bisher leichtesten jährlichen Grippewellen überhaupt. 5

Und die CORONA-Pandemie? Wo wäre diese heute (Juli 2020) einzuordnen?

Die Antwort auf diese empirische Frage überlasse ich gerne denen, die davon echt etwas verstehen (siehe dazu P.S. unten). Die Fragen, die mich als einen das Welt-Geschehen kritisch verfolgen wollenden Menschen viel mehr interessieren, sind andere - aber vielleicht nicht weniger wichtige. Zum Beispiel diese: Nach allem, was man von den offensichtlich wenigen wirklich Kompetenten erfahren kann, hatten wir bislang wieder mal Glück: CORONA liegt auf dem Pandemie-Spektrum viel näher an der Schweinegrippe als an der Spanischen Grippe.

Aber: Warum tun dann zumindest in der Öffentlichkeit fast alle so, als wäre das blanke Gegenteil wahr? Als läge CORONA mit der Spanischen - und nicht mit der Schweinischen - Grippe in Konkurrenz? Und, was damit zusammenhängen dürfte, warum wird CORONA massenmedial so präsentiert, als gäbe es den Unterschied zwischen P2 versus P1 überhaupt nicht? Warum dringt über den WHO-intern geführten Streit über die mit beiden Pandemie-Varianten verknüpften unterschiedlichen Sehweisen und Interessen6 - speziell, was die Besetzung der entscheidenden Kommissionen angeht - so wenig (= fast nichts) nach draußen? In summa: Warum interessiert diese Differenz bisher so gut wie niemanden? Warum ist diese P2/P1-Begriffsverschiebung so etwas wie das zentrale CORONA-Tabu?

Wie so oft: Jede Antwort auf solche Tabu-Fragen wirft nur weitere Fragen auf. Und wer hat zu Panik-Zeiten schon den Nerv, sich durch tiefer gehende Fragen noch weiter verunsichern zu lassen? (Achtung SCHLEICHWERBUNG: Analytische Philosophie bietet an einigen Universitäten gelegentlich eine Art von Panik-Resistenz-Training an. Die Prämisse dieses Trainings: Abstraktion ist nur bei cooler Distanz möglich. Aber man verwechsle diese Distanz bitte ja nicht mit einem Empathie-Mangel! ENDE der Schleichwerbung.)

Also nochmal: Warum tun derzeit fast alle so, als bestünde zwischen P1 und P2 gar kein Unterschied?

Hier jetzt nur eine schnelle Auswahl möglicher Antworten7: Fast alle tun derzeit so, als gälte P2=P1,

  • weil auch die meisten Anderen so tun.
  • weil man andernfalls (fürchten muss, dass man) sofort sanktioniert würde. Z.B. vom Staat, von der Gemeinde, in den Medien / im Netz, auf der Straße, von den engsten Freunden.
  • weil man millionenfach seit Monaten nichts anderes hört.
  • weil man von der Wahrheit von P2=P1 selbst überzeugt ist. Und das weil: - auch die WHO das behauptet.
    - auch die meisten Experten so reden.
    - einem selber der Unterschied zwischen P2 vs. P1 einfach noch nie aufgefallen ist. (Sie, liebe Leser, haben diese Ausrede jetzt nicht mehr. Sollte ich jetzt gar noch "Sorry!" sagen?)
  • weil sich, selbst wenn man den Unterschied kennen würde, anders zu verhalten doch schlicht und einfach unsozial wäre. (Klar, dies ist bzw. wäre das stärkste - und so deshalb inzwischen gewiss milliardenfach wiederholte - Argument für ein Weiter-so.)

All diese Begründungen sind aber, wenn man sie näher unter die Lupe nimmt, schlicht und einfach dürftig, wenn nicht gar falsch.

Haben Sie eine Lupe? Dann machen Sie jetzt, ehe Sie bei Telepolis nach meiner Begründung verlangen, doch einfach selber mal wieder von ihr Gebrauch!

P.S. Noch eine eher persönliche Notiz. Ich bin überzeugt, dass es unter den derzeit lebenden Menschen keinen einzigen gibt, der über die gesamte Palette der für eine umfassende Beurteilung von CORONA zuständigen Wissensbereiche einen auch nur annähernd verlässlichen Überblick hat. Wie soll man sich in einer solchen Welt orientieren?

Meine Antwort darauf wäre die, die ich schon als Kind in meinem Elternhaus in Kempten/Allgäu eingetrichtert bekam: Trau schau wem! Grob übersetzt: Schau Dich um, wem Du von Deinen Mitmenschen am ehesten Vertrauen schenken kannst. Wer sagt Dir in aller Offenheit einfach und klar seine Meinung? Wer hat in den fraglichen Bereichen die größte Erfahrung? Wer kann das Wesentliche vom Unwesentlichen trennen? Wer weicht Deinen Fragen nicht mit leeren Worthülsen aus? Wer kann Dir überhaupt noch in die Augen schauen? Usw.

Mit anderen Worten: Meide die Talkshows! Hör nicht auf die, die gleichzeitig auf allen Kanälen zu hören sind. Misstraue jedem, der spricht, als wäre er unfehlbar wie die früheren Päpste. (Der jetzige spricht selber Gottseidank anders.) So in etwa. Verlass Dich auf das, was man früher den gesunden Menschenverstand nannte! Mit diesen Kriterien lässt sich relativ zuverlässig die Spreu vom Weizen trennen.

GEORG MEGGLE ist Analytischer Philosoph. Seine Schwerpunkte: Die Logiken von Kommunikation, Sprachlicher Bedeutung und von Täuschungen, Terrorismus und Antisemitismus. Seit seiner Leipziger Emeritierung (2009) gibt er Philosophische-Interventions-Kurse; im Sommer an der Uni Salzburg und im Winter an der American University in Cairo (AUC).