Mittelmeer: Italien und Frankreich wollen gegen Schleuser zusammenarbeiten

Département des Alpes-Maritimes. Bild: Florian Pépellin / CC-BY-SA-2.5

Geplant ist ein gemeinsames Grenzschutzkommando an der Riviera/Côte d'Azur. Doch spielt auch Nordafrika eine Rolle bei der Kooperation in der Migrationspolitik

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

An der Grenze zwischen den Mittelmeerorten Ventimiglia, auf der italienischen Seite, und Menton auf der französischen, gibt es seit Jahren Ärger zwischen den beiden Ländern. Grund sind Migranten, die nach Frankreich wollen. Zwar ist ihre Zahl zuletzt deutlich zurückgegangen, so dass das Thema kaum mehr Schlagzeilen über die Region hinaus machte, aber die Situation bleibt eine Belastung für alle Beteiligten.

Reportagen und Berichte machten darauf aufmerksam, dass die Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf französischer Seite wieder neue Migrantenbewegungen in Gang gesetzt haben. Es würden wieder mehr Migranten beobachten, die über Züge, Lastwagen und PKWs versuchen, von Italien nach Frankreich zu kommen, berichtete Le Monde Anfang Juli. Die Reportage beschreibt Einzelschicksale und eine harte Grenzpolitik, die sich nicht unbedingt auf gesetzliche Grundlagen stützen kann.

Das Zurückschicken von Asylsuchenden - Grundsatz der Nichtzurückweisung (auch: Non-Refoulement Prinzip) - ist ein Kernproblem (siehe: Frankreich 2017: 85.000 Migranten an den Grenzen zurückgeschickt). Gerichte haben zwar schon gegen diese Praxis aufseiten Frankreichs geurteilt, dennoch wird das weiter praktiziert, wie auch die erwähnte Reportage berichtet.

Derzeit sollen sich etwa 200 bis 300 Migranten auf der italienischen Seite aufhalten und auf der Straße, in Parks und am Bahnhof campen, da ein Flüchtlingslager des Roten Kreuzes wegen der Pandemie geschlossen wurde. Die Stadt sei überlastet, der Zustand unhaltbar, so der Bürgermeister von Ventimiglia. Täglich werden etwa 20 bis 30 Neuankömmlinge gezählt, berichtet Info Migrants. Dort heißt es, dass weder die Refoulements noch das "Leben auf der Straße" die Migranten davon abhalten würden, den Grenzübertritt zu versuchen.

Nun haben sich die Innenminister der beiden Länder, Gérald Darmanin und Luciana Lamorgese, getroffen, um zu einer verstärkten Zusammenarbeit zu finden Geplant ist die Schaffung einer gemeinsamen Brigade, um gegen Schleuser vorzugehen, wie der neue französische Innenminister mitteilt.

Details würden erst noch besprochen, geplant sei, dass man die bislang bestehenden gemeinsamen Patrouillen nun mit einer neuen Kommando-Struktur versehe. Sowohl die für die neue Brigade vorgesehenen französischen wie die italienischen Grenzschutz-Beamten sollen einem einzigen Kommando unterstellt sein. Über die anvisierte Stärke der Brigade, ihre Arbeitsweise und Aufgaben wurden keine Einzelheiten bekanntgegeben. Über den juristischen Rahmen und den Ort ihrer Stationierung werde noch diskutiert. Vorgesehen ist, dass die Brigade in zwei bis drei Monaten einsatzfähig sei.

Bemerkenswert ist die französisch-italienische Annäherung bei der Grenzpolitik gegenüber Migranten, weil sie zum einen mit der geäußerten Absichtserklärung einhergeht, dass Frankreich auch beim Treffen der EU-Innenminister eine stärkere Zusammenarbeit mit Italien wünscht, wenn im Oktober in Brüssel neu über die Malta-Vereinbarung gesprochen wird. Die Vereinbarung vom September letzten Jahres zu vereinfachten Verfahren bei der Verteilung von Migranten, die aus Seenot gerettet werden, wurde aufgrund des Corona-Virus ausgesetzt.

Frankreich und Italien wollen mehr EU-Staaten in den Mechanismus hineinnehmen und die Malta-Vereinbarung in das EU-Recht aufzunehmen, berichtet Le Monde.

Zum anderen ist die Frage, ob sich die französisch-italienische Annäherung auch dort fortsetzt, wo die beiden Länder zuletzt an verschiedenen Stricken gezogen haben, weil sie konfligierende Interessen vertraten, wie es der frühere italienische Innenminister Salvini betonte, nämlich in Libyen. Die Bitte Italiens, dass Frankreich seinen Einfluss in Tunesien geltend machen könnte, um den Migrationsdruck auf Italien zu erleichtern, könnte ein Signal für mehr Kooperation auch in Libyen sein.

Libyen: Bisher auf unterschiedlichen Seiten

Von fast 12.000 Migranten, die laut italienischem Innenministerium in diesem Jahr bis 24. Juli in Italien angekommen sind, sollen 4.000 tunesische Staatsbürger sein. Aus süditalienischen Städten kamen Klagen, dass sie mit der Situation kaum zurechtkommen.

In Libyen unterstützt Italien die Küstenwache - auch mit Booten und Ausrüstung -, die mit der Einheitsregierung (GNA) verbunden ist. Diese bringt Migranten, die vor der Küste gerettet oder aufgegriffen werden, wieder zurück ins Land. Frankreich hielt bislang in der Sache auf Abstand. Man betonte strikt, dass man keine französischen Häfen als sichere Häfen zur Verfügung stellen werde und erfuhr für diese Haltung offiziell aus der EU kaum Kritik (außer von Salvini).

Auf der politischen Ebene bemühte sich Frankreich zwar, auch den GNA-Chef Sarradsch zu Treffen einzuladen, aber von Außenminister Le Drian wurden in französischen Medien wiederholt Aussagen verbreitet, die deutlich erkennen ließen, dass die Unterstützung aus Paris vor allem dem Lager von General Haftar gilt. Berichte, die französische Geheimdienstoperationen aufseiten der LNA von Haftar enthüllten, bekräftigen die Unterstützung. Zudem ist mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein enger Geschäftspartner von Paris auf dieser Seite.

Italien positionierte sich in den vergangenen Jahren deutlich aufseiten der GNA. Nur durch die Hilfe Italiens konnte Sarradsch überhaupt sein Regierungsquartier in der von Milizen beherrschten Hauptstadt Tripolis beziehen. Zuletzt gab es auch von Rom aus, manchmal auch unglücklich verlaufende Schritte der Annäherung an Haftar. Man darf nun gespannt sein, ob sich die französisch-italienische Zusammenarbeit auch auf Gemeinsamkeiten in der Libyen-Politik ausdehnen wird.