VGH Baden-Württemberg urteilt gegen Linksunten-Razzia

KTS in Freiburg. Archivbild: Ralf Streck

Durchsuchungsanordnung gegen Autonomes Zentrum KTS in Freiburg war rechtswidrig; Antrag des Bundesinnenministeriums hätte abgelehnt werden müssen

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"Es gibt für Linksradikale wenig gute Gründe vor Gericht zu ziehen", schreiben die Freiburger Aktivisten vom KTS zum "Einbruch" auf "Befehl des Bundesinnenministeriums" am 25. August 2017 in "unser Autonomes Zentrum" bei dem "richtig viel geklaut wurde".

Die Hoffnung, einen solchen Prozess zu gewinnen, waren nach den bisherigen Erfahrungen der Freiburger Autonomen mit der Justiz eher gering. So wurde zum Beispiel die Klage gegen das Verbot von Linksunten Indymedia im Januar mit einer streitbaren Begründung abgelehnt.

Trotz allem hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH 1 S 2679/19), wie jetzt öffentlich bekannt wurde, am 12. Oktober 2020 beschlossen, dass die Durchsuchung des autonomen Zentrums KTS illegal war: "Es wird festgestellt, dass die Durchsuchungsanordnung in Nr. 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 22. August 2017 - 4 K 7022/17 - rechtswidrig gewesen ist."

Der Antrag des Innenministeriums hatte keine Rechtsgrundlage und deshalb hätte das Verwaltungsgericht Freiburg die Durchsuchung "ablehnen müssen", heißt es im Urteil, das "unanfechtbar" ist.

Linksunten Indymedia war als Ableger des weltweiten Indymedia-Netzwerks vom damaligen Innenminister Thomas de Maizière am Tag der Razzia verboten worden. Der sprach von einer "linksextremistischen Internetplattform", die sich "gegen die verfassungsmäßige Ordnung" gerichtet habe. Bemüht wurde dafür strittig das Vereinsrecht, obwohl es keinen Linksunten-Verein gab, um ein Medienportal auszuschalten.

Das Ministerium konstruierte aber aus fünf Personen die Mitglieder eines nicht existenten Vereins. Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts, das die Beschwerde gegen das Verbot abgelehnt hat, war kurios. Es hätte der (nicht existierende) Verein klagen müssen und nicht die vom Innenministerium benannten angeblichen fünf Betreiber von Linksunten. Insgesamt laufen aber noch diverse Prozesse, unter anderem wurde eine Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Die KTS (Kulturtreff in Selbstverwaltung) fordert nun, alle beschlagnahmten Gegenstände endlich herauszugeben. Angeführt werden unter anderem "Speichermedien, Computer, Telefone, viele schriftliche Aufzeichnungen und Geldbestände", die sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung in der KTS befanden. Den Schaden beziffern die Betreiber auf "rund 40.000 Euro", obwohl er nach ihren Einschätzungen "insgesamt doppelt so hoch" gewesen sei.

Betroffen von der illegalen Durchsuchung seien diverse Gruppen, die das Zentrum nutzen, auch "verschiedene Theatergruppen, KünstlerInnen, Konzert-VeranstalterInnen, der Umsonst- und Infoladen sowie Werkstätten und Büros umweltpolitischer, antifaschistischer und libertärer Gruppen". Das Zentrum leide bis heute "nicht nur finanziell unter den Razzien und Beschlagnahmungen". So fehlten zum Beispiel auch dem offenen Internetcafé bis heute sämtliche Computer.

"Nach drei Jahren hat also das oberste baden-württembergische Verwaltungsgericht letztinstanzlich festgestellt, dass die KTS Freiburg am 25. August 2017 nicht hätte durchsucht werden dürfen", konstatieren die KTS-Betreiber verärgert. Denn das KTS sei kein "Vereinsheim" von Linksunten Indymedia gewesen und das beschlagnahmte Geld sei auch kein "Vereinsvermögen" eines Vereins, "den das BMI überhaupt erst konstruiert hat". Der KTS-Anwalt hat nun die Herausgabe aller beschlagnahmten Gegenstände sowie des beschlagnahmten Geldes gefordert.